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Universität Potsdam: Putschvorwürfe beim Asta

Fast alle Mitarbeiter des Studierendenausschusses wurden entlassen. Sie werten dies als Angriff auf die studentische Selbstverwaltung

»Sehr froh« sei der Asta-Vorsitzende Leo Radloff gewesen, dass die Polizei ihn bei der letzten Sitzung des Studierendenparlaments schützte.
»Sehr froh« sei der Asta-Vorsitzende Leo Radloff gewesen, dass die Polizei ihn bei der letzten Sitzung des Studierendenparlaments schützte.

Elf von 14 Mitarbeitenden des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Universität Potsdam wurden am 15. Oktober fristlos gekündigt. Dazu gehören vier Mitarbeitende des Studentischen Kulturzentrums (Kuze), denen laut eigenen Aussagen ein Hausverbot ausgesprochen wurde. Der Asta stellt eine Art »Regierung« an der Universität, gewählt wird er vom Studierendenparlament (Stupa). Die schwächsten Kräfte bilden im Asta derzeit eine christdemokratischen Gruppe und die Liberale Hochschulgruppe. Zu letztgenannter gehört auch Leo Radloff, Vorsitzender des Asta. Er nannte das Kuze einen »linken Freiraum«, der nicht allen Studierenden nütze.

Auf die Kündigungswelle am 15. Oktober folgte zwei Tage später eine E-Mail mit dem Absender »Asta UP retten« und dem Betreff »Was Studierende wissen sollten«. »UP« steht für Universität Potsdam. Laut der Mail habe der Asta eine »Reihe von strukturellen Veränderungen vorgenommen, die weitreichende Konsequenzen für die studentische Selbstverwaltung und das studentische Leben haben«. Diese Entwicklungen seien weitestgehend ohne öffentliche Debatte durchgeführt worden. »Wir möchten unseren Asta retten – im Zweifel auch vor sich selbst«, schreibt die Rettungskampagne »Asta UP retten«, die auch eine Website hat.

Bei den strukturellen Veränderungen geht es im Wesentlichen um vier Punkte: Der Personalrat der Asta-Mitarbeitenden soll gekündigt worden sein. Er wurde im vergangenen Jahr neu konstituiert. Laut der Pressestelle der Universität haben die Beschäftigen des Asta rechtlich gesehen keinen Anspruch auf eine solche Vertretung. Ferner soll geplant worden sein, den Sozialfonds für das Semesterticket zu streichen und niemanden für die gekündigten Stellen nachzubesetzen, um armen Studierenden den Semesterbeitrag zu erstatten.

Es gibt einen Beschluss, das Archiv fortzuführen, aber nichts Konkretes und keine neue Stelle für die Entlassene.

Zu den gekündigten Mitarbeitenden gehört laut der Rettungskampagne der Anwalt für die Rechtsberatung sowie alle Mitarbeitenden des Kuze, die den Kulturort nun ehrenamtlich aufrechterhalten. Die feministische Bibliothek »Fem-Archiv« soll geschlossen worden sein. Telefonisch und via Mail ließ sich das Archiv bis Redaktionsschluss nicht erreichen. Die Bibliothek sei ein wichtiger Ort für Studierende, die sich mit Geschlechterfragen und sozialer Gerechtigkeit auseinandersetzen. Es gebe zwar einen hochschulpolitischen Beschluss, das Archiv fortzuführen, aber noch nichts Konkretes und auch noch keine neue Stelle für die entlassene Mitarbeiterin.

Von einer jahrelangen Krise spricht hingegen der Asta, dessen Website, nachdem sie zeitweise nicht erreichbar gewesen war, am Dienstag mit einer Pressemitteilung wieder online ging. Grund für die technischen Schwierigkeiten war, dass zu den gekündigten Mitarbeitenden die gesamte IT gehörte. In der Mitteilung vom Dienstag heißt es, dass in der Mail vom 17. Oktober falsche Informationen über den Asta verbreitet worden seien sollen. Selbstverständlich unterstütze man einen Personalrat. Aus rein rechtlichen Gründen sei dies aber nicht möglich. Der Asta spricht davon, dass ihm »brisante Informationen und Chatnachrichten« zugespielt worden seien und dass eine Gruppe daran arbeite, »den Asta und dessen Vorstand zu sabotieren und zu stürzen«.

Als Gründe für die »dringend notwendigen Strukturreformen« führt der Asta unter anderem unbearbeitete Anträge, ständige Beschwerden von Fachschaftsräten und Angebote, die jedes Jahr enorme Kosten verursachen, aber kaum genutzt werden, an. Die derzeitige Haushaltslage des Asta sei angespannt. Weder das feministische Archiv noch der Sozialfonds für bedürftige Studierende oder die Rechtsberatung sollen laut dieser Mitteilung abgeschafft werden.

Simon Berner, einer der Referenten am Asta spricht gegenüber »nd« von »Behauptungen« in der Mitteilung des Asta vom Dienstag. Der Vorstand versucht laut Berner, sich ihm gegenüber als eine Art Arbeitgeber darzustellen, Berner sei in der Sitzung des Stupa am 22. Oktober von Radloff persönlich angegriffen worden. Einen »Lobbyisten der Langzeitstudierenden« habe Radloff ihn genannt. Das bestätigt »nd« auch der studentische GEW-Sprecher Sandro Schulz, der ebenfalls anwesend war. Berner sagt, dass ihm inzwischen nichts anderes übrig bleibe, als die Kündigungen als »politisch motiviert« zu sehen.

»Sehr undurchsichtig« nennt GEW-Sprecher Schulz die Geschichte. Aus gewerkschaftlicher Perspektive kritisiere man die fristlose Entlassung und fordere eine rechtliche Prüfung. Mit der Gewerkschaft Verdi hat die GEW eine Mitteilung verfasst. Machtkämpfe an der Universität dürften laut Mitteilung nicht auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen werden. Außerdem kritisiere man die Auflösung des Personalrats. Eine Sprecherin der Uni Potsdam sprach gegenüber »nd« von einem »Konflikt innerhalb des Asta, dessen Eskalation die Universität mit Sorge« beobachte. Ihres Wissens nach sei der Konflikt ausgelöst worden, als der Asta-Vorstand zwei Mitarbeitende des Kuze gekündigt hatte, weil sie ihrer Arbeit nur unvollständig nachgekommen sein sollten und weitere Mitarbeitende sich mit den ihnen solidarisierten. Berner sagt »nd« hingegen, dass vier Mitarbeitende vom Personalrat ohne Gespräch, Abmahnung oder Vorwarnung gekündigt wurden.

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