- Sport
- Champions League im Fußball
Schachtar Donezk gegen den FC Bayern: Fußball-Wunder und Tragödie
Zirkus Europa: Der ukrainische Klub spielt schon lange nicht mehr in seiner Heimat
An diesem Dienstag kommen mal wieder die Bayern in die Arena auf Schalke. Für die ortsansässigen Sportsfreunde ist das eine nette Abwechslung vom Alltag, der sich gerade zwischen Ulm und Elversberg abspielt und nicht mehr zwischen München und Mailand. Dass der große europäische Fußballzirkus in dieser Saison öfter mal in Gelsenkirchen gastiert, ist also nicht dem FC Schalke 04 geschuldet. Die Arena auf dem Berger Feld im Stadtteil Erle dient dem FK Schachtar Donezk als Spielstätte in der Champions League. Atalanta Bergamo und die Young Boys aus Bern waren schon da, jetzt geht es gegen Bayern München.
Das ist schön für die Schalker Fans und nicht ganz so schön für die ukrainischen, die ihren Klub schon lange nicht mehr in der Heimat erlebt haben. Was ist die Schalker Tristesse schon gegen Schachtars Tragödie? Der Tabellendritte der Premjer Liha spielt seit gut zehn Jahren im Exil, mal in Lwiw, Charkiw, Kiew, Warschau oder Hamburg. In dieser Saison gewährt Gelsenkirchen in der Königsklasse Asyl. Der russische Überfall auf die Ukraine datiert offiziell vom 24. Februar 2022, aber im Osten des Landes wütet der Krieg schon seit dem Frühjahr 2014. Die Donbas Arena, 2012 noch Schauplatz des EM-Halbfinales zwischen Portugal und Spanien, wurde durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt und steht heute unter der Kontrolle prorussischer Separatisten.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
Die Donbas Arena wurde 2009 eingeweiht, passend zum größten Erfolg des lokalen Klubs. Damals krönte sich Schachtar in Istanbul zum letzten Sieger in der Geschichte des Uefa-Cups. Im Finale gab es einen 2:1-Sieg über Werder Bremen. Es war der erste Europapokal-Triumph einer ukrainischen Mannschaft überhaupt, obwohl es sich bei Schachtar eher um eine osteuropäisch verstärkte brasilianische Mannschaft handelte. Der alles überragende Mann war der kroatische Defensivstratege Darijo Srna – vor ihm wirbelten am 20. Mai 2009 gleich fünf Brasilianer in den leuchtend orangenen Leibchen über den Rasen des Sükrü-Saracoglu-Stadions. Luiz Adriano schoss das erste Tor und sein Landsmann Jadson das zweite, zwischendurch hatte Werders Naldo ausgeglichen – ein Brasilianer, natürlich.
In jenen unbeschwerten Tagen des Sommers 2009 träumte Schachtars Präsident Rinat Achmetow gar nicht so heimlich vom Gewinn der Champions League. Achmetow trägt als Zweitnamen die Bezeichnung »Oligarch«, er hat sein Vermögen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gemacht und damit auch das kleine Fußballwunder von Donezk finanziert.
Mit dem Kriegsausbruch ist die Erfolgsgeschichte erst mal zu einem Ende gekommen. Achmetow hat im Donbas ein Vermögen verloren, ist seinem Klub aber treu geblieben und ermöglicht ihm die Tourneen durch Europa. Srna, der Kapitän von 2009, ist heute Sportdirektor des Klubs. Er bezeichnet sich übrigens selbst als Schalke-Fan und hofft auf baldige Gastspiele seines deutschen Lieblingsvereins im Europapokal. Am Freitag haben die Gelsenkirchener Zweitliga-Fußballer immerhin schon mal in Paderborn gewonnen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.