Israels Nationalteam in Paris: Es blieb halbwegs ruhig

5000 Polizisten sicherten das Länderspiel. Jüdische und israelische Fußballer werden seit Jahrzehnten für die Politik Israels in Mithaftung genommen

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 6 Min.
Israel-Fan vor dem Stade de France am Donnerstagabend
Israel-Fan vor dem Stade de France am Donnerstagabend

Ein Stadion wie eine Festung. Mehr als 5000 Polizisten und Ordner sicherten am Donnerstag in Paris das Fußballländerspiel zwischen Frankreich und Israel. Die Gäste aus dem jüdischen Staat wurden nah von einer Eliteeinheit begleitet. Der Nationale Sicherheitsrat Israels hatte israelische Staatsbürger hingegen dazu aufgerufen, das Spiel zu meiden. Letztlich waren nur knapp 17 000 der insgesamt 80 000 Plätze im Stade de France besetzt.

Doch das Spiel ging weitgehend ruhig über die Bühne. Zwei Menschen wurden in Polizeigewahrsam genommen. Eine Person wurde gleich nach einem Zusammenstoß von Fans auf der Stadiontribüne festgenommen, eine andere nach dem Spiel, als entsprechendes Videomaterial gesichtet wurde, wie der Pariser Polizeipräfekt mitteilte.

Diese hohen Sicherheitsvorkehrungen waren eine Reaktion auf das Spiel von Maccabi Tel Aviv in der vergangenen Woche bei Ajax Amsterdam. Maccabi-Fans waren bedroht, schikaniert, verprügelt worden. Es gab 62 Festnahmen. Allerdings stellte sich heraus, dass auch Maccabi-Fans mit antiarabischen Hassgesängen und einem tätlichen Angriff auf einen Taxifahrer provoziert hatten. Einige Opfer aus Israel und eine Vielzahl Politiker beschrieben die Attacken, die offenbar in sozialen Netzwerken geplant worden waren, als »Pogrom«.

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Die Gewaltnacht von Amsterdam verdeutlicht, dass sich antisemitische und antiisraelische Einstellungen zunehmend im emotionalen und vermeintlich anonymen Umfeld des Fußballs entladen. Und das auf unterschiedliche Art: Israelische Nationalspieler wie Shon Weissman oder Liel Abada berichten von Morddrohungen. Im Amateurfußball wurden Attacken auf die jüdischen Vereine von Makkabi dokumentiert, zuletzt am Donnerstag vergangenen Woche in Berlin. Die Polizei will dort nun bei allen Makkabi-Spielen präsent sein.

Über diese brutalen Ausprägungen hinaus werden jüdische und israelische Fußballer für die israelische Politik in Mithaftung genommen. Seit dem 7. Oktober 2023, seit dem Angriff der Hamas auf Israel und der folgenden Militäroffensive in Gaza, wurden zahlreiche Spiele von Demonstrationen überschattet. Fans von Celtic Glasgow und Athletic Bilbao schwenken palästinensische Flaggen. Bei einem Länderspiel der israelischen Fußballerinnen in Schottland kettete sich ein Fan an den Torpfosten. Auf seinem T-Shirt war eine Botschaft platziert: »Rote Karte für Israel«.

Seit Monaten fordern 300 palästinensische Sportorganisationen den Ausschluss Israels aus den Wettbewerben. Sie verweisen darauf, dass sich unter den mehr als 43 000 Toten in Gaza mindestens 400 Sportler, Trainer und Funktionäre befinden sollen. Und sie erhalten vielfältige Unterstützung: zum Beispiel von Abgeordneten aus Frankreich, Irland und Südafrika. Aber auch von der BDS-Bewegung, die Israel wirtschaftlich isolieren will. Sie wird vom Bundestag als antisemitisch eingestuft. Im Internet wirbt BDS auch für Proteste, Sitzstreiks und »friedliche Störungen« bei Wettbewerben.

Der israelische Fußball, der geografisch eigentlich zu Asien gehört, ist seit rund 30 Jahren in Europa verankert. Die Idee hinter dieser Umverlegung war, dass die Sicherheit der Spieler und Fans in Europa höher ist als bei Spielen im Nahen Osten. Geht diese Hoffnung nun endgültig verloren? Israel fühlt sich abermals an den Rand gedrängt. Das ist allerdings keine neue Entwicklung, sondern auch die Folge einer jahrzehntelangen Geschichte mit vielen Versäumnissen.

