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Kunst und Kultur im Dienst völkischer Identitätspolitik
Die AfD strebt danach, die Kultur in ein Korsett nationaler und völkischer Ideologien zu zwängen, warnt Benjamin-Immanuel Hoff
Die AfD übt verstärkten Druck auf Kunst und Kultur aus, besonders in Sachsen-Anhalt, wo ihre Angriffe bereits spürbar werden. Im Landtag stellte sie einen Antrag zur »kritischen Auseinandersetzung mit dem Bauhaus«, mit dem Ziel, das Bauhaus als Ursprung »historischer Bausünden« und »globalen Einheitsbrei« darzustellen sowie ihm kommunistische Einflüsse vorzuwerfen. Diese Diffamierung erfolgt fast 100 Jahre nach der Vertreibung des Bauhauses aus Weimar, wo rechte Kräfte die Kunstschule 1924 finanziell aushungerten. Nach einem Aufblühen in Dessau wurde das Bauhaus 1933 von den Nationalsozialisten endgültig in Berlin geschlossen.
Seit seiner Gründung 1919 in Weimar musste sich das avantgardistische Bauhaus in einer überwiegend ablehnenden bis feindlichen Umgebung behaupten. Schon der Grundansatz der Kunstschule provozierte konservative und reaktionäre Kreise. Für sie waren die Lehrer, Schüler und Anhänger des Bauhauses links und internationalistisch eingestellt. Was zutreffend war – wenn die Bezugsgröße in der übrigen kulturkonservativen Bevölkerung Weimars besteht.
Benjamin-Immanuel Hoff ist Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten in Thüringen und Chef der Staatskanzlei. Der promovierte Sozialwissenschaftler hat gut drei Jahrzehnte als Abgeordneter der Linkspartei, Staatssekretär und Minister in Berlin und Thüringen gewirkt. Er ist unter anderem Mitglied im ZDF-Fernsehrat und Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Gesellschaftliche Unterschiede zu nivellieren und zum Verständnis zwischen den Völkern beizutragen provozierte naturgemäß in einer Zeit, in der die Verträge von Versailles und Rapallo rechte und konservative Kreise bis hin zum Mord an Walther Rathenau trieben und restaurative Militärs unter der Führung von Kapp gegen die Weimarer Republik putschten.
Für die AfD ist das Bauhaus ein Symbol für Werte, die sie ablehnt: Modernität, Freiheit und kulturelle Offenheit. Der AfD-Kulturpolitiker Hans-Thomas Tillschneider bezeichnete das Bauhaus als »abgrundtief hässlich« und »schuld an Bausünden«, was eine generelle Ablehnung moderner Kultur ausdrückt. Neben dieser öffentlichkeitswirksamen Initiative verfolgt die AfD weitere, weniger beachtete Vorhaben. So forderte sie etwa einen »Caspar-David-Friedrich-Preis« für Kunst mit »deutschen Stileigentümlichkeiten«. Weitere Anträge zielen darauf, »deutsche« Kultur wie Volkslieder an Schulen zu etablieren. Andere Initiativen fordern, dass an allen Grundschulen im Land jeden Tag ein deutsches Volkslied gesungen wird.
Die AfD versucht, Kunst und Kultur in den Dienst einer völkischen Identitätspolitik zu stellen, die den gesellschaftlichen Diskurs dominiert und ideologisch einengt. Sie strebt danach, die Kultur in ein Korsett nationaler und völkischer Ideologien zu zwängen. Die Angriffe der AfD auf das IMPULS-Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt und die Kritik am Theater Altmark sind Vorboten dessen, was unter einer AfD-Regierung zu erwarten wäre.
Für die Freiheit der Kultur in Deutschland ist dies eine ernste Gefahr. Die AfD verfolgt systematisch das Ziel, die Kunst in ihre ideologische Agenda zu integrieren, sei es durch Angriffe auf das Bauhaus oder die Instrumentalisierung Caspar David Friedrichs. Ihr Kulturkampf ist Teil eines größeren Projekts, dessen Praxis sich in autoritär-populistischen Regimen betrachten lässt.
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