»Reichsbürger« Wilhelm P. muss ins Gefängnis

Wilhelm P. wollte bei der Entführung von Karl Lauterbach mitmachen: Zweieinhalb Jahre Haft

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Zweieinhalb Jahre muss Wilhelm P. einsitzen.
Zweieinhalb Jahre muss Wilhelm P. einsitzen.

Man muss als Richter genau hinhören können. Jürgen Bonk, Senatsvorsitzender am Oberlandesgericht in Frankfurt am Main, kann das. Als er am Montag das Urteil gegen ein Mitglied jener »Reichsbürger«-Vereinigung verkündete, die unter anderem die Entführung von Karl Lauterbach geplant hatte, begann er mit einem Zitat aus dem letzten Wort des Angeklagten. »Es ist besser, im System zu leben, als dagegen anzukämpfen«, hatte Wilhelm P. gesagt – und damit wohl Reue und Einsicht ausdrücken wollen. Doch Richter Bonk verstand.

»Es kommt zum Ausdruck«, sagte er, »dass Sie mit dieser Gedankenwelt noch nicht ganz gebrochen haben.« Gemeint war die Gedankenwelt aus »Reichsbürger«-Ideologie, NS-Verherrlichung und einem wilden Potpourri an Verschwörungserzählungen, die den 62-Jährigen aus dem Odenwald dazu gebracht hatten, sich den »Vereinten Patrioten« anzuschließen. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Hochverrats wurde der gelernte Kfz-Mechaniker nun zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Neben der gewaltsamen Entführung des Bundesgesundheitsministers hatten die »Vereinten Patrioten« mit Sprengstoffanschlägen für einen wochenlangen Stromausfall im ganzen Land sorgen wollen. Ihr Ziel: die angeblich illegitime Bundesregierung zu stürzen und die vermeintlich immer noch gültige Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 wieder in Kraft zu setzen. Wilhelm P. hatte unter anderem angeboten, seine Garage als Waffenlager zur Verfügung zu stellen.

Über eine Gruppe von reichsbürgerlichen Corona-Leugner*innen namens »Kraftreich« war er mit einem der Rädelsführer der »Vereinten Patrioten« in Kontakt gekommen – und in kürzester Zeit Feuer und Flamme. Er selbst hatte das als eine Art Hineinschlittern beschrieben, befördert durch wirtschaftliche Probleme und exzessives Kiffen während der Pandemie.

Wilhelm P. hatte unter anderem angeboten, seine Garage als Waffenlager zur Verfügung zu stellen.

Doch es wirkt eher, als hätte er in der Verschwörung seine politische Heimat gefunden. Er teilte Chats mit Nazi-Symbolen, widersprach nicht, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe das Menschsein abgesprochen wurde, hielt persönlich Vorträge über die Verfassung von 1871. Und selbst die Vorstellung, dass die Erde eine Scheibe und der Mond ein Raumschiff sei, war Wilhelm P. nicht zu abstrus.

Es ist die vierte Verurteilung eines Mitglieds der »Vereinten Patrioten« bundesweit – und die Strafen, die bislang verhängt wurden, haben trotz der stets sehr ähnlich gelagerten Vorwürfe eine bemerkenswerte Bandbreite. Die Oberlandesgerichte in München und Hamburg ließen Mitverschwörer mit Bewährungsstrafen davonkommen, obwohl es in beiden Fällen auch um Waffen ging. Dagegen schickte das Oberlandesgericht Düsseldorf einen ehemaligen Bundestagskandidaten der Corona-Leugner*innen-Partei Die Basis für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, weil er sich an Anschlägen auf Stromleitungen hatte beteiligen wollen.

Auf dasselbe Strafmaß hatte in Frankfurt die Generalstaatsanwaltschaft plädiert, das Gericht blieb jedoch darunter – und unterbot damit sogar die Forderungen der Verteidigung. Der Staatsschutzsenat rechnete es Wilhelm P. hoch an, dass er schon im Ermittlungsverfahren alle Vorwürfe eingeräumt hatte.

Gegen sieben weitere Beteiligte, darunter die mutmaßlichen Köpfe der Verschwörung, wird noch in zwei parallelen Prozessen in Koblenz verhandelt, zum Teil bereits seit anderthalb Jahren. Nach langem Schweigen hat hier mittlerweile auch der als Haupttäter geltende Thomas O. ein Geständnis abgelegt. Anders als die meisten seiner ehemaligen Mitstreiter*innen verzichtete der 57-Jährige aus Neustadt an der Weinstraße dabei auf Beschönigungen oder ideologische Rechtfertigungen. Er bestätigte, dass die »Vereinten Patrioten« zum Erreichen ihrer, wie er sagte, »wahnsinnigen Ziele« Tote und Verletzte in Kauf genommen hätten. Er schäme sich dafür und wolle die »volle Verantwortung« übernehmen.

Zu denen, die die Anklagebehörden für weniger schuldlos halten als sie sich selbst, gehört eine Frau, die in Koblenz als Belastungszeugin ausgesagt hatte. Die 38-Jährige aus dem Raum Hildesheim hatte sich als bedrohte Verräterin dargestellt, wurde nun aber trotzdem von der Generalstaatsanwaltschaft Celle angeklagt: Isabell B. habe zumindest anfangs an Treffen der »Vereinten Patrioten« teilgenommen und dabei unter anderem Nahkampfausbildungen angeboten. Im kommenden Jahr könnte der Prozess beginnen.

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