Kürzungen in Berlin: Aus für queere Jugendarbeit?

Queere Jugendzentren in Berlin setzen sich gemeinsam gegen anstehende Kürzungen und Schließungen ein

  • Laura Meng
  • Lesedauer: 5 Min.
Queere Jugendliche kämpfen um ihre Schutzräume in Berlin.
Queere Jugendliche kämpfen um ihre Schutzräume in Berlin.

»Unseren Jugendclub wegnehmen, ist wie unsere Familie wegnehmen.« Im schummrigen Licht der Pepsi Boston Bar im Neuköllner Club Schwuz verlesen Mitarbeiter*innen von queeren Jugendzentren Worte ihrer jungen Besucher*innen. Denn den queeren Jugendlichen in Berlin stehen harte Zeiten bevor. Die aktuellen Kürzungspläne des Senats treffen auch die queere Jugendarbeit hart – nach aktuellem Stand müssen sogar zwei Jugendzentren komplett schließen.

Deshalb steht die »Drag Open Stage« an diesem Abend offen für die Mitarbeitenden der queeren Jugendzentren in Berlin. Darunter ist Nora Scharffenberg, Leiterin des Lamba in Prenzlauer Berg. Ihrer Einrichtung droht die Schließung, weil dem Verein Lambda Berlin-Brandenburg gemäß der vom Senat aufgestellten Konsolidierungsliste des Haushalts sämtliche Fördermittel gestrichen werden. »Nach den Kürzungen müssen alle Jugendzentren Einsparungen vornehmen«, sagt sie zu »nd«.

Sollte die Kürzungsliste nicht geändert werden, wären die Folgen für queere Berliner Jugendliche verheerend. »Eine jugendliche Person aus der Gruppe hat es so ausgedrückt, als sie von den Kürzungen erfahren hat: Wenn die queeren Jugendzentren schließen, dann gehen die Suizid-Zahlen hoch«, sagt Scharffenberg.

Gerade mit Blick auf den Rechtsruck lösen die Kürzungen Beklemmung aus. Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen und auch den Gegenprotesten zu den Veranstaltungen des Christopher Street Days in diesem Sommer habe man im Lambda-Jugendzentrum noch überlegt, wie man ein politisches Bewusstsein schaffen könne, das über die Hauptstadt hinausgeht. »Wir haben uns in gewisser Weise in Berlin als sicher verortet – nur, um jetzt festzustellen, dass diese Sicherheit auf wackeligen Füßen steht«, so Scharffenberg.

Die Kürzungen bedeuten nicht nur einen Verlust von sicheren Räumen für queere Kinder und Jugendliche, sondern auch den Verlust von Arbeitsplätzen. Nicht nur die Mitarbeitenden der voraussichtlich schließenden Jugendzentren – das ist neben dem Lambda die queere Jugendfreizeiteinrichtung »qu:alle« in Spandau – müssen sich zum neuen Jahr nach einer beruflichen Alternative umsehen. Auch in den anderen Einrichtungen werden Einsparungen vorgenommen, die eine Abdeckung aller aktuell bestehenden Stellen unmöglich macht.

So bangt auch das »Q*ube« in Neukölln, ein vor drei Jahren aus einer Eigeninitiative mit Jugendlichen entstandener queerer Treff, um seine Finanzierung. »Wir wissen nicht, in welchem Umfang, ob und wie wir gekürzt werden«, erzählt Mitarbeiterin Leonie Hafermeister.

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Die queeren Einrichtungen in Berlin organisieren sich im Arbeitskreis queere Jugendhilfe, der den Abend im Schwuz zusammen mit der Pepsi Boston Bar organisiert hat. »Wir wollen uns nicht vereinzeln lassen und am Ende für die eigenen Interessen und gegen die eigenen Kürzungen kämpfen, sondern für eine queere Jugendarbeit und Jugendhilfe berlinweit«, sagt Scharffenberg. Als Mitglied im Arbeitskreis begreift sie den Protest gegen die Kürzungen in der Jugendarbeit als eine gemeinsame Sache für den Erhalt der gesamten Struktur der queeren Berliner Jugendzentren. So sei der Arbeitskreis aus aktuellen Gründen auch eine Plattform, sich politisch zu vernetzen.

