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Der Brandenburger ist kein Meckerkopp mehr
Forsa-Umfrage: Die Menschen leben gern im Land, doch ihr Blick in die Zukunft schmerzt
Höchstes Lob drückt der Brandenburger mit dem Satz aus: »Kannste nich meckern.« Das wusste weiland Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), der selbst auch nicht für euphorische Äußerungen bekannt war. Nun stellte die Bevollmächtigte des Landes beim Bund, Staatssekretärin Friederike Haase, mit dem neusten Brandenburg-Monitor einen Befund vor, der so gar nicht zum Bild des kauzigen, miesepetrigen Einwohners und auch nicht zu seinem Wahlverhalten passen will.
»Mehr als 90 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger
leben gerne hier«, sagte Haase am Dienstag bei der Präsentation in Potsdam. Die Leute seien mit ihrer individuellen Lebenssituation zufrieden. Und nicht allein das: Vier von fünf Befragten schätzen zudem ihre persönliche
finanzielle Situation als gut bis sehr gut ein. Vor zwei Jahren sagte das lediglich jeder Zweite von sich. Gestiegen ist der Staatssekretärin zufolge das Vertrauen in die Parteien, die Landesregierung, den Landtag, in die Bürgermeister und Verwaltungen. Haase schlussfolgert daraus: »Durch gute politische Entscheidungen und transparentes Vorgehen müssen wir den Menschen im Land wieder Vertrauen und Zuversicht geben.« Die Staatssekretärin wusste: »Das sind mit deutlichem Abstand die bisher positivsten Umfragewerte seit 2018, das heißt, seit der ersten Erhebung des Brandenburg-Monitors.« Das stimme sehr optimistisch.
Auf den zweiten oder dritten Blick hingegen bieten sich auch andere Deutungsmöglichkeiten an. Obwohl die überwiegende Zahl der Befragten für sich selbst gute Lebensbedingungen sieht, ist nur jeder Zweite der Ansicht, dass sich das
Land in die richtige Richtung bewegt. Von Gerechtigkeit ist man für die meisten offenbar weit entfernt und man erwartet da in den nächsten Jahren auch keine Verbesserung. Nur 51 Prozent der Menschen schauen zuversichtlich in die Zukunft, das waren vor zwei Jahren noch 60 Prozent. Vor allem die Aussichten der Kinder und Enkel werden eher pessimistisch bewertet. Gewalt und Kriminalität im direkten Wohnumfeld beunruhigen 35 Prozent der Befragten, 2022 waren das noch 29 Prozent. Als ungelöste Problemfelder wurden aufgeführt: Migration, Rechtsruck und Bildung. Vor zwei Jahren dominierte dabei noch Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit und Wohnungsnot.
- 93 Prozent der Befragten leben gern in Brandenburg.
- 51 Prozent sind der Meinung, dass sich das gesellschaftliche
Miteinander in den vergangenen Jahren eher verschlechtert hat. - Die Differenzen zwischen umweltbewussten und nicht umweltbewussten Menschen werden als die größten von allen beschrieben.
Konfliktpotenzial im Alltag ergaben sich laut Monitor bei den Themen Migration und Politik. - Die Bedeutung des Fernsehens als Informationsquelle über das politische Geschehen hat abgenommen. Statt 46 Prozent nutzen es dafür noch 39 Prozent. 35 Prozent nutzen dafür jetzt das Internet. Im Jahr 2022 waren es erst 28 Prozent. krauß
Die Staatssekretärin bestätigte, dass die Aussagen »scheinbar widersprüchlich« sind. Ihr ist aber wichtig: »Die Brandenburgerinnen und Brandenburger stehen weiter für demokratische Werte ein. Das Vertrauen in staatliche Institutionen vor Ort und im Land ist weiterhin sehr hoch und sogar angestiegen.« Demnach sind die Werte Freiheit, Eigenverantwortung, Recht und Ordnung, Chancengleichheit, Zusammenhalt und Gleichberechtigung immer noch für fast alle Menschen im Land wichtige Grundsätze des Miteinanders. Als in ihrer Bedeutung weiter abnehmend angegeben werden im Monitor die Religion und die freie Marktwirtschaft.
Die mit der Studie beauftragte Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse (Forsa) hatte 1040 wahlberechtigte Brandenburger zwischen dem 16. Juli und dem 13. August 2024 online befragt. Alle zwei Jahre wird auf diese Weise die Stimmung im Land ermittelt.
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