Felix Neureuther vor Weltcup in Sölden: »Dann wird es gefährlich«

Der 40-Jährige über Verletzungsrisiken, hohe Kosten und willkommene Comebacks im alpinen Weltcup

  • Interview: Elisabeth Schlammerl
  • Lesedauer: 5 Min.
Es geht schon wieder los: In Sölden startet der alpine Weltcup diesmal bei bestem Wetter.
Es geht schon wieder los: In Sölden startet der alpine Weltcup diesmal bei bestem Wetter.

In den vergangenen Jahren begann die Saison mit Diskussionen um den Weltcup-Kalender. Dieses Mal gibt es keine großen Kritikpunkte. Hatte der Weltverband Fis ein Einsehen, dass er den Athletinnen und Athleten zu viele Rennen und zu viele Reisen zugemutet hat? Oder war der Druck von außen zu groß?

Sowohl als auch. Die Aktiven standen geschlossen hinter dem Thema. Und es gab im vergangenen Jahr ja auch ein paar schwere Verletzungen. Die Fis hat wohl eingesehen, dass sie auf ihre Athleten und Athletinnen aufpassen muss. Wenn das Programm so massiv überfrachtet ist, dann wird es eben gefährlich. Und wenn Protagonisten wie der Norweger Aleksander Aamodt Kilde nun ausfallen, ist der Sport für die Zuschauer nicht mehr so interessant.

Am Termin für den Start in Sölden schon Ende Oktober wurde aber trotz vieler Diskussionen in den vergangenen Jahren nicht gerüttelt.

Zum Glück gab es dieses Mal früh viel Schnee. Aber ich bin immer noch dafür, den Start weiter in den November hinein zu verschieben, um den Aufwand zu minimieren – für den Veranstalter, die Athleten und Athletinnen, für die Verbände, die Skifirmen. Jetzt ist man durch den Start Ende Oktober getrieben, fürs Training früh auf Schnee zu gehen und lange Reisen auf sich zu nehmen. Das ist ein Trend, der auch beim Nachwuchs zu sehen ist. Die Sechs-, Siebenjährigen werden schon im Oktober zum Training auf den Gletscher gefahren. Die Kosten werden immer höher. Wer kann sich diesen Sport noch leisten?

Interview

Felix Neureuther sorgte sich schon als Aktiver um den Skisport. Der 40-Jährige, mit 13 Einzelsiegen im Weltcup der erfolg­reichste deutsche männliche alpine Ski­fahrer, kritisiert den frühen Saisonstart und die dadurch immensen Kosten. Die Rück­kehr großer Stars begrüßt er. 

Am meisten wurde über das Comeback des Österreichers Marcel Hirscher gesprochen. Warum ist es so ein großes Thema, dass ein 35-Jähriger zurückkehrt?

Wenn es die Größten eines Sports noch einmal versuchen, dann ist das immer ein Thema. Das war einst beim Comeback von Michael Schumacher auch so. Hirscher bringt die Aufmerksamkeit mit, die der Skisport dringend braucht. Die Leute diskutieren darüber, ob er in Form ist oder nicht und wie er abschneiden wird. Das ist doch gut für den Skisport.

Wie realistisch ist es, dass er nach fünf Jahren Pause und in diesem für einen Leistungssportler doch schon sehr reifen Alter wieder Top-Form erreicht?

Körperlich ist er vielleicht in der besten Verfassung seines Lebens. Aber das Skifahren ist so komplex geworden, dass man das nicht pauschal sagen kann. Es müssen so viele Elemente und Bausteine zusammenpassen. Das Material hat eine noch entscheidendere Bedeutung bekommen. Das wird eine Challenge. Aber wenn er das hinbekommt, wird er es definitiv schaffen, wieder auf höchstem Niveau zu fahren.

Welche Rolle spielt die lange fehlende Rennpraxis?

Eine große. Er muss wieder in den Rennmodus kommen, am Start vom Kopf her bereit sein. Dieser unbedingte Wille, die Körpersprache, an der man schon am zweiten, dritten Tor erkennt, ob ein Athlet bereit ist oder nicht, muss wieder da sein. Das hat Marcel früher immer ausgezeichnet. Aber das wieder hinzubekommen, stelle ich mir schwer vor.

Lucas Braathen kehrt ebenfalls zurück. Der nun für Brasilien startende Norweger ist erst 24 Jahre alt, hat nur ein Jahr Pause gemacht und war davor der beste Slalomfahrer der Welt. Ist sein Comeback nicht sportlich wichtiger?

Das ist etwas ganz anderes. Er ist ein junger Bursche, der voll im Saft steht. Er fährt das gleiche Material, braucht sich nicht groß umzustellen, nicht so viel testen und kann sich ganz aufs Skifahren konzentrieren. Er wird das Niveau im Slalom definitiv heben.

Während Braathen noch genügend Fis-Punkte hat, um startberechtigt zu sein, ermöglicht der Weltverband Hirscher die Weltcup-Teilnahme dank einer Wildcard-Regel. Einige Konkurrenten haben das kritisiert. Haben Sie Verständnis dafür?

Es geht doch darum, wie wir den Skisport interessanter, zeitgemäßer machen können. Wie wir ihn so gestalten können, dass auch große Unternehmen bereit sind zu investieren. Wie wir schaffen es, mehr Menschen, vor allem auch mehr Kinder, zu erreichen. Und wenn ein Hirscher zurückkommt, erfüllst du doch alle diese Kriterien. Deshalb verstehe ich die Aufregung nicht. Man sollte eher dankbar sein, dass er zurückkommt. Der Skisport wird davon profitieren.

Sie haben vorgeschlagen, dass noch mehr ehemalige Skirennläufer oder -läuferinnen zurückkehren sollten und sogar den 68-jährigen Ingemar Stenmark genannt. Würde das aus dem Weltcup nicht ein Show-Event machen, der sportliche Wert darunter leiden?

Sport ist doch Unterhaltung. Die Idee mit Ingemar Stenmark ist vielleicht etwas übertrieben. Aber Lindsey Vonn hat ja jetzt mitgeteilt, auch zurückkommen zu wollen. Und das wäre mega. Man muss sich ja prinzipiell Gedanken über die Zukunft des Skisports machen. Und mit Wildcards für Hirscher und Vonn machst du ihn auf jeden Fall interessanter. Das Fernsehen würde nicht bei der Nummer 20 die Übertragung beenden, sondern auf alle Fälle bis zur Nummer 31 dabeibleiben. Damit erreichst du die junge Generation, die sich mit Hirscher und Vonn noch identifizieren können.

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