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Abchasisches Ass
Bernhard Clasen über die Proteste in Georgien
Die jüngsten Proteste in Georgien machen es noch einmal deutlich: Die Entscheidung der Regierung, bis 2028 keine EU-Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, findet in der georgischen Bevölkerung keinen Rückhalt. Gleichwohl wird sich die Regierung auf Dauer nicht mit Gewalt an der Macht halten können. Dies kann sie nur, wenn sie der Bevölkerung gute Angebote macht.
Das könnte etwa die Ankündigung von Neuwahlen oder die Rücknahme der Entscheidung zu den EU-Beitrittsverhandlungen sein. Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit, sich die Bevölkerung gewogen zu machen: Die Regierung in Tbilisi könnte auf die Karte Abchasien setzen. Diese Region ist eine offene Wunde in Georgien. Jeder Georgier wünscht sich sehnlich eine Rückkehr Abchasiens unter die Kontrolle von Tbilisi.
In dem separatistischen Gebilde Abchasien, das Russland als Staat anerkannt hat, sitzt die Regierung angesichts anhaltender Proteste auf wackligen Stühlen. Sollte es der georgischen Regierung gelingen, das aktuell sehr instabile Abchasien zurückzugewinnen, würde dies ihre innenpolitische Position erheblich stärken.
Man erinnere sich an Bergkarabach: Die Rückführung dieser Region nach Aserbaidschan unter der Führung von Ilham Alijew, verbunden mit der Vertreibung der armenischen Bevölkerung, brachte Alijew landesweite Unterstützung – sogar aus Oppositionskreisen. Dieser Erfolg sicherte ihm auf Jahre hinweg die Macht. Ein ähnliches Szenario könnte sich in Georgien abspielen. Dass da möglicherweise menschliche Schicksale unter die Räder kommen, wird für die Herrschenden keine Rolle spielen.
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