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Das Totholz hat zwei Seiten
Brandenburg sticht bei Bundeswaldinventur mit positiven Ergebnissen hervor
Auch in den klimatisch schwierigen Jahren der jüngsten Vergangenheit stockte
Brandenburgs Wald den Holzvorrat auf und hebt sich damit durchaus positiv ab vom bundesdeutschen Durchschnittswert. Darauf machte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) am Montag in der Potsdamer Staatskanzlei aufmerksam. Dort wurden die Ergebnisse der jüngsten Bundeswaldinventur präsentiert.
In vielen Waldregionen Deutschlands sei der durch Klimaveränderungen und Insektenfraß bedingte Holzverlust inzwischen so stark, dass er den natürlichen Holzzuwachs übersteige, sagte Vogel. »Für Brandenburg gilt das nicht.« Hier seien pro Hektar erneut sechs Kubikmeter Holz jährlich hinzugekommen. Bei einer durchschnittlichen Entnahme von vier Kubikmetern bleibe die Bilanz also positiv. Die Bewirtschaftung des Waldes hierzulande verdiene weiterhin die Bezeichnung »nachhaltig«.
Vogel führte den Unterschied zum Bundestrend in erster Linie darauf zurück, dass die Fichte mit dem Klima der vergangenen Jahre schlecht klargekommen und im Harz, in Thüringen und in Westdeutschland massenhaft abgestorben sei. In Brandenburg sei die Fichte weniger vertreten. Hier dominiert die Kiefer. Daher wirke es sich nicht so gravierend aus. Der scheidende Umweltminister hofft, dass nicht Bedingungen eintreten, unter denen die Kiefer ebenso leide wie die Fichte.
Neben der Fichte können auch Birke, Erle, Pappel, Vogelbeere, Tanne, Esche und Weide nicht so gut mit den Veränderungen umgehen, erklärte Forstwissenschaftlerin Ulrike Hagemann. Der Zuwachs an Holz in den Wäldern Brandenburgs bleibe eine Tatsache und sei auch bemerkenswert, aber er verlangsame
sich gegenüber der Zeit vor 2017. Man müsse also aufpassen, dass es nicht auch hier zum andernorts beklagten Rückgang komme.
Nach wie vor zu schaffen macht bei der angestrebten Naturverjüngung, dass
junge Triebe vom Rehwild abgefressen werden und beispielsweise 44 Prozent der jungen Eichen so verloren gehen. »Das Wild ist ein Feinschmecker«, sagte Hagemann. Obwohl sich die Kiefer allgemein als robust erwiesen und dem Stress der vergangenen fünf Jahre gut getrotzt hatte, setzt Brandenburg weiter auf einen Umbau weg von Kiefern-Monokluturen hin zu Mischwäldern. Vor 35 Jahren hatte die Kiefer noch einen Anteil von 85 Prozent. Jetzt sind es immer noch 75 Prozent.
»Der Umbau braucht Zeit«, sagte Hagemann. In den kommenden Jahren werde sich das Bild schneller verändern. »Die Kiefer ist kein zukunftsfähiger Baum«, beteuerte sie, räumte aber ein, dass viele als Alternative angepriesene Laubbaumarten sich als wesentlich anfälliger erwiesen haben. Zum Teil lasse sich das
erklären, dass bei Birke, Pappel und anderen Baumarten vor allem ältere Exemplare dem Stress, der Trockenheit oder den Insektenmengen zum Opfer fielen. Als zukunftsfähige Baumarten nannte sie etwa Hainbuche, Eberesche, Linde und Ahorn.
Einen größeren Schutz der Neuanpflanzungen durch mehr Wölfe und eine dementsprechend höhere Zahl gerissenen Reh- oder Rotwilds ist laut Minister Vogel nicht zu erwarten. Die Wölfe im Land erlegen keineswegs so viele Tiere, dass dies eine Auswirkung auf den Abfraß an Jungpflanzen hätte. Außerdem bevorzuge der Wolf entgegen ursprünglicher Annahmen eher die offenen Landschaften als die dichten Wälder.
Hagemann bekannte sich zur flächendeckenden Lagerung von Totholz in den Wäldern, auch wenn die Feuerwehr beklagt, dass die Waldbrandbekämpfung
durch dieses Totholz enorm erschwert werde. »Das Totholz hat zwei Seiten.« Totholz könne Tieren einen Lebensraum bieten, die sich als »Gegenspieler« von Baumschädlingen erwiesen haben. Leider sei das anzutreffende Totholz in Brandenburg eher zu dünn, um eine langfristige Wirkung zu entfalten. Die ökologisch besonders wertvollen abgestorbenen Eichen- und Buchenstämme gebe es leider viel zu wenig. Ein höherer Anteil an Laubbäumen wäre für Waldbrände jedenfalls ein Hemmnis.
Die Tatsache, dass sich fast zwei Drittel der Waldflächen Brandenburgs in Privathand befinden und privat bewirtschaftet werden, wertet Expertin Hagemann als positiv, denn so sei eine begrüßenswerte Vielfalt gegeben. Auf der anderen Seite ist auf diese Weise eine einheitliche Strategie der Waldbewirtschaftung sehr erschwert bis nahezu unmöglich, auch was Naturverjüngung, Waldumbau und
den Schutz der Neuanpflanzungen betreffe. »In der Tat, das ist ein Problem«, gestand Minister Vogel zu. Er wies darauf hin, dass es diesbezüglich Förderprogramme gebe und in jedem Forstamt Berater der Kleinwaldbesitzer zu finden seien.
Neben der Bundeswaldinventur gibt es auch regelmäßig den im Umweltministerium alljährlich erarbeiteten Waldzustandsbericht. Die Vermutung der Doppeluntersuchung wiesen die Verantwortlichen indessen weit von sich. »Sie ergänzen sich hervorragend«, beteuerte Hagemann. Während der Waldschadensbericht die Schäden feststelle, sei die Inventur den Ursachen auf der Spur.
Dem brandenburgischen Wald geht es deutlich besser als vor einem Jahr, und vor allem die Kiefer »konnte Boden gut machen«, hatte vor Monaten der Waldzustandsbericht 2023 ermittelt. Die positive Entwicklung führten die Fachleute auf die »überdurchschnittlich gute Wasserversorgung« vor allem im Frühjahr zurück.
- Pro Minute wachsen in den Wäldern Brandenburgs 16 Kubikmeter Holz nach.
- Gegenüber der Bundeswaldinventur des Jahres 2012 hat sich die Waldfläche in Brandenburg nicht verringert, auch wenn dem Bau der Tesla-Autofabrik in Grünheide einige Hektar Forst weichen mussten. Es gibt eine Ersatzpflanung an anderer Stelle.
- Brandenburg verfügt also stabil über mehr als 1,1 Millionen Hektar Wald und ist damit eines der waldreichsten deutschen Bundesländer.
- Durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den 90er Jahren und den Rückzug der industriellen Struktur aus der Fläche hatte sich der Waldbestand damals sogar messbar erhöht.
- Der Anteil ungeschädigter Bäume stieg laut Waldzustandsbericht 2023 von 7 auf 25 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil der Bäume mit deutlichen Schäden von 20 auf 16 Prozent. krauß
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