- Berlin
- Proteste gegen Haushaltskürzungen
Unkürzbar und unteilbar
Auf einer Kundgebung am Mittwoch wurde die Rücknahme aller Haushaltskürzungen gefordert
Die Proteste gegen die Sparpolitik des Berliner Senats gehen weiter. Am Mittwochabend versammelten sich knapp 400 Menschen vor dem Roten Rathaus zu einer Kundgebung unter dem Motto »Ja zu Berlin – Nein zum Kaputtsparen«. Das ist auch die Überschrift eines offenen Briefes des Landesbezirks Berlin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi an die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses. Die zentrale Forderung an die Politiker*innen lautet: »Stimmen Sie keinem Haushalt zu, der die Kürzungen festschreibt und sogar noch verschärft.«
Das war auch der Tenor aller Reden, die auf der Kundgebung gehalten wurden. Es war wohl auch dem kalten Wetter geschuldet, dass alle Redner*innen ihre Forderungen kurz und prägnant vortrugen. »Wir bleiben unkürzbar und unteilbar«, rief eine bei der Amerika-Gedenkbibliothek beschäftigte Gewerkschafterin und erntete dafür viel Applaus. Sie erteilten damit den Bestrebungen des Berliner Senats eine Absage, die von der Kürzungspolitik betroffenen Einrichtungen gegeneinander auszuspielen. Der Senat hatte einige angekündigte Sparmaßnamen abgemildert. Das ist aber für die am Mittwochabend Versammelten kein Grund, ihren Protest aufzugeben. »Wir dürfen das Spiel des Senats nicht mitmachen, nur die eigene Einrichtung als so besonders wichtig hinzustellen und Kürzungen bei anderen zu akzeptieren. Alle sind wichtig für die Daseinsvorsorge der Berliner Bevölkerung«, bekräftigte eine Frau mit einer Verdi-Weste.
»Stimmen Sie keinem Haushalt zu, der die Kürzungen festschreibt und sogar noch verschärft.«
Offener Brief von Verdi
Die Kundgebung war auch eine gelungene Aktion von Verdi und Klimagerechtigkeitsbewegung. Eine Gruppe von Radfahrer*innen protestierte gegen den Wegfall des weiteren Ausbaus von verkehrssicheren Wegen. Auf ihrer Fahne stand »Respect Cyclists«, respektiere die Fahrradfahrer*innen. Die Grüne Liga hatte zu einem Klimablock aufgerufen. Zahlreiche Fahnen mit dem Logo des Netzwerks ökologischer Bewegungen wehten im kalten Ostwind. Auf einem Transparent stand die Parole »CDU und SPD sparen an den Klimazielen«.
»Wir wollen mit unserer Beteiligung an der Kundgebung darauf aufmerksam machen, wie stark Klima- und Umweltpolitik in Berlin von den Kürzungen betroffen sind«, sagt Johann Thun von der Grünen Liga zu »nd«. Betroffen seien vor allem Orte der Bildung im Bereich Klima und Umwelt, präzisierte die Geschäftsführerin der Grünen Liga Claudia Kapfer und warnt vor den langfristigen Konsequenzen. »Die Gestalter*innen von morgen müssen umfassend über Zusammenhänge von Mensch, Natur und Stadt gebildet werden und im Praktischen lernen. Die Kürzungen in der aktuellen Haushaltsdebatte zeigen die eingeschränkte, kurzfristige Sichtweise der aktuellen Berliner Regierung.«
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Kapfer wies darauf hin, dass in den letzten Wochen auf vier grüne Lernorte in Berlin Brandanschläge verübt wurden. »Ob es einen politischen Hintergrund gibt, ist unklar. Klar ist allerdings, dass hier Projekte angegriffen wurden, die sich der Umweltbildung und einer lebenswerten Stadt widmen«, betonte Kapfer. Eine positive Nachricht hatte sie auch. »Einen kleinen Lichtblick bilden die abgewendeten Kürzungen bei den Umweltbildungsträgern, der Erhalt aller FÖJ-Plätze in Berlin sowie der Erhalt der Wald- und Gartenarbeitsschulen.«
Hier haben die Proteste der letzten Woche kleine Erfolge gebracht. Aber auch Kapfer fordert die Rücknahme sämtlicher Kürzungen. Deswegen soll in den wenigen Tagen bis zur geplanten Verabschiedung der Maßnahmen am 19. Dezember der Widerstand noch einmal verstärkt werden. Auf der Kundgebung wurden Schilder getragen, auf denen zur Teilnahme an der Großdemonstration gegen die Kürzungspläne des Senats am 15. Dezember aufgerufen wird.
Sie soll am Sonntag um 13 Uhr am Lustgarten in Mitte beginnen. Das Motto lautet: »Ein Berlin für Alle«. »Am Sonntag müssen noch einmal Tausende kommen, damit deutlich wird, dass der Druck auf die Politik nicht nachlässt, die Kürzungspläne zurückzunehmen«, sagte ein junger Mann. Deshalb wird für die Demonstration nicht nur auf sozialen Netzwerken geworben. Dabei haben sich einige Verkehrswendeaktivist*innen besondere Formen ausgedacht, über die Proteste zu informieren. In Bussen und Bahnen werden Flyer aufgehängt, die bei den Passagier*innen für Aufmerksamkeit sorgen. Steht doch auf der Vorderseite: »Achtung Betriebsausfall und Preiserhöhungen wegen Senatskürzungen ab 19.12.2024.« Auf der Rückseite finden sich dann nicht Informationen über weitere Ausfälle bei Bussen und Bahnen, sondern der Aufruf zur Großdemonstration. Es wird auch wird noch einmal aufgelistet, welche Folgen die Kürzungen für den ÖPNV haben. Dazu gehört die Streichung des 9-Euro-Tickets ebenso wie die Verdoppelung des Preises für das Sozialticket.
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