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Vierschanzentournee mit Eierlikör und Ernüchterung
Während Team Austria den dritten Sieg bei der Vierschanzentournee feiert, enttäuschen die deutschen Skispringer auch in Innsbruck
Eigentlich wollten Deutschlands Skispringer im September auf der Schanze von Bischofshofen trainieren. Dort, wo am Montag das große Finale der Vierschanzentournee (ab 16.30 Uhr live im ZDF und bei Eurosport) über die Bühne geht. »Aber dann sind uns die Böhsen Onkelz mit einem Konzert dazwischengekommen«, erzählte der letztjährige Zweite Andreas Wellinger während der Tournee.
Inzwischen ist klar, dass die Terminkollision während der Vorbereitung keine Probleme verursachen wird: Die deutschen Flieger mit dem als Topfavorit angetretenen Pius Paschke sind nur chancenlose Nebendarsteller beim letzten Wettbewerb des Skisprung-Grand-Slams. Die Hauptrollen beim dramatischsten Tournee-Endkampf aller Zeiten spielen die »drei Musketiere« aus Österreich. Skiflug-Weltrekordler Stefan Kraft führt nach seinem Triumph am Samstag in Innsbruck mit 0,6 Punkten Vorsprung (umgerechnet 33 Zentimeter) vor seinem Landsmann Jan Hörl, der wiederum 1,3 Zähler (umgerechnet 72 Zentimeter) vor Daniel Tschofenig liegt.
Acht von neun Podestplätzen gehen an Österreich
»Die spannendste Tournee der Geschichte« hatte TV-Experte Sven Hannawald bereits vor dem Start des weltweit wichtigsten Skisprung-Events angekündigt. Im Kopf hatte der letzte deutsche Tourneesieger dabei das Duell der Gastgeberländer zwischen den Österreichern und den Deutschen um den so formstarken Pius Paschke. Ein Irrtum, so viel steht mittlerweile fest.
Der Münchner, der vor der Tournee fünf von zehn Weltcups gewann, liegt vor dem Finale bereits uneinholbare 22 Meter hinter Stefan Kraft zurück. In den drei Tourneespringen gab es keinen einzigen deutschen Podestplatz. Dafür am Samstag am Bergisel mit nur drei Deutschen im Finale und Platz acht für Paschke ein echtes Debakel.
Die Österreicher feierten vor 22 500 Fans im Hexenkessel dagegen einen überragenden Dreifachsieg, haben damit acht von neun möglichen Plätzen bei den Tournee-Siegerehrungen der letzten Tage abgesahnt. Das Austria-Trio ist auf dem besten Weg, nach 50 Jahren Pause den historischen zweiten Dreifach-Tourneegesamtsieg der Geschichte für Österreich zu feiern. Und was taten sie als Vorbereitung auf das Finale in Bischofshofen?
Lasagne und Eierlikör als Belohnung
»Ich habe mir erst mal mein Lieblingsessen Lasagne bestellt, schließlich hat sich heute ein Kindheitstraum erfüllt« erklärte Routinier Kraft nach seinem ersten Tournee-Sieg am Bergisel mit Tränen in den Augen: »Dahoam ist es am schönsten, heute waren 20 Leute und meine Frau für mich da.« Die hatte ihm auch neuen Treibstoff mitgebracht: »Eierlikör«. Damit gab der 31-jährige Ausnahmeathlet, der seit einem Jahrzehnt zur Weltspitze der Skiflieger gehört und alle wichtigen Titel gewonnen hat, auf dem Weg in den Finalort eine Runde im Teambus aus.
Oben auf der Schanze hatte Kraft vor seinem entscheidenden Sprung noch gemeinsam mit seinen jüngeren Austria-Konkurrenten Tschofenig (22) und Hörl (26) den Hit »Sweet Caroline« mitgeschmettert, den die Fans unten in der Arena lautstark sangen. Mit dieser Lockerheit schweben die Österreicher durch die Tournee, saugen Energie aus der Begeisterung der Zuschauer und geben fröhlich und geduldig Interviews und Autogramme. Schummel-Vorwürfe der Konkurrenz in Sachen Wunderanzüge und Material werden cool gekontert – in Innsbruck wurden die Bindungen der Austria-Überflieger nach der Landung plötzlich mit Mützen bedeckt.
Deutsche Skispringer verkrampfen
»Der Schmäh stimmt bei uns – genau wie alles andere: Teamspirit, Material, springerische Leistung. Trotzdem weiß ich selbst nicht so recht, was da momentan gerade abgeht«, zeigte sich auch Österreichs Erfolgstrainer Andreas Widhölzl nach dem nächsten Dreifachsieg seiner Schützlinge etwas ratlos. Wer von seinen »drei Musketieren« letztlich den ersten Austria-Tourneesieg seit Stefan Krafts Triumph vor einem Jahrzehnt feiern wird, wollte er auch nicht voraussagen: »Am liebsten wäre mir, wenn alle drei ex aequo oben stehen würden«. Tagesform und die besten Nerven würden entscheiden. Für Kraft spricht seine einzigartige Erfahrung, für Hörl das Springen auf seiner Heimschanze in Bischofshofen, für Tschofenig die jugendliche Unbekümmertheit.
Bei den deutschen Fliegern läuft derweil die Ursachenforschung, warum sie wieder einmal bei der Tournee versagt haben. »Das hat verkrampft ausgesehen, nicht locker und frei«, analysierte Bundestrainer Stefan Horngacher nach dem Springen in Innsbruck: »Da war Druck drauf – und manchmal geht der Schuss dann nach hinten los.« Fest steht, dass der vom Bundestrainer ausgegebene »Abschottungs-Kurs« mit möglichst wenig Medienterminen und Kontakt zu den Fans krachend gescheitert ist.
»Wenn es Richtung Tournee geht werden sie fest und fester. Sie müssten diese Atmosphäre einfach mal aufsaugen, Gänsehaut und Adrenalin zulassen – so wie es die Österreicher tun. Das ist ein mentales Thema und dann heißt es auf Wiedersehen«, kritisierte Experte Hannawald in Innsbruck. Oder wie es Austria-Goldschmied Widhölzl ausdrückt: »Wenn ich keinen Bock auf Medien und Fans habe, dann habe ich bei der Tournee ein Problem.«
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