Ein Schlupfloch für sozialen Wohungsbau

Berlins Linke will mit Krediten das Eigenkapital der landeseigenen Wohnungsgesellschaften aufstocken

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Ohne entschlossene Maßnahmen gehen für viele der noch verbliebenen Berliner Sozialwohnungen demnächst die Lichter aus.
Ohne entschlossene Maßnahmen gehen für viele der noch verbliebenen Berliner Sozialwohnungen demnächst die Lichter aus.

Vor einer Welle der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände – peinlicherweise damals unter einem rot-roten Senat – gab es in Berlin Anfang der 2000er Jahre noch 400 000 Sozialwohnungen. 2022 waren davon nicht einmal mehr 120 000 übrig – und bis 2026 laufen die Mietpreis- und Belegungsbindungen für 47 700 Quartiere aus. »Wir wissen, was dann passiert«, erklärt am Mittwoch der Abgeordnete Niklas Schenker (Linke). Den Bewohnern droht eine drastische Erhöhung ihrer Miete.

Das sieht Jannis Willim von der Mieterinitiative Kotti & Co. genauso. Wenn im Kiez im Jahr 2025 Quartiere aus der Preisbindung herausfallen und nach Mietspiegel vermietet werden dürfen, wäre das katastrophal. »Der Mietspiegel in Kreuzberg ist bei einem Niveau angekommen, dass man nicht mehr von bezahlbar sprechen kann«, sagt Willim. Es gehe darum, »sofort zu handeln und nicht irgendwann in der Zukunft«.

Seit 2014 wurde der Bau von lediglich 21 000 Sozialwohnungen gefördert. Die Zielzahl von jährlich 5000 Wohnungen wurde bisher nie erreicht. Derzeit haben 1,16 Millionen Haushalte wegen ihres niedrigen Einkommens einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS), mit dem sie eine Sozialwohnung beziehen könnten – wenn sie denn eine finden würden. »Nicht einmal jeder zehnte Haushalt in Berlin findet eine bezahlbare Sozialwohnung. Das ist eine krasse Unterversorgung«, beklagt der Abgeordnete Schenker.

Das bisherige System der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist in Berlin längst an seine Grenzen gestoßen. 2014 schoss der Staat pro Sozialwohnung noch knapp 58 000 Euro dazu. Inzwischen sind es 300 000 Euro, weil die Kosten für Baumaßnahmen enorm gestiegen sind. Doch während pro Sozialwohnung immer mehr Geld fließt, gibt es dafür unverändert nur 30 Jahre Belegungsbindung. Nach Ablauf der Frist kann die Sozialwohnung teuer an Haushalte ohne Wohnberechtigungsschein vermietet werden. Sie ist dann keine Sozialwohnung mehr.

»Nicht einmal jeder zehnte Haushalt in Berlin findet eine bezahlbare Sozialwohnung. Das ist eine krasse Unterversorgung.«

Niklas Schenker Linke-Abgeordneter

Schenker stellt am Mittwochmorgen im Abgeordnetenhaus ein Rettungsprogramm seiner Linksfraktion für den sozialen Wohnungsbau vor. Die Zauberworte darin heißen: bauen, rekommunalisieren und regulieren. Es ist allerdings kein Hexenwerk, was die Sozialisten vorschlagen. Es ist nicht einmal sonderlich neu. Sie haben lediglich gute alte Ideen zusammengetragen und in ein neues Paket geschnürt, wie Ulrike Hamann-Onnertz anmerkt. Sie ist Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins und begrüßt die Initiative der Opposition. Der Mieterverein hätte sich dergleichen vom schwarz-roten Senat gewünscht. Es sei enttäuschend, dass von dieser Seite nichts komme. Hamann-Onnertz spricht am Mittwoch von einem »gut durchdachten Konzept der Linken«. Die Verhältnisse ließen sich durchaus ändern, wenn die Politik es wirklich wolle.

Was Bauen heißt, ist klar. Rekommunalisieren bedeutet hier, einst privatisierte Wohnungsbestände zurückzukaufen und dann dauerhaft günstig an Bedürftige zu vermieten. Regulieren soll heißen, Vorschriften zu ändern. Anderswo gehe es ja auch, erinnert Hamann-Onnertz. In München beispielsweise seien Sozialwohnungen 55 Jahre lang mietpreis- und belegungsgebunden, in Hamburg 50 Jahre – also deutlich länger als in der Hauptstadt. Die Linke möchte eine verpflichtende Sozialwohnungsquote von 30 Prozent für alle Vermieter in der Stadt, die mehr als 50 Wohnungen ihr Eigen nennen. An die Mietpreisbremse und Selbstverpflichtungen halte sich die Branche ja nicht, bedauert Hamann-Onnertz. Sie müsse gezwungen werden.

Ein von Niklas Schenker vorgetragener Vorschlag klingt dann übrigens doch wie Zauberei. Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften sollen jährlich eine Milliarde Euro als Eigenkapital zugeführt bekommen, damit sie Jahr für Jahr 7500 dauerhaft bezahlbare Wohnungen bauen können. Diese sollen dann für 7 bis 7,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Aber woher die Milliarde Euro nehmen? Das magische Wort lautet: Transaktionskredit. Das Land borgt das Geld und stellt es den Wohnungsgesellschaften zur Verfügung. Weil die auf diesem Wege gebauten Immobilien einen Gegenwert darstellen, zählt der Kredit nicht mit bei der Berechnung, ob sich Berlin an das geltende Neuverschuldungsverbot von Bund und Ländern hält. Schenker nennt das »ein Schlupfloch in der Schuldenbremse«.

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