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Muhammad Ali gegen George Foreman: Hype und Wirklichkeit

Vor fünfzig Jahre wurde der Boxkampf »Rumble in the Jungle« zwischen Muhammad Ali und George Foreman zum Jahrhundertereignis

  • Fabian Kunow
  • Lesedauer: 6 Min.
Muhammad Ali mit einem »Powerpunch« gegen George Foreman bei dem Jahrhundertkampf »Rumble in the Jungle« 1974
Muhammad Ali mit einem »Powerpunch« gegen George Foreman bei dem Jahrhundertkampf »Rumble in the Jungle« 1974

Kennen Sie Eliud Kipchoge? Der kenianische Langstreckenläufer gewann im September 2022 den Berliner Marathon, stellte für kurze Zeit einen Weltrekord auf, den bereits im Oktober 2023 sein Landsmann Kelvin Kiptum kassierte, der beim Chicagoer Marathonlauf 34 Sekunden schneller lief. In der Welt des Leistungssports werden ständig spektakuläre Siege eingefahren und neue Rekorde aufgestellt. Wann aber wird daraus ein Welt- oder gar ein Jahrhundertereignis?

Ein solches Ereignis war der Boxkampf »Rumble in the Jungle«: der Weltmeisterschaftskampf der Männer im Schwergewicht im Jahr 1974 in Kinshasa, der Hauptstadt von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo). In tropischer Hitze duellierten sich vor 80 000 Zuschauern George Foreman und Muhammad Ali im Kampf um den Weltmeistertitel im Berufsboxen. Es war die erste Profisport-Großveranstaltung auf dem afrikanischen Kontinent, die via Presseberichterstattung und Fernsehübertragung in der ganzen Welt verfolgt werden konnte.

Genese eines Jahrhundertkampfes

Der Boxkampfkampf »Rumble in the Jungle« wurde epochal, weil er für Black Power und schwarze Emanzipation steht: In der Nacht auf den 30. Oktober 1974 besiegte der Schwarze amerikanische Vietnamkriegsdienstverweigerer Ali – weltbekannt für seinen Ausspruch »Kein Vietcong nannte mich jemals Nigger« – seinen Kontrahenten Foreman, ebenfalls Schwarzer Boxer, der allerdings mit einem belgischen Schäferhund, Symbol belgischer Kolonialherrschaft, im postkolonialen Afrika posierte. Die sowjetische Sportzeitung »Sowetski Sport« kommentierte daher: »Muhammad Alis Sieg über George Foreman ist ein Symbol seines Mutes und seiner Treue zu seinen Prinzipien«.

Ringrichter Zack Clayton war ebenfalls nicht zufällig ausgewählt worden. Er war der erste Afro-Amerikaner, der in den USA im Jahr 1949 eine Ringrichter-Lizenz erhalten hatte. Eingefädelt hatte das ganze Box-Spektakel der Schwarze Boxpromoter Don King. Dessen spätere Karriere als »König des Zwielichts«, wie ihn der Sportjournalist Bertram Job betitelte, nahm in diesem Mega-Fight ihren Ausgangspunkt. Über King gibt es die wenig schmeichelhafte Einschätzung: »Wenn du einen Vierteldollar hast, will er die ersten 26 Cent davon«. Ob es ohne seinen Ehrgeiz und seine Gier zu der damaligen Konstellation überhaupt gekommen wäre, ist fraglich.

Bertram Job, »FAZ«-Boxsportjournalist und Autor des bildgewaltigen Werks »Ali vs. Foreman – 50 Jahre«, beschreibt in seinem Buch die sportliche Ausgangslage: »Ein Olympiasieger der USA von 1968 gegen einen Olympiasieger von 1960, ein kraftstrotzender, ungeschlagener Puncher gegen einen begnadeten Stilisten und Strategen.« Sportlich war vor dem Kampf offen gewesen, ob Ali am Ende der 1960er Jahre, nach seiner dreijährigen Zwangspause aufgrund seiner Kriegsdienstverweigerung und im Alter von mittlerweile 32 Jahren, überhaupt noch die alte Klasse besitzen würde.

»50 Jahre Rumble in the Jungle«

25. November um 19 Uhr: Abendveranstaltung im About.Blank zu »50 Jahre Rumble in the Jungle«. Gezeigt wird die Oscar-prämierte Kino-Dokumentation »When We Were Kings«; vorher Podiumsgespräch mit Sportjournalist Martin Krauß sowie der britischen Journalistin Dr. Michela Wrong, Zeitzeugin der letzten Jahre der Mobutu-Herrschaft.

David gegen Goliath

Aber bei diesem Kampf von Ali siegte, wie Job zusammenfasst, »brain over brawn, Köpfchen über Muskeln: Das ist in vielen Kämpfen, die später historisch genannt werden, der Schlüssel zum Erfolg gewesen«. Hierzu passt auch, dass, wie Job in seinem Buch richtigstellt, der »Rumble in the Jungle« im Vorfeld nicht als »Jahrhundertkampf« vermarktet wurde. Für die Wettanbieter war mit einer Quote von 3:1 Foreman der klare Favorit und der Box-Gipfel wurde nicht als Kampf zweier gleichwertiger Konkurrenten eingeschätzt. Wurde der Kampf also darum zum Ereignis, weil er die – noch dazu politisch aufgeladene – Geschichte von David gegen Goliath wiederholte, in der ebenfalls der körperlich Schwächere durch seine Listigkeit als Sieger vom Platz ging?

