Fußball: Eintracht Frankfurt als Vorbild für Traditionsvereine

Der beachtliche Weg der Hessen aus der Grauzone des deutschen Fußballs

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Bestechende Talente: Pharell Nnamdi Collins (l.) und Jean-Matteo Bahoya
Bestechende Talente: Pharell Nnamdi Collins (l.) und Jean-Matteo Bahoya

Unweigerlich kommen dieser Tage die Fußballer von Eintracht Frankfurt vermehrt mit Handschuhen und Mützen auf den Trainingsplatz. Es ist ungemütlich geworden im Stadtwald, wo das Laub von den Bäumen rieselt und sich die Sonne nicht mehr zeigt. Daher kommt das Heimspiel in der Europa League gegen Slavia Prag an diesem Donnerstag gerade recht – wenn die rot beleuchtete Arena das Kontrastprogramm zu trüben Herbsttagen illustriert.

Partien wie gegen den mit viel Respekt empfangenen Tabellenführer aus Tschechien sind für die Vermarktung und das Image gewissermaßen Gold wert. Kein deutscher Verein hat so von der internationalen Bühne in jüngerer Vergangenheit profitiert wie die Eintracht, um die Grauzone der Bundesliga zu verlassen. Im jüngsten Geschäftsbericht wiesen die Hessen einen Rekordumsatz von 390 Millionen Euro aus. Der Mittelklasse ist der Mehrspartenverein mit seinen 144 000 Mitgliedern recht schnell entkommen. »Wir haben in den letzten zehn Jahren bewiesen, dass die Bundesliga nicht zementiert ist«, stellte der neue Finanzvorstand Julien Zamberk Anfang der Woche heraus.

Frankfurter Wachstumskurs

Eintrachts langjähriger Boss Heribert Bruchhagen, der Anfang des Jahrtausends eine wichtige Konsolidierungsphase der bis dahin oft launischen Diva managte, hatte immer mit der »zementierten Tabelle« argumentiert, um eine überbordende Erwartungshaltung zu bekämpfen. Diese These haben die Frankfurter mit dem DFB-Pokalsieg 2018 und dem Europa-League-Triumph 2022 kassiert. Im wirtschaftlichen, sportlichen und administrativen Bereich ist der Klub seitdem auf Wachstumskurs.

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»Wir haben vieles richtig gemacht«, stellte beim Pressegespräch Aufsichtsratschef Mathias Beck fest. Der Nachfolger von Präsident Peter Fischer sagte: »Wenn man sieht, welche Traditionsvereine in der zweiten Liga spielen, kann man verdammt stolz sein, was bei Eintracht Frankfurt geleistet wird.« Man begreift sich als Leuchtturm mit Vorbildfunktion für jene Klubs, die aus der Historie eine große Strahlkraft mitbringen. In Frankfurt klappt, was in Köln, Hamburg oder Gelsenkirchen nicht gelungen ist: erstklassig vorne mitzumischen.

Gestiegene Personalkosten

Nur hat der Erfolg auch seinen Preis: Der Personalaufwand stieg um fast 20 Prozent auf 141 Millionen Euro. Trotz einer Stärkung des Eigenkapitals wird weiteres Geld benötigt, das möglicherweise über Anteilsverkäufe hereinkommt, wobei der Verein mindestens 60 Prozent der Anteile an der Fußball AG halten muss, aktuell sind es 67,89 Prozent. »Wir wollen uns wirtschaftlich so aufstellen, dass wir zum optimalen strategischen Zeitpunkt entscheiden können, wann wir jemanden kaufen oder verkaufen wollen«, verdeutlichte Zamberk, der in alle strategischen Entscheidungen der Vergangenheit involviert war.

Ohne die Teilnahme an der Europa League hätte der Unterschiedsspieler Omar Marmoush wohl bereits im Sommer »im Sinne der Wirtschaftlichkeit« verkauft werden müssen, aber im Nachhinein sei es ist die beste Entscheidung gewesen, »das nicht getan zu haben«. Wohl wahr: Der 25-jährige Offensivspieler ist der Überflieger der Saison, angeblich soll nun auch der FC Bayern den Ägypter beobachten. So kann es auch hier zu einer Situation kommen, dass man zwar den Spieler nicht abgeben wolle, »es der Markt aber nicht anders hergibt«, wie Zamberk es formuliert.

Belebender Konkurrenzkampf

Als Paris St. Germain 2023 ein Angebot von 95 Millionen Euro für Torjäger Randal Kolo Muani machte, konnte man es nicht mehr ablehnen bei der Eintracht, die vergangene Sasion 143 Millionen Euro an Transfererlösen auswies. Geld, das vermehrt auch in hoffnungsvolle Talente gesteckt wird. Den jungen Wilden wie Can Uzun, Nnamdi Collins, Jean-Matteo Bahoya oder dem nicht für die Europa League gemeldeten Nathaniel Brown hat Trainer Dino Toppmöller zuletzt vermehrt vertraut: »Für den Konkurrenzkampf ist es total belebend. Das freut mich total für die Jungs.«

Langfristig angelegte Verträge für Talente gehören zur Transferstrategie von Sportvorstand Markus Krösche. Dessen ausgeklügeltes Scouting wird auf allen Ebenen gelobt, zumal auf Vorstandsebene laut Zamberk Einigkeit besteht, »in Spielerwerte zu investieren«. Auf 300 Millionen Euro wird der Kaderwert inzwischen geschätzt. Mit einem Altersschnitt von 24,79 Jahren stürmt im Zeichen des Adlers aktuell das jüngste Team der Bundesliga.

Viele trauen dieser Eintracht eine ähnliche Rolle wie zuletzt dem VfB Stuttgart zu. Passenderweise kommt es nach dem Heimspiel gegen Prag gleich am Sonntag zum Kräftemessen des aktuellen Dritten beim Vizemeister der Vorsaison.

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