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- Kiezbad am Stern in Potsdam
Hitzewallungen hier und da
Erhitzt sind etliche Gemüter, als die nd-Kolumnistin das Kiezbad am Stern besucht
Ich habe Hitze. Seit es kühler geworden ist, quälen mich die Nächte nicht mehr, Temperaturunterschiede können dennoch schockieren. Mal ist es die Tasse Kaffee, ein andermal die Treppe in einem geheizten Gebäude – und schon stehe ich in Flammen, möchte alles herunterreißen, schlechte Laune inklusive. Das hört nicht auf, seit Jahren kann ich keinen Wollpulli oder überhaupt Langärmliges tragen. Andere sitzen in Stricksachen eingemummelt, während ich die Armstulpen runterrolle und kurzärmlig mit rotem Kopf nach Luft schnappe. »Ist dir nicht kalt?«
Letzte Woche im ehemaligen Grenzgebiet zwischen Berlin und Potsdam. Mit dem Bus fahre ich Am Gehölz und An der Aue vorbei zur Jagdhausstraße. Mir ist wenig romantisch zumute, der Bus rumpelt, meine gefütterte Jacke ist für den sonnigen Tag viel zu warm. Eine ältere Frau beäugt mich misstrauisch, vielleicht wegen meiner schrillen Sonnenbrille. Als ich wenig später bei Rot eine Ampel überquere – außer dem abfahrenden Bus ist weit und breit kein Fahrzeug zu erblicken –, schüttelt ein Rentner mit Hund empört den Kopf.
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
Sanierte WBS-70-Bauten ohne Fahrstuhl, Parkplätze, Kleidersammlungscontainer. Ein paar Punkthochhäuser, dezente Grünflächen. Grazil hält ein nacktes Mädchen ihre Arme ins trudelnde Laub. Es ist die Sportstudentin Sonja, eine Bronzeskulptur von Dietrich Rohde, die von 1974 bis 2011 vor der Schwimmhalle am Brauhausberg aufgestellt war und hier eine neue Heimat gefunden hat. Das hinter ihr liegende Kiezbad am Stern ist gut geheizt. Die Dame an der Kasse hat noch nie ein »Berlin Ticket S« gesehen, nach Beratung mit zwei weiteren Angestellten wird ein Papier als Berechtigungsnachweis verlangt. Ich stehe in Flammen und verlange entnervt einmal Schwimmen, ohne Ermäßigung. Sauna brauche ich eh nicht mehr. Ich zahle 5,90 Euro und eile mit den Schuhen in der Hand ins grau-weiße Labyrinth der Umkleide.
Jacke runter, Klamotten aus. Fotografieren ausdrücklich verboten, bunte Schranktüren, niedrige Decke. Zur Dusche zwischen Mattglasscheiben hindurch. Graue Streifen hübschen gelbe Kacheln auf, zwei Duschzellen sind abschließbar. Die Halle wirkt freundlich, Glasfenster zum Herbsthimmel, Mosaik-Ruhebänke, die Rückwand ziert ein großer Stern. Das Wasser ist herrlich kühl. Ein Dutzend Rentner schwimmt gemütlich, auf der abgeleinten Bahn wird zu viert trainiert, an der Fensterseite lernen Kinder schwimmen. Größere springen von Startblöcken oder toben im Kinderbecken.
Eine Großmutter guckt böse herüber, als ich mich eine halbe Stunde später ins flache Becken unter den Rückenstrahler setze, ohne Begleitkind. Ihr Mann spielt Hai, das Enkelzwillingspaar im Grundschulalter jubelt vor Freude. Ich genieße das Gepladder auf den Schultern, bis es laut wird. Ich blinzle zum Hauptbecken und sehe einen Rentner, der einem anderen schreiend Schläge anbietet. Dieser hat sein Handtuch auf eine Bank gelegt, wahrscheinlich auch sein Hörgerät, denn er zieht weiter seine Bahn. Der beleidigte Banksitzer muss nachgeben und sich ein paar Zentimeter neben seinem Stammplatz ausruhen, ich schließe die Augen. Frieden kehrt ein.
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