Nein, so war es nicht. Ali hatte bis zum Niederschlag von Foreman, der ihm den Sieg brachte, auf den Punktezetteln ohnehin vorne gelegen. Eine Computeranalyse, wie sie zehn Jahre nach dem Kampf technisch möglich wurde, zeigte zudem, dass Ali Runde für Runde zunehmend das Heft in die Hand genommen hatte. Alis K.-o.-Sieg über Foreman war Folge einer versierten Kampfstrategie und damit weder einer List geschuldet noch mysteriös.

Förderlich, damit sich ein zeitgeschichtliches Ereignis ins kollektive Gedächtnis einbrennt, ist zudem eine popkulturelle Verarbeitung. Eine solche Verarbeitung war der Dokumentarfilm »When We Were Kings« von Leon Gast aus dem Jahr 1996. An die hundert Mitarbeitende brachte er mit in den Kongo, um alles von den Wochen vor dem Kampf in Kinshasa filmisch einzufangen. Aber es dauerte (wegen Streitereien um Geld, unter anderem mit Don King) gut zwanzig Jahre, bis der Film in den Kinos lief. Dafür wurde er dann mit den höchsten Auszeichnungen bedacht, die es für dieses Genre gibt.

Motive der Mega-Events

Spätestens seit der Fußball-WM in Katar fragen viele Sportfans nach den Motiven der Finanziers von Mega-Sportevents, die immer abstrusere Summen kosten. Auch in dieser Hinsicht setzte der Kampf im afrikanischen Dschungel 1974 neue Maßstäbe: Beide Boxer bekamen eine Gage von fünf Millionen Dollar. Das Antrittsgeld war somit doppelt so hoch wie sonst bei solchen Spitzenkämpfen.

Dieses Weltereignis hob das postkoloniale Afrika, und mit ihm Zaires Diktator Mobutu Sese Seko, auf die internationale Bühne. Zaire war ein gutes Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit und drei Jahre nach der Umbenennung in République du Zaïre zum Ort eines Weltereignisses geworden, bezahlt aus der Schatulle des Diktators Mobutu, finanziert durch die Bodenschätze des Landes. War der »Rumble in the Jungle« also ein gigantisches »Sportwashing« für einen Diktator, der gemeinsam mit westlichen Firmen in drei Jahrzehnten sein Land ausplünderte wie kaum ein anderer? Dem widerspricht der Politologe und Journalist bei »Table.Media«, Alex Veit, gegenüber dem »nd«: »Für Sportwashing hätte Mobutu vorher ein sehr schlechtes Image ›zum Abwaschen‹ haben müssen, was nicht der Fall war. Besonders nicht in der westlichen Welt, außer unter radikalen Linken.«

Alex Veit, Spezialist für die Region, sieht in Mobutus Vorgehen eher den Versuch einer eigenen Version der Modernisierung, die viele andere Staatsführer in Afrika, Asien und Lateinamerika in den 1970er Jahren angestrebt hätten. »Durch die relativ hohen Einnahmen aus dem Bergbau in dieser Zeit konnten große Infrastrukturprojekte finanziert werden, Universitäten wurden gegründet, das Land in Zaire umbenannt«, erklärt Veit. »Der Boxkampf sollte das neue Selbstbewusstsein nach innen und außen transportieren.« Am Ende blieb Mobutu bei seinem Tod 1997 als einer der reichsten Männer der Welt im Gedächtnis, der seinen milliardenschweren Besitz in Europa parkte, statt in Afrika zu investieren.

Das Weltereignis hob das postkoloniale Afrika, und mit ihm Zaires Diktator Mobutu Sese Seko, auf die internationale Bühne.

Seit einigen Jahren steht im Berufsboxsport indes ein anderes Land im Mittelpunkt, nämlich Saudi-Arabien. Unter dem Label »Riyadh Season« fanden in Saudi-Arabien alle wichtigen Box-Weltmeisterschaftskämpfe der letzten Jahre statt. Der Vergleich zwischen der heutigen Sportvermarktung von »Riyadh Season« und dem damaligen »Rumble in the Jungle« drängt sich auf. Sebastian Sons zufolge, Autor des Buches »Die neuen Herrscher am Golf und ihr Streben nach globalem Einfluss«, ist »Riyadh Season in erster Linie ein nationales Projekt und soll mit Hochglanzveranstaltungen die Entertainmentangebote des Landes stärken«. Es sei aber, so Sons gegenüber dem »nd«, auch eine Marke, die Saudi-Arabien in alle Welt verkaufen möchte.

»Für Saudi-Arabien geht es immer um Return-of-Investment, auch bei Riyadh Season«, erklärt Sons. »Es soll mit solchen Projekten die Aufmerksamkeit gestärkt werden, es darf aber kein Fass ohne Boden bleiben«, vielmehr sollen über Sponsorenverträge und TV-Verträge schlicht Einnahmen generiert werden. Dadurch soll die saudische Wirtschaft nicht zuletzt diversifiziert und für eine Zukunft ohne Öl fit gemacht werden. Der Vorwurf des Sportwashings, der heute schnell geäußert wird, übersieht mithin, dass in der Ökonomie des Profisports mitunter schlicht neue Player jenseits des Westens ins Geschäft drängen, nicht nur mit viel Geld, sondern auch mit vor allem ökonomischen Interessen – also mit Interesse an noch mehr Geld. Der »Rumble in the Jungle« ebnete hierfür den Weg.

Fabian Kunow betreut beim Berliner Bildungsverein »Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin« die Veranstaltungsreihe »Sport und Gesellschaft«.

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