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Streit in der Ampel: Lindner gießt Öl ins Feuer
In einem Brief an Scholz und Habeck legt der Finanzminister seine Sparpläne für den Haushalt 2025 vor – und will offenbar Koalitionsbruch provozieren
Die Ampel-Koalition steht kurz vor dem Bruch, hört man derzeit aus allen Ecken des politischen Berlins. Nur der konkrete Anlass fehlte bis jetzt. Ein neuer Brief von Christian Lindner an seine Koalitionspartner, der »nd« vorliegt, könnte genau diesen Anlass zum Ampel-Aus nun liefern.
In dem Schreiben mit dem Titel »Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit« legt der FDP-Finanzminister dar, wie die Bundesregierung das noch bestehende Loch im Haushalt 2025 stopfen könnte. Darunter: existenzbedrohende Kürzungen für Bügergeldempfänger und Steuererleichterungen für Reiche. Punkte, die seine Partner von SPD und Grünen kaum akzeptieren dürften. Will Lindner damit einen Koalitionsbruch forcieren?
Soli und Körperschaftssteuer sollen weg
Im ersten Teil des Textes beschreibt Lindner, warum die deutsche Wirtschaft aus seiner Sicht schwächelt. Zwar habe die deutsche Volkswirtschaft unverändert große Stärken wie etwa Innovationskraft, geistiges Eigentum und qualifizierte Beschäftigte, so der FDP-Chef. »Die erst kürzlich nochmals nach unten angepassten kurz- und mittelfristigen Prognosen zeigen aber, dass Deutschland sein Potenzial nicht abrufen kann.« Vor allem »strukturelle Herausforderungen, Versäumnisse der Vergangenheit und politisch festgelegte Rahmenbedingungen« reflektierten die Schwäche der deutschen Wirtschaft, heißt es in dem Schreiben weiter.
Dass Deutschland sein wirtschaftliches Potenzial nicht entfalten könne, liegt aus Sicht Lindners an fünf Punkten:
- Ein geringeres Produktionswachstum bedingt durch ein »immer weiter wucherndes Regulierungs- und Bürokratiedickicht«.
- Ein zu geringes Arbeitsvolumen aufgrund des demographischen Wandels und »einer im internationalen Vergleich niedrigen Zahl an effektiven Arbeitsstunden je Beschäftigtem und Jahr«.
- Der deutsche Sonderweg beim Klimaschutz führe unter anderem zu hoher ökonomischen Unsicherheit, verschlechterten Standortbedingungen in der Energieversorgung und Zurückhaltung von Haushalten und Unternehmen bei Investitionsentscheidungen.
- Ein hoher Investitionsstau sei durch Versäumnisse staatlicher Investitionen im vergangenen Jahrzehnt entstanden, was nun dauerhaft hohe Mittel erfordere.
- Zudem werde die deutsche Volkswirtschaft überproportional durch »geoökonomische Faktoren und protektionistische Reaktionen belastet«
Die Lösung für mehr Wachstum sieht Lindner in »umfassenden angebotspolitischer Maßnahmen«. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung habe einen ersten Impuls gesetzt, so der FDP-Minister. »Um mittelfristig höhere Wachstumsraten zu erreichen, müssen Tempo und Ambition der Anstrengungen aber signifikant erhöht werden.«
Im zweiten Teil seines Konzeptpapiers schlägt Lindner ein »Sofortprogramm in drei Handlungsfeldern« vor. Unter anderem fordert der FDP-Politiker ein sofortiges Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen, einen »signifikanten Einstieg in die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und Senkung der Körperschaftsteuer«, die »Abschaffung von unnötigen klimapolitischen Regulierungen und Subventionen«, den »Ausstieg aus der Subventionierung Erneuerbarer Energie und Anpassung der Netzausbaupläne« und eine »Ausweitung der Arbeitszeiten zur besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials«.
Keine Klimasubventionen und Auflösung des KTF
Im letzten Abschnitt legt Lindner dann seine konkreten Ideen für Einsparmaßnahmen für den Haushalt 2025 dar. Steuererhöhungen schließt Lindner, wie schon bekannt, als Möglichkeit, um das Haushaltsloch zu stopfen, konsequent aus. »Vielmehr sollten Investitionen und Wachstum mit der vollständigen Beseitigung der kalten Progression sowie dem Einstieg in die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und einer Körperschaftsteuersenkung« als erste Schritte zur Entlastung von Unternehmen gegangen werden. Diese Maßnahmen will Lindner »in Verbindung mit einem angekündigten glaubwürdigen Pfad für die stufenweise Absenkung dieser Belastungen« sehen. Kurz: Steuersenkungen für Unternehmen.
