Nach Kubas schwarzem Jahr

Die kubanische Energiekrise prägte 2024. Ein neuer Wirtschaftsplan soll die Stromversorgung stabilisieren

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 4 Min.
Im vergangenen Jahr tauchte das Graffiti »Du musst glücklich sein« an immer mehr Wänden in Havanna auf.
Im vergangenen Jahr tauchte das Graffiti »Du musst glücklich sein« an immer mehr Wänden in Havanna auf.

Mit 21 Artilleriesalven von der Festung San Carlos de la Cabaña verabschiedete Kubas Hauptstadt Havanna in der Neujahrsnacht das Jahr 2024. Hinter dem Karibikstaat liegt ein äußerst schwieriges Jahr, geprägt durch die sich verschärfende Wirtschafts-, Versorgungs- und Energiekrise. »2024, das schwärzeste Jahr«, schrieb ein kubanisches Onlinemedium in Anspielung auf die täglichen Stromabschaltungen und die drei landesweiten Blackouts.

Zudem beutelten zwei schwere Wirbelstürme und Erdbeben die Insel. Der wichtige Devisenbringer Tourismus blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Die Wirtschaft schrumpfte; die anhaltende Auswanderungswelle macht sich zunehmend im Gesundheits- und Bildungssystem sowie anderen Bereichen bemerkbar – überall fehlen Fachkräfte. Und in vielen Ecken Havannas türmt sich der Müll.

In seiner Neujahrsbotschaft dankte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel den Kubanern dennoch »für ihren Heldenmut« und motivierte seine Landsleute, sich mit Blick auf das vergangene Jahr nicht an Hindernisse und Mangel zu erinnern, sondern an Erfolgserlebnisse: wie der »fortgesetzte Widerstand gegen die US-Blockade«, betonte er in einem Video zu einer Parlamentssitzung im sozialen Netzwerk X, vormals Twitter. Würde man die Kubaner fragen, was sie vorhätten, würden sie sagen, dass »sie ›im Kampf‹, ›im Gefecht‹, ›in der Auseinandersetzung‹ sind, ohne zu jammern, ohne in die Knie zu gehen, obwohl das mächtigste Imperium der Geschichte ihrem geliebten Land seit mehr als 60 Jahren kaltblütig und mit völliger Perversität das Recht auf Wohlergehen verweigert«, so Díaz-Canel.

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In derselben Parlamentssitzung hatte die Regierung zuvor eine Bilanz des abgelaufenen Haushaltsjahres gezogen und Pläne zur Linderung der Wirtschaftskrise vorgestellt. Premierminister Manuel Marrero zeigte sich dabei unzufrieden mit den »begrenzten Fortschritten« des vor einem Jahr an gleicher Stelle präsentierten makroökonomischen Stabilisierungsprogramms. Es sieht den Abbau von Subventionen sowie Ausgabenkürzungen vor. Laut Marrero soll Kubas Wirtschaft im Jahr 2025 weiter dollarisiert werden. Im Groß- und Einzelhandel sowie im Zoll darf künftig mit der Fremdwährung gezahlt werden, auch Dienstleistungen im Außenhandel mit nicht staatlichen Wirtschaftsakteuren sollen in Dollar vergütet werden.

Überdies wird die Annahme von Bargeld in Devisen in Tourismuseinrichtungen, internationalen Kliniken und auf Flughäfen ausgeweitet. Marrero kündigte auch eine Neugestaltung des offiziellen Devisenmarktes an, mit einem flexiblen Wechselkurs, der sich an Angebot und Nachfrage orientieren soll. Einzelheiten nannte er nicht. Derzeit existieren auf Kuba drei Wechselkurse – zwei offizielle und ein informeller – mit entsprechenden Verzerrungen für die Wirtschaft.

Für 2025 geht die Regierung von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von einem Prozent aus. Diese Zahl nannte Kubas Wirtschaftsminister Joaquín Alonso Vázquez bei der Vorstellung des Wirtschaftsplans zur Ankurbelung der Produktion gegenüber dem Parlament. Die Projektion stützt sich auf eine Erholung des Tourismussektors. Nach rund 2,2 Millionen Besuchern im Jahr 2024 strebt die kubanische Regierung für dieses Jahr 2,6 Millionen Touristen an.

Vor der Pandemie verzeichnete der Inselstaat jährlich noch mehr als 4,5 Millionen Reisende. Derweil streicht Condor die Karibikinsel aus dem Sommerflugplan. Ab Anfang Mai wird es keine direkte Flugverbindung aus Deutschland nach Kuba mehr geben. Die Fluglinie begründete den Schritt mit »wirtschaftlicher Notwendigkeit«.

Neben einer Erholung des Tourismus strebt der Wirtschaftsplan die Wiederbelebung produktiver Sektoren wie Landwirtschaft und Industrie, die Steigerung der Deviseneinnahmen aus Exportgütern und eine Stabilisierung der Stromversorgung an. Energieminister Vicente de la O Levy beschrieb die Situation des nationalen Energiesystems vor der Nationalversammlung als katastrophal. Die Verfügbarkeit des Systems habe im Jahr 2024 »den niedrigsten Stand seit 2019 erreicht«.

Zuletzt produzierte Kuba gerade etwas mehr als die Hälfte der benötigten Strommenge.

Zuletzt produzierte Kuba gerade etwas mehr als die Hälfte der benötigten Strommenge. Angesichts dessen musste die Regierung anerkennen, dass ein baldiges Ende der Stromausfälle praktisch unmöglich ist. Ihr Versprechen auf Besserung verlagerte sie auf mittel- und langfristige Pläne zum Ausbau erneuerbarer Energien. De la O Levy verwies auf den mit chinesischer Unterstützung begonnenen Bau von 92 Solarparks mit einer Gesamtleistung von 2000 Megawatt bis 2028, von denen voraussichtlich 55 in diesem Jahr verfügbar sein werden.

Ferner beinhaltet das Regierungsprogramm die Sanierung der Stromnetze, die Gewährleistung einer stabilen Versorgung mit Brennstoff sowie Stromsparmaßnahmen. Aktuelle Engpässe sollen durch einen russischen 60-Milliarden-Dollar-Kredit für Treibstoff behoben werden, wie der kubanische Botschafter in Russland, Julio Antonio Garmendía, ankündigte.

Aber auch 2025 werde »das komplexe Szenario fortbestehen, in dem sich die kubanische Wirtschaft bisher entwickelt hat«, warnte Wirtschaftsminister Alonso – wohl nicht zuletzt angesichts der Unwägbarkeiten einer neuerlichen Trump-Präsidentschaft in den USA. Kuba steht vor einem weiteren sehr schwierigen Jahr.

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