Leipzig ist (noch) nicht Liverpool

Bei Red Bulls Fußballern wird Jürgen Klopp auch als Problemlöser gebraucht

  • Lennart Garbes, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Leipzigs Spielmacher Xavi Simons (in weiß) zog sich am Mittwoch gegen den FC Liverpool eine Knöchelverletzung zu und droht bis Ende des Jahres auszufallen.
Leipzigs Spielmacher Xavi Simons (in weiß) zog sich am Mittwoch gegen den FC Liverpool eine Knöchelverletzung zu und droht bis Ende des Jahres auszufallen.

Sein Name waberte wie Abendnebel rund um das Leipziger Zentralstadion. Dabei befindet sich Jürgen Klopp eigentlich noch im Urlaub auf Mallorca. Bei der 0:1-Niederlage von Rasenballsport Leipzig gegen den FC Liverpool am dritten Spieltag der Champions League führte am Mittwoch trotzdem kein Weg vorbei an dem 57-jährigen Startrainer. Immerhin ist es erst zwei Wochen her, dass Red Bull bekannt gegeben hat, dass Klopp, der im Sommer bei den Engländern aufgehört hatte, ab Januar für den Brausehersteller arbeiten wird.

Auch die mitgereisten Liverpool-Fans waren sich über die besondere Bedeutung der Begegnung bewusst. Doch kaum jemand wollte vor dem Spiel so kritisch mit der Vereinsikone sein, wie der 68-jährige Kevin Barrat aus Bournemouth: »Ich bin schwer enttäuscht, dass er Red Bull übernimmt. Ich liebe Jürgen, aber ich habe das Gefühl, dass er die Werte, für die Liverpool steht, im Stich lässt.« Auch einige andere Fans gaben zwar zu, dass sie sich einen anderen neuen Arbeitgeber für ihren Ex-Trainer gewünscht hätten, bei den meisten überwog trotzdem die Dankbarkeit für neun überaus erfolgreiche Jahre, nach denen Klopp zuletzt immer wieder betont hatte, dass er eine Pause vom stressigen Trainerjob brauche.

Aktuell sieht es allerdings so aus, dass Klopp auch in seinem neuen Job als »Global Head of Soccer« bei Red Bull direkt als Problemlöser gebraucht wird. Grund sind die beiden Fußballaushängeschilder des Konzerns, Leipzig und Salzburg, die bisher im neuen Champions-League-Format noch gar nicht in Gang gekommen sind. Salzburg dürfte nach Niederlagen gegen drei vermeintlich leichtere Gegner aufgrund des schweren Restprogramms kaum noch Chancen aufs Weiterkommen haben. Bei Leipzig ist die Situation noch glimpflicher. Zwar gab es beim harten Auftakt gegen Atlético Madrid, Juventus und Liverpool ebenfalls drei Niederlagen. Das weitere Programm der Sachsen wirkt mit Spielen gegen Celtic Glasgow, Sporting Lissabon und Sturm Graz aber deutlich einfacher.

Doch die Heimniederlage gegen die Engländer am Mittwoch zeigte auch, wie groß die Lücke zwischen Leipzig und den Topklubs Europas weiterhin ist. Liverpool reichte eine durchschnittliche Leistung, um das Spiel über weite Strecken zu kontrollieren. »Wir waren mit dem Ball zu unsauber, zu unpräzise, gerade im letzten Drittel waren wir zu ungeduldig«, analysierte RB-Kapitän Willi Orbán nach dem Spiel. Nur zu Beginn und ganz am Ende der Partie gelang es Leipzig, Liverpool etwas unter Druck zu setzen, allerdings ohne die nötige Präzision vor dem Tor.

So reichte den Reds eine doppelte Unaufmerksamkeit von Leipzig zum Sieg. Erst ließ Antonio Nusa Liverpools Linksverteidiger Tsimikas auf dem Flügel ziehen, dann unterlief Castello Lukeba ein Stellungsfehler in der Mitte, sodass Mo Salah nach Tsimikas Flanke ungestört zum Kopfball kommen konnte, den Darwin Núñez dann über die Linie drückte. Auch die beiden irregulären Treffer von Loïs Openda, bei denen der Belgier zweimal deutlich im Abseits stand, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Leipziger immer nur dann gefährlich wurden, wenn Liverpool ein Fehler unterlief.

Hier wird Jürgen Klopp gefordert sein, dessen Hauptaufgabe es in den kommenden fünf Jahren sein soll, die Spielphilosophie der Red-Bull-Klubs auf das nächste Level zu bringen. Denn künftig will man auch in Leipzig um die ganz großen Titel mitspielen. Die DFB-Pokalssiege 2022 und 2023 sollen da nur der Anfang gewesen sein. Das ist der Anspruch, den Red Bulls Sportchef Oliver Mintzlaff vor der Saison ausgegeben hat. Spannend wird sein, ob Klopp dafür auch Red Bulls Transferstrategie anpasst, nach der eigentlich nur junge Talente verpflichtet werden sollen. Auch der 57-Jährige dürfte wissen, dass man die ganz großen Titel nicht nur mit Talenten gewinnen kann. Erst recht nicht, wenn die regelmäßig gewinnbringend verkauft werden sollen. Auch das war bisher Teil der Red-Bull-Strategie. Der dadurch immer wieder entstehende Substanzverlust ist in Leipzig nach dem Sommertransfer von Europameister Dani Olmo zum FC Barcelona gerade besonders spürbar.

Offensiv hängt extrem viel von Xavi Simons ab, der am Mittwoch wegen einer Knöchelverletzung ausgewechselt werden musste und bis Jahresende auszufallen droht. Ohne den 21-Jährigen dürfte es für Leipzig auch in der Bundesliga schwieriger werden, den guten Start als punktgleicher Zweiter hinter den Bayern fortzusetzen. Wenn es schlecht läuft, muss Jürgen Klopp ab dem 1. Januar 2025 gleich die erste Krise managen.

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