- Berlin
- Bundeswehr
BSW ohne Rüstungskontrolle
Brandenburgs Landesbetrieb BLB soll offenbar zum Innenministerium wechseln
Der brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) zog in den vergangenen Jahren unter anderem die neue Synagoge in der Potsdamer Innenstadt hoch und genauso einen Erweiterungsbau für das Finanzamt in Oranienburg. Außerdem kümmert sich der BLB um einen Fuhrpark, der aus 174 Pkw und zehn Nutzfahrzeugen besteht. Bei seinem breiten Spektrum an Aufgaben fällt es kaum ins Auge, dass der Landesbetrieb im Auftrag des Bundes auch bei Baumaßnahmen an Kasernen der Bundeswehr tätig wird. Doch dieser Aspekt gewann an politischer Brisanz, als die SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen Koalitionsvertrag aushandelten und am 11. Dezember die neue Landesregierung bildete. Neuer Finanzminister ist jetzt Robert Crumbach (BSW).
Dass die Wagenknecht-Partei über den BLB gebieten könnte, sorgte für Kritik aus zwei ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) hänselte Crumbach, dieser werde als Finanzminister für die geplante Aufrüstung am Fliegerhorst Holzdorf zuständig sein. Dort sollen Militärhubschrauber und das Raketenabwehrsystem Arrow 3 stationiert werden. Die damit verbundenen Baumaßnahmen werde der Landesbetrieb umsetzen müssen, erklärte Görke, der von 2014 bis 2019 selbst brandenburgischer Finanzminister gewesen ist. Görke erinnerte, wie er seinerzeit einen geplanten Schießplatz auf dem Truppenübungsplatz Döberitzer Heide verhindert habe. Seine Darstellung wird von dem Ex-Bundestagsabgeordneten Norbert Müller (Linke) gestützt. Müller besinnt sich noch gut auf den Vorgang aus dem Jahr 2015. Demzufolge ist er auf einen Tipp hin bei einem Bundeswehrkommandeur vorstellig geworden und konnte ihm den Schießplatz ausreden.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Dem Bundestagsabgeordneten Görke diente jetzt die Verantwortung des Finanzministeriums für den Landesbetrieb dazu, der selbsterklärten Friedenspartei BSW ein Mitmachen bei der Aufrüstung und damit Verrat an den Wählern anzukreiden. Genau andersherum war es bei CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann. Dieser warnte davor, das BSW könnte über den Landesbetrieb den Ausbau von Bundeswehrstandorten wie Holzdorf und Lehnin ausbremsen.
Nun scheint sich aber eine neue Lage anzubahnen. Das »nd« hat Hinweise bekommen, wonach geplant sei, den Landesbetrieb dem Innenministerium zu überantworten. Die bisherige Finanzministerin Kathrin Lange (SPD), die an Robert Crumbach übergeben hat und neue Innenministerin geworden ist, würde dann auch in ihrer neuen Funktion wieder die Verantwortung für den BLB haben.
Eine offizielle Bestätigung dafür war am Dienstag nicht zu erlangen. Die Pressestelle des Finanzministeriums brauchte erst einmal fast sechs Stunden, um dem »nd« mitzuteilen, »zuständigkeitshalber« sei die Presseanfrage an die Pressestelle des Innenministeriums abgegeben worden. Aber von dort war am Dienstag auf Nachfrage auch keine Auskunft mehr zu erlangen.
Mit einem großen Budget ausgestattet, sei der BLB traditionell dem Finanzministerium unterstellt, erklärte der Abgeordnete Görke. Wenn es bei diesem größten und bedeutendsten Landesbetrieb Brandenburgs tatsächlich zu einem solchen Wechsel der Ressortzuständigkeit kommen sollte, wäre das »einzigartig« in der Geschichte des Bundeslandes, schätze er ein. »Das Finanzministerium wäre mit dieser Abgabe des BLB regelrecht kastriert.« Die Folge wäre, dass die SPD beim beabsichtigten Ausbau des Fliegerhorsts Holzdorf zum größten Luftwaffenstützpunkt in Ostdeutschland »freien Lauf« hätte. Das BSW hätte eine Möglichkeit verloren, zumindest indirekt auf dieses Projekt Einfluss zu nehmen, sagte Görke.
»Das Finanzministerium wäre mit dieser Abgabe des BLB regelrecht kastriert.«
Christian Görke Ex-Finanzminister
Der 62-Jährige hatte am 4. November das Augenmerk auf Holzdorf gelenkt. Am selben Tage starteten SPD und BSW ihre Koalitionsverhandlungen. Das Sondierungspapier beider Parteien, in dem Eckpunkte für die Verhandlungen abgesteckt waren, enthielt ein Bekenntnis zur Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Görke vertrat nun die These, damit öffne das BSW eine Hintertür für die Aufrüstung. Er machte auf die 2400 Kilometer Reichweite des Raketenabwehrsystems Arrow 3 aufmerksam. Moskau würde im Zielbereich liegen. Das Waffensystem sei nicht nur zur Verteidigung, sondern auch für den Angriff zu gebrauchen.
Dem widersprach Sahra Wagenknecht am 6. Dezember bei einem BSW-Parteitag in Potsdam, der den Koalitionsvertrag mit der SPD absegnete. Die vier Milliarden Euro für das Raketensystem wären sicher anders besser investiert, gab Wagenknecht zu. Arrow 3 sei auch nutzlos, da es die hoch fliegenden russischen Raketen gar nicht abfangen könnte. Aber: »Es sind keine Angriffsraketen.« Das sei der fundamentale Unterschied zu den US-Mittelstreckenraketen, deren Stationierung das BSW in Deutschland ablehnt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.