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Potsdam: Gekündigte Asta-Mitarbeiter schlagen Vergleich aus
Gekündigte Asta-Mitarbeiter der Universität Potsdam schlagen Abfindungsangebot aus
Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Potsdam muss sich in der Auseinandersetzung um die Kündigung mehrerer Mitarbeiter auf einen längeren Rechtsstreit einstellen. Ein Großteil der Verhandlungen um mögliche außergerichtliche Einigungen ist gescheitert. Bei Güteverhandlungen vor dem Arbeitsgericht erklärten am Dienstag drei gekündigte Mitarbeiter, dass sie das Angebot einer Abfindung in Höhe von drei Monatsgehältern nicht annehmen werden. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter, der bei einer Verhandlung im November einem Vergleich zunächst zugestimmt hatte, hat inzwischen nach nd-Informationen seine Zustimmung zurückgezogen.
»Ich will mich nicht kaufen lassen«, sagt eine der Asta-Mitarbeiterinnen, die gegen ihre Kündigung klagen, zu »nd«. Die Vergleichsangebote seien ein »Blutzoll, mit dem man uns zum Schweigen bringen will«. »Ich will weiter arbeiten«, sagt ein weiterer Kläger. Es gehe nicht nur um die betroffenen Stellen, sondern auch darum, die mit ihnen verbundenen Angebote für Studierende zu erhalten. Daher wolle man den Rechtsstreit weiterführen.
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Der Streit um die Kündigungen ist wohl die größte Kontroverse in den Brandenburger Studierendenschaften seit Jahren. Nachdem nach den Wahlen zum Studierendenparlament im Juni ein Bündnis liberaler und pragmatischer Gruppen die Mehrheit gewonnen hatte, kündigte der neu formierte Asta im Oktober insgesamt elf der 14 fest angestellten Mitarbeiter der Studierendenvertretung.
Besonders betroffen war das studentische Kulturzentrum (Kuze), das alle seine hauptamtlichen Mitarbeiter verlor. Geschlossen gekündigt wurde auch der IT-Abteilung der Studierendenschaft. Begründet wurden die Kündigungen mit einem gestörten Vertrauensverhältnis. Die betroffenen Mitarbeiter sollen demnach geplant haben, den gewählten Asta abzusetzen. Wie genau, erläuterten die Studierendenvertreter nicht. Vor Gericht sprach die Anwältin des Asta von koordinierten Krankschreibungen, ohne konkreter zu werden.
»Als ich die Kündigung erhalten habe, dachte ich erst, dass es ein Scherz ist«, sagt eine der Betroffenen zu »nd«. Sie arbeitete bis Oktober als Projektkoordinatorin im Kuze. Das Kulturzentrum sei ein »Prestigeobjekt« der studentischen Selbstverwaltung. Bandproberäume, eine kleine Theaterbühne und eine Bibliothek für japanische Comics gebe es in der Einrichtung in der Potsdamer Innenstadt. »Ein Begegnungsort, der von vielen Studierenden genutzt wird«, sagt die ehemalige Mitarbeiterin.
Nach den Kündigungen werde der Betrieb nun von Ehrenamtlichen gestemmt. Daher müsse das Angebot bereits eingeschränkt werden. Mit den Kündigungen einher gingen weitere Steine, die dem Kuze vom Asta in den Weg gelegt worden seien: So sei die Internet-Arbeitsplattform, über die die Kuze-Mitarbeiter sich koordinierten, abgestellt worden, auch die bisherigen E-Mailadressen funktionierten nicht mehr. Zuletzt sei auch die Webseite des Kulturzentrums abgestellt worden. Zuvor war dort ein Statement gegen die vom Asta ausgesprochenen Kündigungen erschienen. »Zensur« nennt die ehemalige Mitarbeiterin das.
»Ich will mich nicht kaufen lassen.«
Ehemalige Asta-Mitarbeiterin
Bei den Kündigungen blieb es nicht: Zwei Wochen zuvor hatte der Asta bereits den Personalrat der Studierendenvertretung für aufgelöst erklärt und dessen drei Mitgliedern gekündigt. Später erhielten sie sogar Hausverbot in den Asta-Räumlichkeiten. Zur Begründung verwies der Asta auf ein Rechtsgutachten der Universität Potsdam, das es zwingend erforderlich mache, den Personalrat aufzulösen. In dem Dokument wird festgehalten, dass der Asta keine Dienststelle des Landes sei und daher keine eigene Arbeitnehmervertretung aufbauen könne.
Die Betroffenen bezweifeln allerdings, dass sich daraus die Pflicht ergebe, den Personalrat aufzulösen. Weder der AStA noch die Universität Potsdam könnten den Personalrat eigenständig auflösen, dafür brauche es einen Entscheid eines Verwaltungsgerichts, sagt Atari Ermler, die bisherige Personalratsvorsitzende. Der Brief der Universitätsleitung enthalte überhaupt keinen »Auflösungsimperativ«. »Die Uni hat nur ihre Rechtsauffassung kundgetan«, sagt Ermler. Auch sei das Dokument kein Gutachten, sondern eine kurze rechtliche Einschätzung. Tatsächlich wird im Dokument selbst der Begriff »Vorab-Prüfung« verwendet.
»Wir standen im Weg und sollten weggeräumt werden«, sagt Ermler. Der Personalrat hätte das Kündigungsvorhaben des Asta behindern können, daher habe man sich seiner entledigt. Dabei sei der Personalrat rechtmäßig gewählt worden.
Inzwischen wirbt der Asta auf seiner Webseite um neue Mitarbeiter, berichtet Ermler. Künftig sollen die Mitarbeiter demnach nicht mehr fest, sondern als Honorarkräfte angestellt werden – also als Freiberufler ohne arbeitsrechtlichen oder Versicherungsschutz. »Das ist eine Neoliberaliserung der Arbeitsverhältnisse im Asta«, sagt Ermler. Der Asta brauche feste Mitarbeiter, um funktionieren zu können. Die jährlich neu gewählten Referenten verfügten häufig nicht über genügend Expertise, um ihren gesetzlichen Aufgaben nachzugehen. »Ohne eine feste Mitarbeiterinnenstruktur dürfte es für den Asta schwer werden, seine satzungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen«, sagt Ermler.
Der Asta reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf eine nd-Anfrage.
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