Seine klimapolitischen Sparmaßvorschläge lesen sich wie eine direkte Provokation des Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne). Die Subvention der Bundesregierung für den Chipkonzern Intel in Höhe von zehn Milliarden Euro soll demnach, wenn es nach dem Finanzminister geht, ganz entfallen. Die bisher gebundenen Mittel »können aus dem KTF entnommen werden«, schlägt Lindner vor. Weitere ähnlich aufgesetzte Subventionsvorhaben sollten zudem, wenn möglich »wieder abgesagt werden«.
Außerdem sollen aus Sicht Lindners »klimapolitisch motivierte Dauersubventionen abgeschafft und der KTF aufgelöst werden«. Das führe zu einer insgesamt effizienteren Klimapolitik und weiteren Minderbedarfen. »Zudem sollten für die internationale Klimafinanzierung weniger Mittel aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt werden,« heißt es in dem Konzept des Finanzministers weiter.
Auf eine Bitte um eine Stellungnahme des »nd« zu den klimapolitischen Forderungen Lindners antwortete Habecks Wirtschaftsminister nur: »Wir haben das Papier zu Kenntnis genommen.«
Weniger Geld für Asybewerber und Bürgergeldempfänger
Auch im Bereich Asyl- und Arbeitsmarkt setzt Lindner den Rotstift an – eine direkte Kampfansage an die SPD. Für subsidär Schutzbedürftigte solle etwa ein »neuer Rechtskreis« geschaffen werden – »mit einem abgesenkten Leistungsniveau ähnlich dem AsylbLG bei Beibehaltung des Arbeitsmarktzugangs«. Die bisher von der Ampel-Regierung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung von Migration sollten zudem durch weitere ergänzt werden, so Lindner weiter. Weniger Asylerstanträge bedeuteten niedrigere Zahlungen durch den Bund an die Kommunen, begründet der FDP-Chef die Forderung. Erst diese Woche traten mit dem Sicherheitspaket sowie der Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes härtere Maßnahmen in Kraft. Sie beinhalteten Leistungsausschlüsse für Geflüchtete, Verschärfungen bei Ausweisungen und Kürzungen der Regelsätze um 13 bis 19 Euro. Sozialverbände zweifelten die europarechtliche sowie verfassungsrechtliche Vereinbarkeit an.
Außerdem fordert Lindner die Abschaffung der Besitzstandregelung beim Bürgergeld, also eine Absenkung der Regelsätze, die dazu dienen solle, »Arbeitsanreize zu stärken«. In seinem Papier behauptet Lindner, die Bürgergeld-Regelsätze seien im Jahr 2024 »überproportional angestiegen« und lägen im Jahr 2025 »weiter über dem Bedarf«. Eine im »Spiegel« veröffentlichte Studie des Paritätischen Wohlfahrtverbandes von April belegt allerdings, dass die Erhöhungen der vergangenen Jahre den Kaufkraftverlust in dieser Zeit nicht ausgleichen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung will Lindner zudem
regionalspezifisch pauschalieren. Die BAG Wohnungslosenhilfe befürchtet dadurch eine Vergrößerung der sogenannten »Wohnkostenlücke«, also das Bürgergeldbeziehende künftig einen größeren Teil ihres Regelsatzes für die Unterkunft nutzen müssen, der dann in anderen Lebensbereichen fehlen könnte.
Durch Reformen in den Sozialversicherungen, insbesondere in der Kranken,- Renten- und Pflegeversicherung, sei zudem sicherzustellen, heißt es in Lindners Papier weiter, »dass keine weiteren Belastungen des Bundeshaushalts eintreten und Beitragssatzerhöhungen begrenzt werden«. Dazu sollten, so der Noch-Minister, insbesondere die Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt angepasst werden. Damit bewegt sich Lindner weg von den im Wachstumspaket vereinbarten positiven Anreizen für mehr Arbeitsjahre. Die Abschläge würden insbesondere jene zum Weiterarbeiten nötigen, die sich diese nicht leisten können, Spitzenverdienende treffen sie kaum.
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