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  • Antifaschismus im Sport

Fans von Lichtenberg 47 erinnern an Hans Zoschke

Der Tod des Widerstandskämpfers jährt sich dieses Jahr zum 80. Mal. Bald sollen Stolpersteine an ihn und seine Frau Elfriede erinnern

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 4 Min.
Die neuen Stolpersteine leuchten golden: Sie erinnern an die Widerstandskämpfer*innen Elfriede und Johannes Zoschke.
Die neuen Stolpersteine leuchten golden: Sie erinnern an die Widerstandskämpfer*innen Elfriede und Johannes Zoschke.

Verlegt ist der Stolperstein noch nicht, aber immerhin schon übergeben: Rund 70 Personen haben sich am Samstag vor dem Spiel von SV Lichtenberg 47 gegen Tennis Borussia vor dem Eingang des Hans-Zoschke-Stadions versammelt, um Elfriede und Johannes »Hans« Zoschke zu gedenken. Unter ihnen befinden sich die Lichtenberger Stolpersteinbeauftragte Dagmar Poetzsch, der ehemalige Bezirksbürgermeister von Lichtenberg Michael Grunst (Linke), seines Zeichens Präsident des Fußballclubs Lichtenberg 47, Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) und Vertreter*innen der Faninitiative, die den Anstoß für die Ehrung gegeben hatten.

Hans Zoschke war Arbeitersportler bei dem Verein Empor Lichtenberg, der später in Sparta Lichtenberg umbenannt wurde. Informationen über Hans Zoschke gibt es dort nicht viele, da das Vereinsarchiv von Sparta in den 90er Jahren einem Feuer zu Opfer fiel. Laut dem Vereinsarchivar Gerhard Schenk berichteten Zeitzeug*innen allerdings, dass Zoschke der beste Zeugwart gewesen sein soll, den der Verein je hatte. Ein Zeugwart ist für die Versorgung der Spieler und Trainer verantwortlich.

Deutlich mehr Informationen gibt es über Zoschkes Rolle im antifaschistischen Widerstand: Bekannt ist, dass er schon 1939 nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen selbst gestaltete Plakate gegen den Krieg an Friedrichshainer und Lichtenberger Industriestandorten verklebte. Motive waren unter anderem mit »Der Krieg ist entbrannt, die Kugel trifft dich! Krieg dem Kriege! Österreich, Tschechoslowakei, heute Polen, morgen die ganze Welt!« beschriftet.

»Werde nicht weich, viel grämen macht bleich, so man dir nimmt, bleibe gütig und reich.«

Gedicht von Hans Zoschke

Zoschke pflegte eine Freundschaft mit dem Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder und half diesem dabei, Alfred Kowalke (Instrukteur vom Zentralkomitee der KPD) bei sich und seiner Schwester Brunhilde Prelle zu verstecken. Zoschke wurde 1942 verhaftet und musste in mehreren Arbeitslagern einsitzen. Im Oktober 1944 wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Brandenburg-Görden hingerichtet. In diesem Jahr jährt sich sein Todestag zum 80. Mal, was die Lichtenberger Faninitiative zum Anlass nahm, ihm und seiner Frau zu gedenken.

Elfriede Zoschke starb 2004. Bis auf eine Vorladung bei der Gestapo erfuhr sie in der NS-Zeit nur wenig direkte politische Verfolgung. Die Lichtenberg-47-Faninitiative entschloss sich aber trotzdem, einen Stolperstein für sie anfertigen zu lassen. »Sie bildete den persönlichen Rückhalt für Hans«, erklärt Sebastian, ein Vertreter der Initiative, in einem Redebeitrag diesen Schritt. Elfriede sei für den Lebensunterhalt zuständig gewesen, während Hans arbeitslos war. Außerdem habe sie ihre Wohnung für politische Treffen zur Verfügung gestellt, was zur damaligen Zeit bei Enttarnung einem Todesurteil gleichgekommen wäre.

Man wolle mit dem Stolperstein für Elfriede Zoschke auch neue Wege gehen, da »persönliche und familiäre Netzwerke den politischen Widerstand überhaupt erst ermöglichten«, sagt Sebastian. Auch wenn Ehefrauen nicht direkt in politische Aktionen eingebunden seien, werde ihr Handeln und Wirken oftmals in gedenkpolitischen Kontexten vergessen oder entpolitisiert.

Vereinspräsident Michael Grunst bezeichnet die Ehrung von Menschen, die im Nationalsozialismus umgekommen sind, als »unheimlich wichtig«. »Es hat was mit unserem Verein zu tun, es hat was mit dem Arbeitersport hier in Lichtenberg zu tun und es hat auch was mit den Werten von Sportvereinen zu tun, die den Anspruch haben, einen fairen Wettkampf miteinander zu führen, Respekt vor dem sportlichen Kontrahenten zu entwickeln und dann auch gemeinsam die Werte – nämlich, dass man für die Menschen einsteht, egal woher sie kommen, egal wen sie lieben – zu leben.«

Nach den Reden werden die beiden Stolpersteine von Dagmar Poetzsch feierlich an die Fan-Initiative übergeben. Zu einer Verlegung der Steine am ehemaligen Wohnhaus Zoschkes in der Revaler Straße 32 in Friedrichshain konnte es nicht kommen, da vor Ort ein Luxusbüroprojekt unter dem Namen »The B« von dem Unternehmen »Townscape One development« gebaut wird.

Die eigentliche Verlegung wird voraussichtlich erst im Frühjahr kommenden Jahres stattfinden. Bis dahin werden die Steine im Lichtenberger Rathaus untergebracht. Umrahmt wird die Stolpersteinübergabe durch zwei weitere Veranstaltungen: Am 24. Oktober wird es im Lichtenberger Hubertusbad einen Vortrag zu »100 Jahren Arbeiterfußball« von Eike Stiller geben. Am 30. Oktober gibt der Historiker Oliver Reschke einen Input zu »Antifaschistischer Widerstand im Lichtenberger Arbeiterfußball (1933–1945)« im »Interkosmos« (Fanningerstraße 47).

Am Schluss der Veranstaltung wird ein von Hans Zoschke verfasstes Gedicht mit dem Titel »Schau nicht zurück« vorgetragen. Dies habe er nach seiner Verhaftung Anfang 1942 beim wöchentlichen Wäschewechsel aus der Haft schmuggeln können. Darin heißt es: »Werde nicht weich, viel grämen macht bleich, so man dir nimmt, bleibe gütig und reich.« Zu diesem Zeitpunkt war Zoschke noch nicht klar, dass er seine Familie nie wieder sehen würde.

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