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FC Bayern: Goretzka setzt stille Ausrufezeichen
Münchens Mittelfeldspieler nutzt seine Chance im Schatten von Kanes Hattrick gegen Augsburg
Kann das sein, dass alles wieder beim Alten ist und zugleich vieles neu? Beim FC Bayern läuft es derzeit ziemlich rund, weshalb sogar dieser scheinbare Widerspruch kein Problem darstellt. Beobachten ließ sich das auch beim 3:0 (0:0) gegen den FC Augsburg, als sich die Mannschaft von Trainer Vincent Kompany vor der Fantribüne aufreihte, zu den Europapokal-Gesängen im Takt hüpfte und Harry Kane wieder einmal besonders beklatscht wurde. Zuvor hatte Ehrenpräsident Uli Hoeneß sogar schon vollmundig den Meistertitel versprochen.
Danach hatte der Angreifer Kane seinen nächsten Hattrick erzielt, seinen bereits siebten in der Bundesliga und achten insgesamt für die Münchner seit seiner Ankunft im August 2023. Zwei Elfmeter hatte er nun wieder einmal höchst souverän verwandelt, es waren der 24. und 25. in Serie, nachdem er letztmals bei der WM 2022 in Englands Nationalelf verschossen hatte. Am Freitagabend nahm er wie nach jedem Hattrick wieder einen Ball mit nach Hause, weshalb Sportvorstand Max Eberl scherzte, Kane benötige »einen Ballsack für die ganzen Bälle«, während sie beim FC Bayern »bald keine mehr zum Training« hätten.
Dennoch war auch für Kane alles beim Alten und zugleich manches neu. Einen besonderen Schlusspunkt gesetzt hatte der 31-Jährige ja mit seinem 14. Ligator und 20. insgesamt in seinen 17 Einsätzen dieser Saison, als er Leon Goretzkas Flanke im Sprung mit dem rechten Fuß so kunstvoll annahm, dass er den Ball mit der Stirn direkt einnicken konnte. Seine Frau habe ihm geschrieben, »sie hätte nicht gedacht, dass ich so gelenkig bin«, berichtete Kane nach seiner Akrobatiknummer amüsiert und räumte ein: »So ein Tor habe ich noch nie gemacht.« Er sagte: »Ich bin vielleicht in der besten Form meiner Karriere.«
Im Schatten von Kanes Hattrick hatte sich am Freitagabend an Goretzka erst recht gezeigt, dass alles wieder beim Alten sein kann und zugleich vieles neu. Einerseits war es ja ein vertrautes Bild, dass Goretzka im Mittelfeld an der Seite von Joshua Kimmich auflief. Doch vertraut war dieses Bild nur aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit, in der beide beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft das zentrale Duo vor der Abwehr bildeten. Nun stellte es ein Novum in dieser Saison dar, das es nur gab, weil sich Aleksandar Pavlovic das Schlüsselbein gebrochen hatte, ehe sich sein erster Vertreter João Palhinha einen Muskelbündelriss zuzog.
Wäre es nach dem FC Bayern gegangen, hätte Goretzka im vergangenen Sommer den Verein gewechselt. Doch der frühere Nationalspieler wollte das nicht, er blieb und nutzte gegen Augsburg die Chance, um sich für die großen Spiele gegen Paris Saint-Germain in der Champions League am Dienstag, bei Borussia Dortmund in der Bundesliga am Samstag und gegen Bayer Leverkusen im Pokal-Achtelfinale am Dienstag in einer Woche als Stammkraft zu empfehlen. Neben Kane und Jamal Musiala war Goretzka gegen den FCA ja der auffälligste Akteur gewesen, weit über seine Torvorlage hinaus. Er schaltete sich oft vorne ein, schloss mehrfach ab, traf einmal sogar die Latte, präsentierte sich zweikampfstark und unterband mit einer Grätsche einen Konter. Es waren stille Ausrufezeichen, mit denen Goretzka daran erinnerte, welchen Wert er für die Mannschaft haben kann.
Über seine Situation reden wollte der 29-Jährige danach nicht. Das übernahm sein Trainer. »Die Geschichte ist schön«, befand Kompany vor allem deshalb, weil Goretzka nun zum Vorbild für alle Unzufriedenen im Kader taugt. Goretzka habe »sehr, sehr hart gearbeitet, er hat einfach wie ein Top-Profi mittrainiert und alles gemacht, um zu zeigen, dass er die Qualitäten hat. Und er hat auf seine Chance gewartet.« Kompanys Botschaft: So könnte es auch für andere laufen.
Allerdings hat Goretzkas Geschichte einen Haken: Grundlegend hat sich an seiner Situation nichts geändert. Sein gut dotierter Vertrag läuft zwar noch bis Mitte 2026, doch geht es nach dem FC Bayern, soll Goretzka spätestens im kommenden Sommer von der Gehaltsliste verschwinden. Goretzka hat zuletzt den Berater gewechselt. Das könnte darauf hindeuten, dass ein Transfer vorbereitet wird. Eberl verwies nun öffentlich nur auf die Gespräche im vergangenen Sommer, den Status quo und sagte: »Was die Zukunft bringt, werden wir wieder mit dem Jungen besprechen.« Obwohl Goretzka neuerdings und zumindest vorerst wieder als Stammkraft gefragt ist, bleibt in seinem Fall doch vieles beim Alten.
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