Bereits in den 50er Jahren hatte etwa der Libanon seinen Staatsbürgern den sportlichen Wettkampf gegen Israelis untersagt. Immer wieder boykottierten arabische Staaten Spiele gegen Israel oder forderten die Verlegung in neutrale Länder. Immer wieder wurden israelische Delegationen von Sportereignissen ausgeschlossen, zum Beispiel von den Asienspielen 1962 in Jakarta.

Der Sechstagekrieg 1967 und der Jom-Kippur-Krieg 1973 verschärften die Isolation Israels im Nahen Osten weiter. Bei den Asienspielen 1974 in Teheran organisierten Vertreter aus Kuwait und Irak Protest gegen Israel, die Volksrepublik China, Pakistan und Nordkorea schlossen sich an.

Ebenfalls 1974, zwei Jahre nach dem Attentat bei den Olympischen Spielen in München, schloss der asiatische Fußballverband AFC den jüdischen Staat aus. Vor den Asienspielen 1978 boten arabische Investoren dem Gastgeber Bangkok finanzielle Unterstützung an. Ihre Bedingung: der Ausschluss israelischer Sportler. Auch die Japaner unterstützten damals diesen Kurs, zu stark war ihre Abhängigkeit von arabischen Ölexporten.

Die Fifa drohte dem asiatischen Fußballverband mit Suspendierung, doch der gerade gewählte Verbandspräsident João Havelange (Brasilien) wollte keinen Konflikt mit arabischen Ländern riskieren. Israel bemühte sich zum wiederholten Mal um einen Beitritt in den europäischen Spielbetrieb, aber die Uefa lehnte das auf Druck der Ostblockstaaten ab. So mussten die israelischen Fußballer mehrfach die Strukturen wechseln, spielten zeitweise sogar in Ozeanien.

Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion 1994 wurde lsrael als vollwertiges Mitglied der Uefa akzeptiert. Und siehe da: Zunehmend wechselten israelische Spieler in europäische Ligen. 2013 war Israel Gastgeber der U21-Europameisterschaft. Anhänger in Israel gründeten Fanklubs des FC Liverpool, des FC Bayern und von Real Madrid.

Doch auch in Europa wurden israelische Spieler an ihre Herkunft erinnert. Vor allem, wenn die Lage im Nahen Osten eskalierte. Zum Beispiel 2014: 20 zumeist türkischstämmige Jugendliche stürmten in der Nähe von Salzburg ein Testspiel von Maccabi Haifa. Oder 2015: Hooligans von ZSKA Sofia bewarfen Spieler des israelischen Vereins MS Aschdod mit Flaschen. Der islamistisch und der rechtsextrem motivierte Antisemitismus gingen Hand in Hand.

Bald darauf sah es so aus, als könnte sich die Lage entspannen. Israel nahm 2020 unter anderem diplomatische Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten auf, und pflegte auch pragmatische Beziehungen zu Katar und Saudi-Arabien. Diese drei Länder gehören zu den neuen Machtzentren des Fußballs. Und so gingen Sponsoren aus Israel und Abu Dhabi bald Partnerschaften ein. 2020 wechselte Dia Saba als erster israelische Nationalspieler in einen arabischen Golfstaat, nach Dubai.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist von diesem Aufbruch aber nichts mehr zu spüren. In Kriegszeiten bestreitet die israelische Nationalmannschaft ihre Heimspiele in Ungarn, so wie an diesem Sonntag gegen Belgien. In der Europa League weicht Maccabi Tel Aviv nach Belgrad aus. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić stehen der zum Teil rechtsextremen Regierung Israels politisch nahe. Ungarn und Serbien sind übrigens auch die Länder, in denen Nationalteam und Vereine aus Belarus seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ihre internationalen Heimspiele bestreiten, eine Auflage der Uefa.

Die Fifa, die historisch in der Öffentlichkeit selten eine klare Positionierung zu Israel formulierte, hält sich auch dieses Mal zurück. Denn sie will offenbar mit den Israel-kritischen Verbänden im Nahen Osten genauso im Gespräch bleiben wie mit den USA, dem wichtigsten Partner Israels und nächsten WM-Gastgeber 2026 (gemeinsam mit Mexiko und Kanada).

Und so scheinen sich Politik und Fußball in Israel wieder darin bestätigt zu fühlen, einen einsamen Kampf zu führen. Israelische Fangruppen haben ihren Frust darüber in Stadien zum Ausdruck gebracht. Auch in Paris, rund um das Länderspiel gegen Frankreich, mobilisierten Gruppen aus Israel für Kundgebungen gegen Antisemitismus. Unter ihnen waren auch rechtsextreme Fans des Klubs Beitar Jerusalem. Im Stadion war aber auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, mit einer »Botschaft der Brüderlichkeit und Solidarität«.

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