- Sport
- BFC Dynamo
Delay Sports zu Gast in der Hölle Hohenschönhausen
Spatzen verzögern den Neubau des Jahn-Sportparks, während in Hohenschönhausen Welten aufeinandertreffen
Unser schönes Berlin ist in eine Spatzenposse geschlittert. Wir alle lieben die Vögelchen, die im Sommer die Mücken von unserer Haut pflücken und durch ihr Gezwitscher einen Tag erst schön machen. Weil auf dem geräumigen Areal des Jahn-Sportparks das eine oder andere Gebüsch den Spatzen Heimat schenkt, nebst Amsel, Drossel, Fink und Fledermaus, hat das Berliner Verwaltungsgericht jüngst einen teilweisen Baustopp für den Neubau der Sportstätte im Prenzlauer Berg beschlossen.
Zum wiederholten Mal erweist sich die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen als überfordert, wenn es darum geht, ein großes städtisches Bauprojekt zu planen und umzusetzen. Die Schlaumeier des Senats hatten die Bagger rangeholt, ohne sich vorher darum zu kümmern, die Brutstätten des Haussperlings umzusetzen. So ist unser Berlin, so kennen wir es. Wer nichts wird, wird Politiker, egal welche Parteischürze er vor sich herträgt. Glatze Wegner eroberte sich in Windeseile einen Platz am Spatzentisch und auf den Witzeseiten der deutschen Gazetten.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Wenigstens haben wir mit Delay Sports einen außerirdischen Fußballverein an Bord, der am kommenden Sonnabend in der Hölle Hohenschönhausens (alias Sportforum) gegen die dort ansässigen Kicker des BFC Dynamo um die Dornenkrone des Cosy-Wasch-Pokals (heißt wirklich so!) kämpfen wird. Berichten zufolge wird das Spiel der Marsmännchen gegen die Ost-Atzen ausverkauft sein. Ein fast unbekannter Zustand, der BFC hat seine Zuschauerzahl zwar erhöht, doch ausverkauft ist das Sportforum seit der Rückkehr aus dem Jahn-Sportpark so gut wie nie.
Wenn am Wochenende der Moskauer Eiswind durch die Zuschauermassen pfeift und der Schneeregen demokratisch auf die Häupter aller Anwesenden niedergeht, werden wir melancholisch von Stadiondächern und ähnlichem modernistischen Schnickschnack träumen. Wie gut unterrichtete Kreise munkeln, wollen mehr Delayianer als BFC-Menschen ins Stadion kommen. Denn die massenkompatiblen Delaysportler sind ein fußballerndes Influencer-Phänomen. Die Twitch-Canalettos von Delay ziehen junge Menschen an wie Mücken die Spatzen. Man kann unter anderem in ihren Videos lernen, wie man sich die Schuhe bindet und wo es die besten Zahnbürsten Berlins gibt.
Seit drei Jahren am Start, werden sie von einer Million Kids, der Krebshilfe und Adidas geliebt. Der weltberühmteste Delay-Kevin (Pannewitz) schenkt den Spielern als Ko-Trainer in der Halbzeit rosa Most mit Westrost aus. Das ist das wahre Geheimnis des Delay-Erfolgs. Das Ziel ist nicht weniger als die Weltherrschaft. So oder so wird der Sonnabend ein überragendes Fußballerlebnis, wenn die Knechte der Cleanfluence, Finfluence, Kidfluence, Sinnfluence und Fuckfluence den Schweinefleischessern und Biertrinkern ihr neues Lebensmodell überhelfen werden. Es heißt, eine kleine Schelle mit der Influencerkelle genügt, um für immer ein wandelnder Werbekörper zu werden. Mütter, sperrt eure Söhnchen weg! Väter, kommt im Aluminiummantel, wenn Delay Sports zum Sturm auf Hohenschönhausen bläst!
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.