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Bundestrainer Christian Wück lächelt die Widrigkeiten weg

Nach langer Wartezeit startet der neue Coach die Arbeit mit den deutschen Fußballerinnen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Monate nach seiner Vorstellung und 227 Tage nach seiner Ernennung kann Christian Wück endlich loslegen.
Zwei Monate nach seiner Vorstellung und 227 Tage nach seiner Ernennung kann Christian Wück endlich loslegen.

Genug Zeit ist ja vergangen. Exakt 227 Tage hat Christian Wück nach seiner offiziellen Verkündung als neuer Bundestrainer der DFB-Frauen warten müssen, um mit den deutschen Fußballerinnen erstmals auf dem Trainingsplatz zu stehen. Kaum waren seine Spielerinnen im Hotel an der Frankfurter Messe eingetroffen, ging es am Montag nur wenige Kilometer weiter in den Stadtteil Rödelheim, um im Stadion am Brentanobad eine öffentliche Einheit abzuhalten. Den Mann plagen weder Berührungsängste noch Selbstzweifel: Der 51-Jährige tritt vor seinem Einstand im Länderspiel gegen England am kommenden Freitag in Wembley seinen Job mit einem Lächeln auf den Lippen an.

In die Materie tauchte er übrigens früher ein als viele denken. Bereits bei der Weltmeisterschaft 2019 war der seit 2011 für den DFB im Nachwuchs arbeitende Fußballlehrer als Scout eingespannt. »Es war Fußball auf sehr hohem Niveau«, sagte Wück im Fachmagazin »Kicker«. Er analysierte in Frankreich die Teams abseits der deutschen Elf, die unter Martina Voss-Tecklenburg die Finalrunde in Lyon damals leichtfertig verspielte. Weil sich das Vorrundenaus bei der WM 2023 zum Zerwürfnis auswuchs, war überhaupt der Neuanfang auf der Trainerbank notwendig.

Dass sich die neue DFB-Sportdirektorin Nia Künzer für einen Mann entschied, hatten viele nicht erwartet, aber Wück spricht heute von einer »glücklichen Fügung«: Der in Gänheim in Unterfranken aufgewachsene und in Bielefeld beheimatete Familienvater wollte nach dem Gewinn von WM und EM mit dem männlichen U17-Nachwuchs noch mal etwas Neues machen. Und der Verband suchte laut Künzer einen Trainer mit »Leidenschaft, Expertise und einem sehr klaren Konzept«. Die Weltmeisterin erhofft sich, dass Wück »die Spielerinnen individuell besser macht«.

Interimslösung Horst Hrubesch hat nur vordergründig ein bestelltes Feld übergeben. Olympiabronze war gewiss viel wert, aber einem pragmatischen Ansatz geschuldet, um die spielerischen Defizite zu übertünchen, die auf Verbands- und Vereinsebene auffallen. Eintracht Frankfurt, neuerdings mit acht Spielerinnen wichtigster Zulieferer für das DFB-Team, hat beim 0:1 am vergangenen Wochenende gegen Werder Bremen wieder vorgeführt, woran es hapert: Ins letzte Drittel wird oft zu langsam, zu unpräzise gespielt.

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Wück orientiert sich an jenem aktiven Spielstil, den einst Sportdirektor Hansi Flick für alle DFB-Teams entwarf. Sein Ansatz bei den Frauen soll sich grundsätzlich nicht von jenem bei den Junioren unterscheiden: »Die Inhalte, wie ich Fußball spielen lassen werde, bleiben gleich.« In der Grundordnung favorisiert er ein 4-2-3-1-System, mit dem schon Bundestrainerin Silvia Neid die größten Erfolge feierte.

Die größte Baustelle ist aktuell die Innenverteidigung. Wück: »Man sieht, dass wir da Nachholbedarf haben.« Nach dem Rücktritt von Marina Hegering, dem Verzicht auf Kathrin Hendrich und der Verletzung von Bibiane Schulze Solano deutet sich an, dass Janina Minge oder Sjoeke Nüsken wohl aus dem Mittelfeld nach hinten rücken, Debütantin Lisanne Gräwe ist als Sechserin eingeplant. Der Umbruch für die EM 2025 in der Schweiz wäre noch größer ausgefallen, »aber die Quantität der Spielerinnen und der Talente ist nicht so hoch wie bei den Junioren«, stellte der Bundestrainer mit gewisser Besorgnis fest. Um die Probleme beim Übergang aus dem Nachwuchsbereich anzugehen, ist jetzt eine U23 gegründet worden, die am Donnerstag auf dem DFB-Campus gegen Frankreich ihren Spielbetrieb aufnimmt.

Viel verspricht sich der frühere Angreifer Wück von der 25-jährigen Giovanna Hoffmann von RB Leipzig, die angeblich das Positionsprofil »einer Mittelstürmerin zu 100 Prozent erfüllt« und gleich auf dem heiligen Rasen in London debütieren dürfte. Drei Tage später führt ein letztes Mal die Ikone Alexandra Popp die DFB-Frauen in ihrem Abschiedsspiel gegen Australien in Duisburg aufs Feld. Danach hat Wück am 29. November gegen die Schweiz und drei Tage später gegen Italien weitere Gelegenheiten, seine Handschrift deutlich zu machen.

Dass sich der neue Bundestrainer in Sachen Menschenführung an Hrubesch orientiert, macht Sinn. »Was ich von Horst mitnehmen werde, ist sein Umgang mit den Spielerinnen«, sagte Wück. Auch im Team hinter dem Team war er außerordentlich beliebt. Mit seinem wieder als Nachwuchschef beim HSV arbeitenden Vorgänger war der Bundestrainer indes nur telefonisch in Kontakt – ein Treffen gab es (noch) nicht. So viel Zeit war dann doch nicht.

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