Kolumbien: ELN mit neuem Verhandlungsmodell

Guerilla will Blockade der Gespräche mit der kolumbianischen Regierung durchbrechen

  • Sara Meyer, Bogotá
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Gewehr von Guerilleros der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) in der Region Chocó, die seit dem 9. November bewaffnet bestreikt wird
Ein Gewehr von Guerilleros der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) in der Region Chocó, die seit dem 9. November bewaffnet bestreikt wird

Nach monatelangem Stillstand sollen die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) wieder aufgenommen werden. In einem Treffen am 7. November in Caracas einigten sich beide Seiten darauf, die Gespräche vom 19. bis 25. November fortzusetzen. Die ELN kündigte dabei ein »neues Verhandlungsmodell« an, dessen Details bislang jedoch unklar bleiben.

Der runde Tisch waren zuletzt im September unterbrochen worden, nachdem die ELN einen Angriff auf einen Militärstützpunkt im nordöstlichen Departamento Arauca durchgeführt hatte. Dabei kamen drei Soldaten ums Leben, 28 weitere wurden verletzt. Diese Aktion sah der linke Präsident Gustavo Petro als eine Beendigung »eines Friedensprozess mit Blut«, was die eh schon verfahrene Situation zusätzlich verschärfte.

Die Friedensgespräche sind ein zentraler Bestandteil von Petros »allumfassender Friedenspolitik«, die den Dialog mit allen bewaffneten Akteuren des Landes beabsichtigt. Seit Jahrzehnten leidet Kolumbien unter bewaffneten Konflikten, und die Regierung sieht in Verhandlungen mit Gruppen wie der ELN einen Weg, eine langfristige Befriedung herbeizuführen.

Vorwürfe und Misstrauen beider Seiten

Die zweite Jahreshälfte war geprägt von Vorwürfen und Misstrauen beider Seiten. Die ELN kritisierte wiederholt die Haltung der Regierung, die ihrer Meinung nach die in den Verhandlungen getroffenen Vereinbarungen nicht einhalte. Vor allem die parallelen Gespräche mit einer Unterstruktur der ELN, den Comuneros del Sur, sorgten für Spannungen. Die ELN fühlte sich dadurch hintergangen.

Vonseiten der Regierung gab es scharfe Kritik an der ELN. Die bewaffnete Gruppe wird beschuldigt, weiterhin bewaffnete Aktionen durchzuführen, darunter Angriffe auf staatliche Sicherheitskräfte und gegnerische illegale Gruppen. Zudem erschwerten Meinungsverschiedenheiten über die Umsetzung eines bilateralen Waffenstillstands den Fortschritt. Dieser war im August ausgelaufen und wurde bislang nicht erneuert.

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In ihrem jüngsten Kommuniqué betonte die ELN ihren Willen zum Frieden und schlug ein »neues Verhandlungsmodell« vor, um Blockaden zu überwinden. Details dazu sollen bei den Gesprächen in Venezuela vorgestellt werden. Die ELN forderte zudem eine stärkere Einbindung der Gesellschaft in den Friedensprozess. Bereits in den ersten Verhandlungsrunden war vereinbart worden, Ausschüsse für die Beteiligung der Zivilbevölkerung einzurichten. Doch soziale Organisationen beklagen, dass es wiederholt an finanziellen und logistischen Garantien für ihre Teilnahme mangelt.

Die ELN erklärte außerdem, dass sie für eine »postkapitalistische Gesellschaft« als langfristiges Friedensziel eintrete. Diese Aussage wurde von José Félix Laufaurie, einem der rechten Verhandlungsführer der Regierung, strikt abgelehnt, er reiste nicht nach Venezuela. Gleichzeitig betonten die Rebellen, dass eine politische Lösung des Konflikts auch auf internationaler Ebene unterstützt werden müsse. Besonders die USA dürfen sich »nicht gegen eine politische Lösung« stellen.

Bewaffneter Streik der ELN im Chocó

Die Gespräche stehen vor großen Herausforderungen. Nach Monaten des Stillstands fehlt es an Vertrauen zwischen den Parteien. ELN-Verhandlungsführer Pablo Beltrán sagte in einem Interview mit Colombia Informa, dass die Regierung einerseits den Dialog mit der ELN suche, während andere Teile des Staatsapparats den Prozess sabotierten. Diese widersprüchlichen Signale erschwerten eine Annäherung.

Ein weiteres Problem ist die Sicherheitslage in verschiedenen Regionen Kolumbiens. Seit dem 9. November führt die ELN in der Region Chocó einen bewaffneten Streik durch, der als Reaktion auf staatliche Militäroperationen und die Aktivitäten paramilitärischer Gruppen und der Drogenbande »Golfclan« gilt. Die ELN erlaubt jedoch weiterhin humanitäre Güterlieferungen und Aktivitäten, die der Bevölkerung zugutekommen.

Das Treffen in Caracas wird als Vorbereitungsphase angesehen, in der die Parteien ihre Positionen darlegen und die Grundlagen für eine Wiederaufnahme des Dialogs schaffen wollen. Ziel ist es, den »Verhandlungstisch wieder aufzutauen«, so Beltrán. Beide Seiten betonen, dass sie in den verbleibenden 20 Monaten der aktuellen Regierung unter Präsident Petro möglichst viele Fortschritte erzielen wollen.

Die kommenden Gespräche werden zeigen, ob es gelingt, das Vertrauen zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN wiederherzustellen. Sollte dies gelingen, könnte der Friedensprozess ein wichtiger Schritt sein, um den jahrzehntelangen Konflikt in Kolumbien endgültig zu beenden. International wird der Prozess ebenfalls aufmerksam verfolgt – nicht zuletzt, weil er als Modell für ähnliche Konflikte weltweit oder gar für das Etablieren neuer internationaler Rechtsnormen dienen könnte.

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