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Lindsey Vonn: Die Rückkehr der Speed-Queen
Bei ihrem Comeback im Ski-Alpin-Weltcup fährt die US-Amerikanerin auf einen starken 14. Platz
Die Siegerehrung war längst vorbei, fast alle Konkurrentinnen auf dem Weg ins Hotel. Nur eine junge Frau mit zwei Fellbommeln auf der weißen Strickmütze war noch im fast verwaisten Zielraum. Sie beantwortete die immer gleichen Fragen geduldig, schrieb Autogramme und stand auch zum 100. Selfie mit einem breiten Grinsen bereit. Sie schien gar nicht mehr fortzuwollen.
Lindsey Vonn war am Samstag die gefragteste Skirennläuferin beim ersten von zwei geplanten Super-G-Rennen in St. Moritz (das zweite am Sonntag musste aufgrund schlechter Wetterbedingungen abgesagt werden), gefragter noch als die drei Schnellsten, Cornelia Hütter aus Österreich, die Schweizerin Lara Gut-Behrami und Sofia Goggia aus Italien. Auf der gut besuchten Tribüne waren nicht nur viele Schweizer Fahnen zu sehen, sondern auch ein paar US-amerikanische – und extra für das Comeback der nach Mikaela Shiffrin erfolgreichsten Skirennläuferin entworfene Plakate: »Lindsey, you inspire us all«, Lindsey, du inspirierst uns alle, stand auf einem. Auf einem anderen: »Wir glauben an dich.«
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Vermutlich wäre Vonn auch lachend und beschwingt von Mikrofon zu Mikrofon spaziert, wenn ihr Comeback nicht ganz so reibungslos gelaufen wäre. Doch nach ihrer sechsjährigen Pause zeigte die US-Amerikanierin sofort, dass sie immer noch mit der Weltspitze mitfahren kann. Vonns 14. Platz mit 1,18 Sekunden Rückstand auf Siegerin Hütter ist auch deshalb hoch einzuschätzen, weil die Piste nach 30 Läuferinnen in einigen Passagen schon etwas gelitten hatte. Nach der Startnummer 20 hatten es nur noch wenige Athletinnen in die Weltcup-Punkte geschafft, darunter Emma Aicher vom SV Mahlstetten, die Sechzehnte wurde.
»Das war nur der Anfang«, verkündete Vonn entsprechend selbstbewusst nach dem Rennen am Samstag und klang schon fast wieder wie jene Skirennläuferin, die sie früher einmal gewesen war. Vor ihrer schweren Knieverletzung hatte es die Amerikanerin wie kaum eine Athletin so perfekt geschafft, die Grenzen in den schnellen Disziplinen auszuloten. Insgesamt 82 Weltcup-Siege gelangen ihr, 23 davon schaffte sie sogar mit lädiertem Knie.
Davon ist sie nun aber noch ein Stück entfernt. »Ich muss Geduld haben, auch wenn das nicht meine Stärke ist.« Sich zurückzunehmen auf der Piste, das musste sie erst lernen, als sie in den vergangenen Monaten an ihrem Comeback arbeitete. In St. Moritz ist ihr das perfekt gelungen. Sie sei »gemütlich runtergefahren«, habe »nicht viel riskiert«, erklärte Vonn. »Heute war mein Hauptziel, ins Ziel zu kommen.« Demnächst ist das nicht mehr genug. Noch müssten die Konkurrentinnen nicht nervös werden, sagte sie, »aber ich denke in ein paar Rennen«.
Wer Lindsey Vonn an diesem Samstag bei strahlendem Sonnenschein auf der Corviglia erlebt hat, ist geneigt zu sagen, sie ist wieder dort angekommen, wo sie vor sechs Jahren Abschied nehmen musste. Unfreiwillig, weil das ramponierte Knie nicht mehr mitspielte. Anders als beispielsweise Maria Höfl-Riesch hatte sie den Zeitpunkt des Karriereendes nicht selbst gewählt, sondern der Körper hatte ihn bestimmt. Sie war deshalb noch nicht fertig, damals 2019 in Are. »Dieses Adrenalin, die Geschwindigkeit, das Risiko wieder zu spüren«, schwärmte Vonn, mache sie glücklich. »Das spürst du niemals so im Leben, nur am Start eines Speed-Weltcups.«
Seit April hat sie einen Teilersatz im rechten Knie, einen Titan-Überzug über den Gelenkknochen. Damit kann sie nicht nur wieder problemlos gehen und laufen, sondern auch wieder Skifahren auf Weltcupniveau. Das Risiko, erklärte der frühere Mannschaftsarzt des Deutschen Skiverbandes, Ernst-Otto Münch, sei nicht besonders groß und das Comeback keinesfalls verantwortungslos. Der Orthopäde und Kniespezialist aus Garmisch-Partenkirchen hat durch Kontakte zu früheren Kollegen die Röntgenbilder des operierten Knies gesehen.
Auch Vonns operierende Ärzte hatten keine Bedenken, als sie von ihren Comeback-Plänen berichtete. Da sie schmerzfrei sei, beim Skifahren wie im Alltag, denke sie nicht mehr über ihr Knie nach. »Zum ersten Mal seit meinem ersten Kreuzbandriss 2013« müsse sie das nicht mehr machen, sondern könne sich ganz darauf konzentrieren, »wie ich fahren sollte«, freute sich Vonn. Auch dass sie mit 40 die älteste Skirennläuferin ist, sei für sie eher Herausforderung als Hindernis: »Nur weil es noch keine probiert hat, bedeutet es doch nicht, dass es nicht funktioniert.« Lindsey Vonn ist dabei zu beweisen, dass Alter und schwere Verletzungen nicht vor sportlichem Erfolg schützen.
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