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Schöner resignieren
Man sollte sich das Hoffen abgewöhnen wie das Rauchen, meint Leo Fischer mit Blick auf die Aktualitäten
Warum eigentlich nicht resignieren? Sehr vieles ist mit Trumps Wiederwahl doch jetzt einfach gelaufen. Die Ukraine wird fallen bzw. in »diplomatischen« Verhandlungen aufgeteilt – die solange Gültigkeit haben werden, bis Putin in drei bis vier Jahren einfällt, dass auch das Baltikum oder Moldau schon immer zu Russland gehört haben. Eine CDU-BSW-Koalition wird ihm da nicht groß in die Hand fallen.
Mit dem Klimaschutz ist es ebenfalls vorbei: Das Fossilkapital hat gewonnen, bis mindestens ins Jahr 2050 wird es hier keine bedeutenden Verbesserungen geben – im Gegenteil. Das bedeutet allen Prognosen zufolge vielleicht noch dreißig, vierzig Jahre, in der das Klima der Nordhalbkugel ungefähr so bleiben wird, wie wir es kennen – abgesehen vom politischen Klima, denn Flucht aus den Gebieten, in denen die Verwüstungen früher beginnen als bei uns, wird schon vorher neue Ausmaße erreichen. Deren »Abwehr« wiederum wird zu einer Faschisierung im Inneren führen, die ebenfalls beispiellos sein dürfte.
Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
Die Hoffnung, dagegen irgendwie mit Aufklärung und guten Worten vorzugehen, kann man eigentlich auch beerdigen. Musk und die Saudis haben Twitter in dem Willen gekauft, Trump ins Amt zu bringen – der Erfolg wird sie beflügeln. Nichts wird nun die algorithmisch optimierte und durch KI potenzierte Flut an Desinformation, Hetze und Rassismus stoppen, die die Arbeiter*innenschaft mit sich selbst beschäftigen soll. Den Protoyp des esoterisch-radikalisierten Kleinbürgers, gezeichnet von Verarmung, Abstiegsängsten und aus tausend Youtube-Videos gezimmerten Privatideologien, kann man schon jetzt in jedem Gewerkschaftsseminar beobachten, wo sie darauf insistieren, über »Impfschäden« oder »China-Bashing« zu diskutieren.
Schon jetzt beobachtet man überall Leute, die sich für diese neue Realität in Stellung bringen. Je optimistischer sie sich geben, desto mehr Misstrauen haben sie verdient. Allen voran jene sehr beweglichen Linken, die nach den zahlreichen im Entstehen begriffenen Pöstchen im BSW heischen – von der noch zu gründenden Parteistiftung über Medienbüros bis hin zum Referent*innenkader. Das große Versprechen Trumps – nichts zu verändern, aber alle irgendwie am großen planetaren Raubzug teilhaben zu lassen – formt als Metakultur auch alles, was sich künftig links heißen wird.
Wie soll man da denn nicht resignieren? Das Problem ist vielleicht, dass man sich überhaupt Hoffnungen gemacht hat: auf den Parlamentarismus, auf die Zivilgesellschaft, auf die longue durée. Ungeachtet aller historischen Lehren hat man hierhin – mal wieder! – alle Ressourcen gerichtet, nur um – mal wieder! – verdutzt festzustellen, dass das Kapital sich nicht freiwillig entmachten lässt. Die Hoffnung, in den Prozessen etwas zu verbessern, machte im Prozess so viele Kompromisse nötig, dass irgendwann selbst von ganz links radikale Gesellschaftskritik nicht weiter kam als »bitte die Mieten nicht so stark erhöhen«.
Sich das Hoffen abgewöhnen wie das Rauchen! Die Dinge klar sehen, sich nicht besoffen machen lassen von kurzfristigen Erfolgen und lähmen lassen vom mittelfristigen Scheitern! Dass wir alle einfach ohne Hoffnung weitermachen, nur aus Einsicht ins Wahre – das wäre zumindest meine Hoffnung.
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