Ein Päckchen zu tragen

Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post starten unter erschwerten Bedingungen

Oft überarbeitet: Die Gewerkschaft Verdi fordert in der anstehenden Tarifverhandlung Entlastung für die Beschäftigten der Post.
Oft überarbeitet: Die Gewerkschaft Verdi fordert in der anstehenden Tarifverhandlung Entlastung für die Beschäftigten der Post.

Am Mittwoch beginnen die Verhandlungen für die 170 000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post AG. Verdi fordert unter anderem sieben Prozent mehr Lohn, drei zusätzliche Urlaubstage und einen weiteren nur für Gewerkschaftsmitglieder. Die vorgeschlagene Laufzeit von zwölf Monaten liegt im Mittelfeld der jüngsten Tarifforderungen.

»Die zusätzlichen Urlaubstage sind dringend notwendig für den Gesundheitsschutz der Kolleginnen und Kollegen, der Krankenstand liegt auf Rekordhöhe«, erklärte Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. »Und nur mit deutlichen Lohnsteigerungen lassen sich die noch immer hohen Kosten und Lebensmittelpreise bewältigen.«

Die DHL Group, Dachkonzern der Post, lehnt den Vorstoß der Gewerkschaft ab. Auf Anfrage verweist ein Konzernsprecher auf das »schwierige wirtschaftliche Umfeld« und betont: »Beschäftigungssicherung steht an erster Stelle«. Die aber sei nur möglich, wenn »die Balance zwischen Lohnsteigerungen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit« stimmt. Neben einer Lohnerhöhung von 11,5 Prozent nach der letzten Tarifrunde bereiteten fehlende Spielräume für Preissteigerungen Probleme. »Die Forderung ignoriert diese Tatsachen«, heißt es.

30 Jahre Privatisierung

Noch zum Jahreswechsel feierte sich der Konzern nach 30 Jahren Privatisierung selbst. »Mit einem Umsatz von etwa 82 Milliarden Euro und fast 600 000 Beschäftigten ist die DHL Group heute der weltweit führende Logistikdienstleister.« Mit der zweiten Postreform wurde die Privatisierung des Staatsunternehmens 1995 eingeleitet.

Zudem verbuchte der Konzern im dritten Quartal 2024 mit 20,6 Milliarden Euro ein Umsatzplus von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das operative Ergebnis (Ebit) blieb mit 1,37 Milliarden Euro stabil. Tobias Meyer, geschäftsführender Vorstand, sagte dazu: »Wir konnten beim Umsatz zulegen und beim Ebit eine Trendwende einleiten.«

Verdi mobilisiert an der Basis

Die Gewerkschaft stützt ihre Tarifforderungen dagegen auf eine Befragung von 45 000 Beschäftigten, etwa ein Viertel der Belegschaft. Neben Betriebsräten suchten auch Vertrauensleute das Gespräch in den Standorten. Die ehrenamtlichen Aktiven vermitteln im Betrieb zwischen Gewerkschaft und Basis. Die Beteiligung an Tarifbefragungen stieg in den letzten Jahren. 2018 nahmen 36 000 Beschäftigte teil, bei der letzten Runde waren es 43 000.

Neu bei diesen Verhandlungen ist, dass Gewerkschafter*innen durch Ansprachetrainings vorbereitet wurden. Doch die Zeit hat nicht gereicht, um mit allen ins Gespräch zu kommen, heißt es aus aktiven Gewerkschaftskreisen. Viele Beschäftigte seien überarbeitet. Mit Blick auf die Forderungen höre man in der Belegschaft weder ablehnende noch euphorische Töne.

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Laut interner Umfrage, die »nd« vorliegt, halten 54 Prozent die Lohnforderung für angemessen. Ein Viertel wäre auch mit sechs Prozent zufrieden. Derzeit verdienen Berechnungen von Verdi zufolge knapp 90 Prozent der Tarifbeschäftigten bei der Post zwischen 2448 und 3430 Euro brutto – unter dem Medianlohn von 3641 Euro.

Bundestagswahl erschwert Verhandlungen

Die diesjährigen Verhandlungen finden unter schwierigen Bedingungen statt. Arbeitskämpfe könnten mit den Vorbereitungen zur Bundestagswahl kollidieren. Die Deutsche Post ist für die Zustellung der Briefwahlunterlagen zuständig.

»Das wird eine riesige Herausforderung, weil der Arbeitgeber uns Demokratieschädigung vorwerfen wird«, sagt die Post-Beschäftigte und Vertrauensperson Katharina (Name liegt der Redaktion vor). Dadurch dürften Streiks in der Zeit schwieriger zu legitimieren sein.

Auf Anfrage betont ein Verdi-Sprecher dazu, dass »jegliche Streikmaßnahmen selbstverständlich die Durchführung der Bundestagswahl nicht beeinträchtigen werden«. Zu Planungen über mögliche Arbeitskampfmaßnahmen will man sich indes nicht weiter äußern.

Und auch der Konzern zeigt sich zuversichtlich. »Trotz kurzer Vorbereitungszeit stellen wir uns schnell und akribisch auf die vorgezogenen Bundestagswahlen ein«, heißt es. Indem etwa zusätzliches Personal angeheuert wird. »Die Brieflogistik rund um die Bundestagswahlen ist voll funktionsfähig, auf die Deutsche Post ist Verlass«, versichert das Unternehmen. Und man wolle »konstruktiv in die Verhandlungen gehen.«

Alte Wunden

Für Verdi könnte schwierig werden, dass einige aktive Gewerkschafter*innen noch die Wunden der letzten Tarifrunde spüren. Damals stimmten die Post-Beschäftigten mit großer Mehrheit für einen unbefristeten Streik. Dennoch entschied man sich dafür, weiterzuverhandeln. »Nachdem das ein Ergebnis brachte, haben wir eine zweite Urabstimmung durchgeführt – und dabei hat sich eine große Mehrheit für die Annahme des Ergebnisses ausgesprochen«, erklärt ein Gewerkschaftssprecher auf nd-Anfrage.

»Das war Murks«, findet Gewerkschafterin Katharina. »Wir organisierten eine Urabstimmung, die viel Kraft kostete. Viele wollten streiken.« Doch in der Hochphase habe man die Seile durchgeschnitten. Am Ende kam zwar ein gutes Ergebnis heraus. »Aber ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Abstimmung der Kollegen ernst genommen wird.« Nun sei es wichtig, dass »man den Fehler anspricht und glaubhaft vermittelt, dass es nicht noch mal passiert.«

Neben den Tarifforderungen geht es derzeit auch um die Beschränkung von Paketgewichten. Ein aktueller Gesetzentwurf sieht vor, dass Pakete von mehr als 23 Kilogramm durch zwei Personen zugestellt werden müssen. »Pakete zustellen ist und bleibt Schwerstarbeit«, erklärt Kocsis von Verdi. Auch die DHL Group begrüßt das Vorhaben, fordert aber eine konsequente Überwachung in der gesamten Branche.

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