­Brandenburger Koalitions­verhand­lungen auf der Zielgeraden

Brandenburgs BSW-Landesvorsitzender Crumbach stellt Abschluss noch in dieser Woche in Aussicht

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
BSW-Landeschef Robert Crumbach auf dem Weg zu einer Verhandlungsrunde im Potsdamer Regine-Hildebrandt-Haus der SPD.
BSW-Landeschef Robert Crumbach auf dem Weg zu einer Verhandlungsrunde im Potsdamer Regine-Hildebrandt-Haus der SPD.

In Brandenburg schließen SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ihre Koalitionsverhandlungen voraussichtlich in den kommenden Tagen ab. Der BSW-Landesvorsitzende Robert Crumbach sagte am Montag im RBB-Inforadio: »Ich denke, wir sind auf einem ganz guten Weg. Wir haben heute nochmal eine Verhandlungsrunde und werden schauen, ob wir noch eine brauchen. Aber es sieht ganz gut aus, dass wir diese Woche fertig werden können.«

Über die Verteilung der Ministerien sei noch nicht gesprochen worden. Man müsse allerdings in der neuen Regierung mehr gestalten – und dazu gehöre, dass das BSW »eines der wichtigen, der mächtigen Ministerien übernimmt«. Welches das konkret sein wird, werde mit der SPD besprochen. Er selbst brauche nicht unbedingt ein Ministeramt. »Ich bin als Fraktionsvorsitzender meiner Fraktion im Landtag eigentlich sehr glücklich«, betonte Crumbach. Es könne aber auch sein, dass er in die Regierung eintrete: »Das werden wir sehen. Ich habe da keine Präferenzen. Mir geht es darum, die Arbeit gut zu machen.«

Erwartungen des Städteforums

In den vergangenen Wochen haben während der Koalitionsverhandlungen alle möglichen Organisationen ihre Erwartungen an die kommende Regierung formuliert, darunter Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Naturschutzorganisationen und die Landesarmutskonferenz, aber auch das seit 20 Jahren bestehende brandenburgische Städteforum. Mit seinen derzeit 51 Mitgliedskommunen ist das Forum die größte diesbezügliche Vereinigung im Bundesland.

Das Städteforum warnte davor, dass der soziale Zusammenhalt in den Kommunen in Gefahr geraten könnte. Menschen aller Alters- und Einkommensgruppen mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Lebensstilen sollten sich wohl und sicher fühlen. Von der neuen Regierung wird der Einsatz für gleichwertige Lebensverhältnisse, eine gesicherte Daseinsvorsorge, bezahlbaren Wohnraum und gute Arbeitsplätze gefordert.

Städte müssten robust und widerstandsfähig gemacht und instand gesetzt werden. Erforderlich seien dafür eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen, mehr Mut zu Entscheidungen, aber auch Freiräume. Das Städteforum schlägt der nächsten Landesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe »Stadtentwicklung« vor mit dem Ziel, »Ressourcen zu bündeln und gezielt einzusetzen«.

Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden ist extrem unterschiedlich. »Kommunen in dauerhafter Haushaltsnotlage sind in ihrer Handlungs- und Innovationsfähigkeit eingeschränkt«, heißt es in einem Positionspapier des Städteforums. Das Land wird darin aufgefordert, bewährte Förderprogramme und die soziale Wohnraumförderung fortzuführen. »Die Abwicklung von Förderprogrammen muss, insbesondere auch vor dem Hintergrund der personellen Engpässe, vereinfacht werden.« Die Kommunen erwarten Zuschüsse auch für Leistungen, die keine gesetzlichen Pflichtaufgaben sind.

Lauscha und die Protestwähler

Bei einem Festvortrag zum 20-jährigen Bestehen des Städteforums schilderte die Erfurter Professorin Katrin Großmann kürzlich anhand des thüringischen Glasbläser-Städtchens Lauscha, wohin Vernachlässigung und Bevormundung der Kommunen politisch führen und was Gleichgültigkeit gegenüber abgehängten Territorien zwangsläufig nach sich ziehen müsse. »Die Rache der übersehenen Kommunen« äußere sich in einer massiven Abkehr vom traditionellen politischen Spektrum und ganz eigenen Vorstellungen von der Vergangenheit, warnte Großmann.

Lauscha, jahrhundertelang berühmt für seinen gläsernen Weihnachtsschmuck, sei früher eine »stolze Stadt« gewesen. Doch aufgrund billiger chinesischer Konkurrenz sei »eine Glasbläser-Familie nach der anderen« zum Aufgeben gezwungen gewesen. Die Stadt habe seit 1990 fast 38 Prozent ihrer Einwohner verloren. Geschlossen hätten längst die Bank, der Bäcker, der Fleischer, der Getränkemarkt. Die letzte Arztpraxis werde demnächst und das letzte erreichbare Krankenhaus in Kürze schließen. »Lauscha war mal gut angebunden.« Nun aber müssten die Lauschaer erst nach Bayern fahren, um auf diesem Umweg mit der Bahn nach Erfurt zu gelangen. »Der Stadtkern erinnert an einen Friedhof«, sagte Großmann. Die AfD erziele 50 Prozent der Stimmen.

Die Professorin legte eine Deutschlandkarte vor, derzufolge ein Zusammenhang von wirtschaftlichem Zusammenbruch und finanzieller Zwangslage auf der
einen und Protestwählern auf der anderen zu sehen ist. Ob im gegenwärtigen Stadium ein anderes Wahlverhalten überhaupt noch erreichbar ist, sei völlig ungewiss, meinte Großmann.

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