Das Jugendzentrum Lambda selbst habe, wie viele andere Einrichtungen auch, erst durch die Veröffentlichung der Konsolidierungsliste erfahren, wie sehr die Jugendarbeit von den Kürzungen betroffen sein wird. »Es gab im Vorfeld keine Gespräche oder Warnungen, dass Kürzungen in dem Bereich vorgenommen werden sollen«, sagt Leiterin Scharffenberg.

»Eine jugendliche Person aus der Gruppe hat es so ausgedrückt, als sie von den Kürzungen erfahren hat: Wenn die queeren Jugendzentren schließen, dann gehen die Suizid-Zahlen hoch.«

Nora Scharffenberg
Leiterin des queeren
Jugendzentrums Lambda

Das Lambda ist eine wichtige Struktur für Jugendliche in Berlin. »Viele kommen regelmäßig und nutzen das Jugendzentrum als eine Art zweites Wohnzimmer. Das heißt, sie können einfach da sein. Es gibt keinen Bildungsauftrag wie in der Schule, sondern es geht darum, alltägliche Dinge miteinander zu machen«, erzählt Mik Freyer, Ehrenamtskoordinator von Lambda Berlin-Brandenburg. Die Jugendlichen basteln oder kochen beispielsweise gemeinsam. Für die meisten habe es schon einen großen Wert, sich mit anderen queeren Jugendlichen austauschen zu können und mit dem richtigen Namen und den richtigen Pronomen angesprochen zu werden. »Manche verbringen zwei, drei Tage die Woche bei uns«, so Freyer.

Das Lambda bietet auch eine wichtige Struktur für Aus- und Weiterbildung in der Jugendarbeit. »Was unser Angebot im Vergleich zu anderen queeren Jugendzentren besonders macht, ist die trans*-Kindergruppe und die Angehörigenarbeit, auch in Form von Beratungsangeboten«, erzählt Freyer. Darüber hinaus bildet das Lambda Ehrenamtliche aus und bietet Jugendleiter*innen-Schulungen an. »Da greifen auch richtig viele Jugendzentren und Menschen auf uns zurück. Auch aus nicht-queeren Kontexten.«

Die Jugendlichen kämen aus ganz Berlin, manche sogar aus Potsdam angereist. »Wir sind gut am Ring angebunden und die Jugendlichen kommen quasi durch den ganzen Ring zu uns«, so Scharffenberg. »Wir sehen, dass es eine Bereicherung ist, dass es viele Jugendzentren in verschiedenen Bezirken gibt und nicht nur vereinzelte. Die Jugendlichen entscheiden selbst, wo sie sich wohlfühlen und wo sie welche Angebote in Anspruch nehmen.«

Die Mitarbeitenden des Q*ube berichten, dass teilweise Jugendliche aus Hellersdorf und Spandau bis zu ihnen nach Neukölln fahren. Sie erklären sich das unter anderem mit ihrem niedrigschwelligen Angebot, das den Jugendlichen erlaubt, schnell Anschluss zu finden. Nun fürchten sich die jungen Berliner*innen vor der Zukunft. Kathi Schilling, ebenfalls Mitarbeiterin des Q*ube, erzählt dem »nd«, dass die Jugendlichen bei ihnen bereits auf der Suche nach »Lost Places«, also leerstehenden Orten, sind, um sich weiter treffen zu können. In ein gewöhnliches Jugendzentrum würden sie sich nicht trauen – aus Angst, diskriminiert zu werden.

Inwieweit die Kürzungen final sind, wissen die Jugendzentren nicht. »Gerade sind wir mit vielen Politiker*innen in Gesprächen und die wiederum sind in Verhandlungen in ihrer Koalition und versuchen, Dinge zu erwirken«, so Scharffenberg, »Wir können aber noch nicht sagen, inwiefern das auch eine Wirkung hat.«

Die Haushaltskonsolidierung soll am 19. Dezember vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Bis dahin bleiben die Jugendzentren im Unklaren. »Wir wissen, dass in der nächsten Woche noch mal die Ausschüsse tagen und dann entschieden wird. Wir wissen aber nicht, wann es final an uns rangetragen wird und von wem«, sagt Scharffenberg.

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