Stolz auf ihr internationales Gesicht

Die Technische Universität Cottbus-Senftenberg ergreift Maßnahmen gegen rechte Einflussnahme

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Menschen aus aller Welt sollen an der Universität sicher sein: Bushra Nabas aus Jordanien 2018 in der Bibliothek. Sie studierte in Cottbus den Schutz und die Verwaltung des Weltkulturerbes.
Menschen aus aller Welt sollen an der Universität sicher sein: Bushra Nabas aus Jordanien 2018 in der Bibliothek. Sie studierte in Cottbus den Schutz und die Verwaltung des Weltkulturerbes.

Gesine Grande ist kein Fall bekannt, in dem ein Dozent der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) einen Studierenden diskriminiert hätte. Der BTU-Präsidentin ist aber bekannt, dass an ihrer Universität auch Rechtsextremisten eingeschrieben sind. Sanktionen gegen sie wurden noch nicht verhängt. »Wir können die nicht einfach exmatrikulieren«, stellt Grande klar. Es hätte ihnen Fehlverhalten auf dem Campus nachgewiesen werden müssen, und sie wüssten in der Regel sehr gut, wie weit sie gehen können, ohne ernsthafte Schwierigkeiten zu bekommen. Treten rechte Studierende irgendwo anders in Cottbus bei einer asylfeindlichen Kundgebung auf und halten dort volksverhetzenden Reden – das wäre eventuell ein Fall für den Staatsanwalt, aber die Universität ginge dies nichts an.

Zumindest aber im Hörsaal, in der Bibliothek, im Seminar, im Labor sollen Studierende aus aller Welt »gerne ankommen, sich sicher fühlen und frei entfalten können«. Natürlich soll das Klima auch sonst so freundlich sein, dass der eine oder andere nach Abschluss seines Studiums in der Stadt bleibt oder sich im Umland niederlässt. Denn das Lausitzer Braunkohlerevier befindet sich Grande zufolge nach Jahrzehnten des Niedergangs erstmals wieder in einer »sehr erfreulichen Situation«. Betriebe siedeln sich an und suchen Fachkräfte.

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Aber die Arbeitskräfte aus dem Ausland müssten auch willkommen sein – und da kommen nach der Landtagswahl vom 22. September noch mehr berechtigte Zweifel auf, als es ohnehin schon gab. Mit einem Rekordergebnis von 29,2 Prozent der Stimmen ging die AfD brandenburgweit nur knapp hinter dem Wahlsieger SPD durchs Ziel. In einem Landtagswahlkreis südlich von Cottbus holte AfD-Kandidat Michael Hanko stolze 46,5 Prozent. Zwar liegt der einzige Wahlkreis im Revier, den die AfD nicht gewann, in Cottbus – und auch der Campus der Universität befindet sich mit Ausnahme der Bibliothek in diesem Teil der Stadt. Doch da beginnt dann auch schon der zweite Cottbuser Wahlkreis, in dem ausgerechnet Jean-Pascal Hohm siegte. Hohm gilt in dem vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften AfD-Landesverband noch einmal als besonders harte Nuss.

Bedenken sind also angebracht. Die BTU hat jetzt eine Monitoringstelle eingerichtet, die künftig einmal im Jahr einen Bericht über rechte Vorfälle auf dem Campus vorlegen wird und Betroffenen Unterstützung anbieten soll. Diese werden entweder an die Antidiskriminierungsbeauftragte der Hochschule oder an die Gleichstellungsbeauftragten verwiesen, wie Professorin Heike Radvan am Donnerstag erläutert, oder sie werden vermittelt an den Verein Opferperspektive bei rassistischer Gewalt und an den CSD Cottbus e. V. bei einem schwulenfeindlichen Übergriff sowie nach Berlin an die Ofek-Beratungsstelle bei einer antisemitischen Attacke. Die Monitoringstelle ist Teil eines Handlungskonzepts gegen extrem rechte Einflussnahme, das sich die Universität Anfang 2023 als erste Hochschule in Deutschland gegeben hat.

Handlungsdruck besteht allein schon deswegen, weil mittlerweile 50 Prozent der Studierenden und 40 Prozent der Doktoranden aus dem Ausland stammen. Handlungsdruck besteht auch, weil rechte Einflussnahme schon vorgekommen ist und auch rechte Gewalt. Der Hochschulbetrieb soll aber so gut es geht gegen antidemokratische Kräfte abgeschirmt werden.

Universitätspräsidentin Grande beteuert, die »Rechtsverschiebung« zu nennende Entwicklung sei »kein Cottbuser, kein BTU- und kein Ostproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches«. Man sei mit dem Handlungskonzept und der Monitoringstelle nicht deshalb Vorreiter, weil es die BTU besonders nötig habe, sondern weil es hier mit Professorin Radvan zum Glück eine Rechtsextremismusexpertin gebe, »die bundesweit sehr gefragt ist«. Auch Hochschulen in Westdeutschland erlebten Versuche rechter Einflussnahme. Sie seien interessiert daran, von der BTU zu erfahren, was sie dagegen unternehmen könnten. »In Pforzheim ist die AfD stärkste Fraktion«, sagt Gesine Grande, um an einem Beispiel zu illustrieren, dass so etwas nicht nur in der Stadtverordnetenversammlung von Cottbus möglich ist, sondern auch in einem Gemeinderat in Baden-Württemberg.

»Es gibt diese Herausforderungen auch an anderen Universitäten.«

Heike Radvan Professorin

Auch wenn gerade die Universität viel dazu beiträgt, dass es in Cottbus eine bei allen negativen Schlagzeilen oft übersehene starke demokratische Zivilgesellschaft gibt – und dies Heike Radvan zufolge »schon seit den 80er Jahren« –, wirken die Beteuerungen von Grande, man habe kein spezifisches Problem, etwas weltfremd. Es hört sich dann doch so an, als wolle sie etwas herunterspielen, was dem Ansehen der Universität schaden und Bewerber aus dem Ausland abschrecken könnte, auch wenn das gar nicht ihre Absicht ist und sie eher darauf aufmerksam machen möchte, dass überall etwas getan werden muss.

Dabei erklärt Expertin Radvan, dass sich Städte in Sorge um ihr Image oft für ein Verschweigen der Probleme entscheiden, obwohl man aus der Forschung wisse, »dass dies nicht hilfreich ist«. Aber Radvan versichert genauso: »Es gibt diese Herausforderungen auch an anderen Universitäten.«

Studierende, die Diskriminierung schon erleben mussten, begrüßen es, dass die BTU nicht tatenlos zusieht. Die Studierenden loben die versprochene Vermittlung von Hilfe – denn nicht alle von ihnen wüssten Bescheid, wohin sie sich wenden könnten. »Wir Studierende sind stolz auf das internationale Gesicht unserer Universität«, heißt es in einer Stellungnahme.

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