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Krieg mit KI: Die Cloud wird tödlicher

Wie Cloud Computing und KI die moderne Kriegsführung prägen

  • Christoph Marischka
  • Lesedauer: 5 Min.
Für seinen Krieg in Gaza nutzt Israels Militär eine »Kill Cloud« von Amazon und Google.
Für seinen Krieg in Gaza nutzt Israels Militär eine »Kill Cloud« von Amazon und Google.

Auch wenn das Bild der Cloud vielleicht anderes suggeriert, so sind das Internet und die Cloud alles andere als immateriell. Vielen wird gegenwärtig bewusst, dass der Breitbandausbau vor dem schnelleren Internet zunächst viele Baustellen für Glasfaserkabel mitbringt. Wo sich viele dieser Kabel treffen, entstehen Rechenzentren. Deren Energiebedarf ist in den vergangenen Monaten insbesondere durch Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) massiv gestiegen und dürfte sich in Europa bis 2030 verdreifachen, was etwa fünf Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf dem Kontinent ausmachen würde.

Die Cloud-Infrastruktur ist ganz überwiegend in privater Hand. Amazon Web Services (AWS) allein verfügt über ein Drittel des gesamten Marktes für Cloud-Dienstleistungen, gefolgt von Microsoft Azure mit 20 Prozent und Google Cloud mit 10 Prozent Marktanteil. Alle drei Unternehmen haben sich in den letzten Jahren auch als zentrale Dienstleister westlicher Militärs und Sicherheitsbehörden etabliert. Sie bieten nicht nur Rechen- und Speicherkapazität an, sondern auch KI-basierte Anwendungen, mit denen Daten verarbeitet, verknüpft und durchsucht werden können.

Die Verquickung von Militär, Rüstungs- und IT-Firmen ist keineswegs neu. Der 2011 verstorbene Medientheoretiker Friedrich Kittler hatte über Jahre Spaß daran, die Unterhaltungsindustrie als »Missbrauch von Heeresgerät« zu bezeichnen. Er meinte damit, dass moderne Medien und Technologien, etwa das Radio und die Aufnahmetechnik, ursprünglich für militärische Zwecke im Ersten und Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden und später zivile Anwendungen fanden.

Ähnlich ist es mit dem Internet: Eine gut informierte Minderheit warnte von Anfang an vor der Sammlung und Auswertung der dort generierten Daten durch Militär- und Geheimdienste. An der Oberfläche hielt sich aber auch ein durch Hippies und Tüftler geschaffenes, globales Netzwerk, das Freiräume schafft und die Welt enger zusammenrücken lässt. Sehr lange hat man dazu auch dem als Suchmaschine bekannt gewordenen Google trotz seiner beispiellosen Sammlung privater Daten das Motto »Do no harm« (»Tue nichts Böses«) abgenommen.

Verbindungen mit Militär und Geheimdiensten wurden von Google & Co sehr zurückhaltend kommuniziert. Das ändert sich seit gut einem Jahrzehnt. Internet-Unternehmen spielen im 21. Jahrhundert eine vergleichbare Rolle wie der Rüstungsriese Lockheed Martin im 20. Jahrhundert, prognostizierte etwa der damalige Google-CEO Eric Schmidt schon 2013.

Zu dieser Zeit hatte Amazon Web Services einen Auftrag im Umfang von 600 Millionen Dollar vom US-Geheimdienst CIA für Cloud-Dienstleistungen erhalten. 2020 wurde dieser Vertrag abgelöst durch das Projekt »Commercial Cloud Enterprise«, das die Nutzung kommerzieller Cloud-Technologie durch Geheimdienste ausweitete. Daran wurden dem neben Amazon auch Google, Microsoft, Oracle und IBM beteiligt.

Neben diesen bekannten großen Playern drängen zunehmend kleinere Startups auf den Markt und wurden beispielsweise in das anfangs von Google geführte Projekt »Maven« einbezogen. Darin ließ das US-Pentagon Technologien entwickeln, mit denen Drohnenaufnahmen großflächig KI-basiert ausgewertet werden können.

Vergleichbare militärische oder geheimdienstliche Projekte gab es auch für die Stimm-, Gesichts- und Gestenerkennung aus Überwachungskameras und die Zusammenführung verschiedener Datenquellen zum Tracking und Profiling von Personen oder Netzwerken. Vieles davon ließ sich zunächst nur anhand geleakter Dokumente nachvollziehen oder wurde wie im Projekt »Maven« durch Proteste von Angestellten bekannt.

»Wie eine Computermaus ist die Kampfdrohne ein Peripheriegerät des Internets.«

Lisa Ling Ex-Militäranalystin und Whistleblowerin

Mittlerweile gehen nicht nur US-Firmen wie Palantir offener mit ihren Verbindungen zu Militär und Geheimdiensten um. Unternehmer wie Elon Musk prahlen mit ihrer zentralen Rolle im Ukraine-Krieg, während Googles Eric Schmidt Seite an Seite mit Top-Militärs über KI-gestützte Kriegsführung im 21. Jahrhundert philosophiert. Etwas weniger bekannt ist die Rolle der Tech-Giganten in den Kriegen Israels. 2021 schlossen Google und Amazon dazu mit der Regierung in Jerusalem einen Vertrag über 1,2 Milliarden Dollar für Rechenzentren.

Der Journalist und Filmemacher Yuval Abraham enthüllte dieses Jahr, wie die israelische Armee in großem Maßstab Daten über die palästinensische Bevölkerung nutzt, um Ziele in ihrem Krieg in Gaza zu identifizieren und anzugreifen. Das System »Gospel« versucht, Wohnorte oder Orte zu bestimmen, an denen Palästinenser Waffen lagern oder Operationen planen. »Lavender« funktioniert ähnlich, zielt aber auf Personen, deren Zugehörigkeit zur Hamas oder des Palästinensischen Islamischen Dschihad mithilfe von KI prognostiziert wird. »Where’s Daddy« meldet schließlich, wenn die Zielpersonen ihre Familienhäuser betreten und die Luftwaffe sie angreifen kann. Alle drei Systeme durchforsten große Datenmengen aus verschiedenen Quellen, darunter Drohnen- und Satellitenüberwachung, soziale Medien und Telekommunikationsdaten.

Ende November hat sich die vom Berliner Disruption Network Lab organisierte Konferenz »Investigating the Kill Cloud« mit den IT-Firmen und ihren Beiträgen für militärische Programme beschäftigt. Ziel war es, die ethischen Probleme im Zusammenhang mit dem derzeitigen Einsatz von KI- und anderer Technologie zu beleuchten. Dabei ging es nicht nur um aktuelle Anwendungen in Israel oder der Ukraine, sondern auch um die vorangegangenen Erfahrungen der Drohnenkriegsführung der USA im »Krieg gegen den Terror«. Darüber berichtete die ehemalige Militäranalystin und heutige Whistleblowerin Lisa Ling. »Wie eine Computermaus ist die Kampfdrohne ein Peripheriegerät des Internets«, beschrieb Ling den Charakter der »Kill Cloud« mit einem Satz.

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