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VW: Nächste Runde im Klassenkampf
Konzernvorstand bleibt unnachgiebig, ohne Einigung droht ab 2025 »Streikhammer«
Zur Tarifverhandlung am Montag malte das Management Untergangsszenarien: »Wir brauchen eine kurzfristig umsetzbare und nachhaltig wirkende Kostenentlastung«, sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel. Kapazitäten und Fabrikkosten müssten sinken, dazu gehörten auch die Personalkosten. Die Verlagerung der Bulli-Fertigung aus Hannover und der Golf-Fertigung aus Wolfsburg wurde angedroht. Ein Angebot der IG Metall mit Lohnverzicht im Volumen von 1,5 Milliarden Euro sei ein guter Anfang, reiche aber nicht aus.
Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo und die IG Metall hatten zuletzt vorgeschlagen, mit Verzicht auf einen Bonus (ehemaliges Weihnachts- und Urlaubsgeld) Beiträge zur Senkung der Personalkosten zu leisten. Die derzeit verhandelte Tariferhöhung soll dabei befristet als Arbeitszeit in einen sogenannten Zukunfts-Fonds eingebracht werden. Darüber bekäme das Unternehmen ein Instrument, um bei Bedarf Arbeitszeiten abzusenken. Umgekehrt könne der Personalabbau so sozialverträglich gestaltet werden.
»Wir sind bereit für Kompromisse, aber wir wollen Innovationen, Ausbildung und Qualifizierung«, sagte die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner bei der Streikkundgebung vor 40 000 Arbeiterinnen und Arbeitern in Wolfsburg: »Ich will, dass wir hier eine Lösung finden.« Benner brachte angesichts des Rückgangs der Produktion von Autos und der Notwendigkeit, die brachliegenden Kapazitäten für andere, nachhaltige Produkte zu nutzen, erneut eine Arbeitszeitverkürzung ins Gespräch.
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Doch die Arbeitskosten fallen bei den Problemen des Unternehmens wenig ins Gewicht. Gewerkschafter*innen aus Kassel brachten darum zur Kundgebung am Montag ein Transparent mit: »Kein Verzicht – Streik für die 7 Prozent«. Ein Arbeiter aus der Logistik erzählte, dass die Gewinnrücklagen inzwischen 147 Milliarden Euro betragen würden. 4,5 Milliarden seien an die Aktionäre ausgeschüttet worden, in den letzten drei Jahren insgesamt 22 Milliarden. »Und dem Malocher dann sagen, er wäre zu teuer, obwohl der Lohnanteil nur 15 Prozent der Kosten beträgt.«
An den vierstündigen Streiks in den zehn Werken von Volkswagen und in allen Schichten nahmen laut IG Metall über 100 000 Beschäftigte teil. Die Gewerkschaft spricht von »historischen Warnstreiks«. Zudem gab es Solidarität von Beschäftigten anderer Autohersteller, von Bosch, von Stahlarbeitern aus Duisburg, von VW-Standorten aus Brasilien, Italien, Polen und Tschechien.
Vorstandsvorsitzender Oliver Blume machte indes deutlich, dass er nichts davon hält, die Aktionäre an den Kosten zu beteiligen. Volkswagen müsse im Gegenteil attraktiv bleiben für die Anteilseigner. Auch von einem höheren Beitrag des Managements wollte Blume nichts wissen.
Thomas Schäfer, Chef der Marke Volkswagen, der sich vom konzerneigenen Airservice aus Irland Montag ein- und Freitag wieder ausfliegen lässt, wohnt zwischendurch im »Männerwohnheim« Rothehof, dem Gästehaus von Volkswagen. Ihm, der nach Stationen in den USA, Südafrika, Malaysia und Tschechien nach Wolfsburg gekommen ist, war beim Warnstreik ein eigenes Transparent gewidmet: »Heute hier, morgen dort, übermorgen wieder fort«. Kritisiert wird, dass das Management keine Bindung an die Regionen und Menschen hat, deren Jobs am seidenen Faden hängen.
Schäfers kriegerischer »Zukunftsplan Triple A«, für den jetzt der Boden bereitet werden soll, sieht vor, dass der Konzern »gegen aggressive Wettbewerber« bis 2030 »als technologisch führende Volumenmarke zurück an die Spitze« kommt. Man wolle aufholen, angreifen und anführen und dafür das Unternehmen verschlanken, so die Devise. Dafür kämpfe man mit aller Macht, heißt es. Einen knapp zehnjährigen technologischen Rückstand rasch aufzuholen, scheint allerdings unmöglich. Erst recht, wenn dabei große Teile der Belegschaft vor die Tür gesetzt werden.
Bei den Verhandlungen am Montag betonten dennoch beide Seiten, dass Fortschritte erzielt worden seien. Konkretisiert wurden die allerdings nicht. Und sollte sich das Unternehmen bis zur nächsten Verhandlung am 16. und 17. Dezember nicht auf die IG Metall zubewegen, warnte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger, dass »auf den Sparhammer« als Antwort nur »der Streikhammer« folgen könnte.
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