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Dortmund vs FC Bayern: Befreiung im Bundesliga-Klassiker

Der BVB und die Münchner liefern beim 1:1 ein mitreißendes Spiel

  • Daniel Theweleit, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.
Jamal Musiala (M.) belohnte Bayerns Aufholjagd in Dortmund mit dem späten Ausgleich.
Jamal Musiala (M.) belohnte Bayerns Aufholjagd in Dortmund mit dem späten Ausgleich.

Es fiel den Beteiligten nicht ganz leicht, die eigenen Gefühle zu sortieren, weil irgendwie mehr drin war in diesem Fußballspiel – sowohl für die Hausherren von Borussia Dortmund wie auch für die Gäste vom FC Bayern. Der Münchner Sportvorstand Max Eberl verwendete in seiner Tagesbilanz nach dem 1:1 zwischen den beiden Großklubs den unentschlossenen Begriff »Teilerfolg«, weil die bis zur 85. Minute drohende Niederlage zwar noch abgewendet, die überlegene zweite Halbzeit aber nicht mit einem Sieg belohnt worden war. Ähnlich stand es um das Befinden der Dortmunder, deren Geschäftsführer Lars Ricken von einer »gemischten Gefühlslage« sprach.

Etwas klarer war Vincent Kompany: »Es gibt einfach geile Spiele in der Bundesliga, und heute haben wir das gesehen«, sagte der Münchner Trainer mit Blick auf das große Ganze. Daran konnten sich tatsächlich alle erfreuen. Das Publikum hatte hervorragende 90 Minuten erlebt, die weniger überfrachtet waren als viele Duelle zwischen Dortmund und München der jüngeren Vergangenheit. Es hat sich etwas verändert in der Tektonik der Bundesliga, und das tat diesem Spiel gut. Es spielte nicht der Meister gegen den ärgsten Konkurrenten, sondern der Tabellenführer war zu Gast bei einem ambitionierten Aspiranten auf eine weitere Teilnahme an der Champions League. Der fanatische Perfektionismus, der sich in den Jahren mit den Trainern Pep Guardiola und Thomas Tuchel beim FC Bayern etabliert hatte, ist überwunden. Und beide Klubs haben Krisen, harte Rückschläge und Umbrüche erlebt. Das ist eine Befreiung.

In früheren Konstellationen hätten die Dortmunder gehadert, weil klar war, dass in so einem direkten Duell gegen die Bayern im heimischen Stadion eigentlich ein Sieg nötig ist, um die Chance auf den Meistertitel zu wahren. Solche Ansprüche hat dieser BVB mit dem jüngsten Trainer der Liga und nach einem Sommer des abermaligen Kaderumbaus derzeit nicht, so dass Ricken trotz der Punktverluste ein freundliches Resümee ziehen konnte: »Der Plan von Nuri Sahin ist komplett aufgegangen. Am Ende ist es völlig in Ordnung.«

Sahins Kollege Kompany ist ohnehin ein Trainer, der zwar von einem starken Ehrgeiz getrieben ist, aber lieber auf das Positive schaut, statt sich nach jedem Fehler inneren Aufarbeitungsqualen auszusetzen. Schön erkennbar war das im Interview des übertragenden Senders, als er eine ungewöhnliche Forderung stellte: Er werde sich das durch einen Fehler von Konrad Laimer begünstigte Dortmunder Tor durch Jamie Gittens nur ansehen, wenn auch der Treffer der Münchner gezeigt werde, sagte Kompany. Es handelte sich um den vierten Kopfballtreffer von Jamal Musiala in dieser Saison, der damit tatsächlich der gefährlichste Kopfballspieler nicht nur der Bundesliga, sondern der fünf europäischen Topligen ist. Zudem hat Musiala ja gegen Bosnien auch gerade erst per Kopf fürs Nationalteam getroffen – eine erstaunliche Serie.

Auf dieses Tor zum Ausgleich in Dortmund war Musiala besonders stolz, »denn das war die richtige Technik«, sagte er nach der Partie, in der die Dortmunder während der ersten Hälfte besser waren und die Münchner nach der Pause. Das prägendste Element dieser Schlacht im Westfalenstadion war allerdings die Hingabe, mit der die Dortmunder verteidigten. Alle Feldspieler gingen jeden nötigen Schritt, sein Team habe »extrem leidenschaftlich« gespielt, meinte Pascal Groß. Sein Mittelfeldkollege Felix Nmecha wird mehr und mehr zur prägenden Figur der Mannschaft. Und Nico Schlotterbeck, der den BVB erstmals als Kapitän in ein Spiel führte, gibt den Stil vor: Der Nationalspieler verteidigt nicht nur mit Lust und Freude, sondern auch mit viel Mut, körperlicher Wucht und einer starken Technik. Damit zog er an diesem Abend alle mit.

Eine der großen Dortmunder Schwächen in der Vergangenheit war, dass immer wieder Spieler nachlässig wurden, wenn es um die Defensive ging. Genau zeigen sich Fortschritte. Den Torschützen Gittens müsse man auch »herausheben, weil er Ramy Bensebaini in der Defensive geholfen hat«, sagte Ricken. Ähnliches galt für Maximilian Beier auf dem anderen Flügel, oder für Marcel Sabitzer und Stürmer Serhou Guirassy, die alle schlau und leidenschaftlich mitgearbeitet hatten. »Jetzt entscheiden wir am nächsten Samstag in Gladbach, was der Punkt wert ist«, sagte Ricken. Denn auswärts warten die Dortmunder in dieser Bundesligasaison immer noch auf ihren ersten Sieg.

Die Bayern schauen vor dem Pokalspiel gegen Leverkusen am Dienstag unterdessen auf den Oberschenkel von Harry Kane, der sich nach einer halben Stunde aufgrund eines Schmerzes auswechseln lassen musste. Wahrscheinlich sei die Verletzung »nicht so schlimm«, sagte Kompany. Viel Zeit zur Erholung aber bleibt den Münchnern nicht vor dem nächsten Topspiel, das derzeit wahrscheinlich sogar noch ein Stück größer ist, als der Klassiker gegen Borussia Dortmund.

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