Brandenburg vorzeitig ohne grüne Minister

Ministerpräsident entlässt Gesundheitsministerin und der Umweltminister tritt zurück

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Freitag sitzt Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher noch im Bundesrat (l.) und wird dann dort von Ministerpräsident Dietmar Woidke (l.) entlassen.
Am Freitag sitzt Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher noch im Bundesrat (l.) und wird dann dort von Ministerpräsident Dietmar Woidke (l.) entlassen.

Es sei bedauerlich, dass am Freitag im Bundesrat die Chance verpasst wurde, die umstrittene Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) durch Anrufung des Vermittlungsausschusses noch nachzubessern. So sagt der Brandenburger Medizinprofessor und Landtagsabgeordnete Micael Schierack (CDU). Das Bundesland müsse »zügig zur Überbrückung Liquiditätshilfen bereitstellen, sonst halten es einzelne Krankenhäuser nicht durch, bis die Reforom greift«. Die CDU-Fraktion habe einen diesbezüglichen Antrag gestellt und der müsste in einer Sondersitzung am 3. Dezember entschieden werden. »Ich warne davor, angesichts des unwürdigen Umgangs des Ministerpräsidenten mit Ursula Nonnemacher jetzt unsere Krankenhäuser zu vergessen«, sagt Schierack.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat am Freitag während der Bundesratssitzung in Berlin seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen und so verhindert, dass sie in einer Rede gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses Stellung bezieht. Ohne Nonnemacher konnte Brandenburg dann auch gegen die Reform stimmen. Sonst hätte sich das Bundesland enthalten müssen. So ist es üblich, wenn sich Koalitionspartner nicht einigen können. Genutzt hat es nichts. Die umstrittene Reform ging im Bundesrat durch und tritt am 1. Januar in Kraft.

Nonnemacher hatte selbst Kritik an der Krankenhausreform. Sie wollte aber keine weitere Verzögerung, weil sie befürchtete, dass die existenzbedrohende Durststrecke für die Kliniken durch eine Hängepartei noch länger wird. »Eine schlechte Reform ist in diesem Fall immer noch besser als gar keine Reform, weil sie den Kliniken zumindest eine Atempause verschafft«, findet auch die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina.

»Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Ministerpräsident mehrfach über Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag hinweggesetzt und sich nicht an das vereinbarte Abstimmungsverhalten gehalten«, schimpft Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Dies nun sei »ein neuer Tiefpunkt« gewesen und keine Zusammenarbeit mehr möglich. Vogel trat noch am Freitag ebenfalls zurück.

Vogel ist 68 Jahre alt, Nonnemacher 67 Jahre. Es ist schon lange klar, dass sie sich Ende 2024 in den Ruhestand verabschieden würden. Das hat gar nichts damit zu tun, dass die Grünen bei der Landtagswahl am 22. September die Fünf-Prozent-Hürde unterlaufen haben und auch deshalb die Tage der 2019 gebildeten Koalition aus SPD, CDU und Grünen gezählt sind. Vogel und Nonnemacher waren seit dem Wahlabend nur noch übergangsweise im Amt, bis eine neue Regierung gebildet ist. Das wird nicht mehr langer dauern. Es verdichten sich die Anzeichen, dass SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ihre Koalitionsverhandlungen bereits in wenigen Tagen erfolgreich abschließen.

Der Ministerpräsident hätte Nonnemacher bereits einen Tag vorher entlassen können, aber offensichtlich sei es um einen Show-Effekt im Bundestagswahlkampf gegangen, urteilt AfD-Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt. Er nennt Nonnemacher eine »Corona-Fanatikerin«.

Dagegen attestiert Andreas Kaczynski der Frau, die von Beruf Ärztin ist: »In der Pandemie bewährten sich ihre medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen.« Kaczynski ist Landesvorsitzender der Liga der freien Wohlfahrtspflege und erwähnt in seiner Stellungnahme nicht das anfängliche Chaos bei den Corona-Impfungen Anfang 2021, das aus damaliger Sicht durchaus eine Entlassung gerechtfertigt hätte. Kaczynski lobt stattdessen, Nonnemacher sei eine »zuverlässige und lösungsorientierte Politikerin« gewesen, die gegen Hass und Hetze eintrat und der ein fairer Umgang im harten politischen Geschäft am Herzen gelesen habe. Auch wenn ihr Abschied bereits feststand und sie nur noch geschäftsführend im Amt war, bedauere die Liga das sehr plötzliche Ende.

Die Landeskrankenhausgesellschaft wiederum lobt Ministerpräsident Woidke, dass er die Bedenken von Landkreistag, Städte und Gemeindebund sowie Krankenhausgesellschaft, die sich ein Nachbessern der Reform wünschten, ernst genommen habe. Dass er im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmte und sich damit als Sozialdemokrat gegen seinen Genossen Lauterbach stellte, sei »eine mutige, an der Sache orientierte Entscheidung«, findet Detlef Troppens, Chef der Brandenburger Krankenhausgesellschaft.

»Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Ministerpräsident mehrfach über Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag hinweggesetzt und sich nicht an das vereinbarte Abstimmungsverhalten gehalten«

Axel Vogel Ex-Umweltminister
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