Beete und Beton in Berlin

Grünanlagen sind im Zuge einer undemokratischen Stadtentwicklung gefährdet

  • Hannah Blumberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Kleingärten in Berlin müssen ohne rechtliche Absicherung bereits städtischen Bauvorhaben weichen.
Kleingärten in Berlin müssen ohne rechtliche Absicherung bereits städtischen Bauvorhaben weichen.

In einer Stadt wie Berlin Demokratie im Alltag zu fordern, kann sich schnell in abstrakten Begriffen verlieren. Der unmittelbarste Weg zur konkreten Umsetzung sozialer Forderungen ist auch hier die Gestaltung des Lebensraums. Was auf dem Land etwa Agrargenossenschaften leisten, setzt in Berlin die Stadtentwicklung um. Oder eben nicht mehr. Mit Blick auf das Ende Dezember beschlossene Schneller-Bauen-Gesetz sind viele nachbarschaftlich genutzte Grünflächen in Gefahr. Allen voran die Kleingartenanlagen.

Bebauungspläne und Innenentwicklungskonzepte mobilisieren Flächen für eine mögliche Bebauung, die bisher unter Schutz standen. Bausenator Christian Gaebler (SPD) stellt zunehmend auf eine Nachverdichtung um. Katalin Gennburg von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus nennt das Schneller-Bauen-Gesetz »einen Großangriff auf die grüne Infrastruktur Berlins.« Stadtentwicklung sei mehr als Wohnen, sagt sie, die bebaute Stadt immer nur so gut, wie sie mit den Menschen weiterplane, die sie bereits nutzen. »Wir brauchen ökologische, grüne Nahversorgungsorte, wir brauchen Begegnungsorte, wir brauchen eine Stadt, in der wir uns gut bewegen und versorgen können im Alltag.«

Gerade Kleingartenanlagen verbinden soziale Ansprüche mit ökologischen. Im Wandel der Zeit entwickeln sie sich mehr und mehr zu offenen Orten, sind Vernetzungsräume zwischen Parks und weiteren Freiräumen. In der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Abgeordnetenhaus wird auf Schau- und Lehrgärten, interkulturelle Gärten und grüne Klassenzimmer verwiesen.

»Wegner labert nur und liefert nicht, während die Kleingärtner akut bedroht sind.«

Katalin Gennburg
Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Kleingärten gelten nicht mehr als Ausdruck von Spießertum. Als Hoffnungsträger einer gemeinschaftlich grünen Stadtentwicklung sind sie allerdings ebenfalls passé, zumindest wenn die »Betonideologie« nicht gestoppt wird, wie Gennburg fordert. In ihrem Bezirk Treptow-Köpenick beobachtet Gennburg die Bedrohung von Kleingartenflächen derzeit am Beispiel des Innenentwicklungskonzepts Plänterwald. Vier Anlagen wären von einer geplanten Nachverdichtung betroffen. Seit 1990 sind hier über die Jahre Versorgungsstrukturen verloren gegangen. »Wenn jetzt erneut die Kleingärten zur Disposition gestellt werden, dann brennt der Ortsteil«, sagt Gennburg.

Den Schutz aller Kleingärten und ein Ende von Grünflächenversiegelung forderte die Linksfraktion vor Jahren. Das damals entworfene Kleingartenflächensicherungsgesetz böte endlich Schutz für die Anlagen. Es scheiterte an eigentumsrechtlichen Bedenken. Unter der schwarz-roten Koalition gehe die »Kleingartenvernichtung« entgegen den Beteuerungen weiter, sagt Gennburg. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) »labert nur und liefert nicht, während die Kleingärtner akut bedroht sind«, kritisiert sie. Zudem prüften CDU und SPD nur die Sicherung auf Landesflächen. Ein Fünftel der Kleingartenanlagen liegt allerdings auf privaten Flächen.

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Das Bezirksamt Neukölln hält in Bezug auf den Erwerb von Gartenanlagen aus privatem Besitz einen politischen Handlungsauftrag für erforderlich. Nicht nur an der Umsetzung eines rechtlichen Rahmens scheitert es bisher, sondern auch an der Bürgerbeteiligung. Dazu sagt die oppositionelle Abgeordnete Gennburg, gefragt sei nicht allein mehr Information, sondern tatsächliche Partizipation. »Dieser Senat fällt wirklich in die Kaiserzeit zurück«, urteilt sie.

Dabei sind Kleingartenanlagen nicht nur wertvoll für biologische Vielfalt, sind nicht nur Heimat etwa von Teichmolch oder Zauneidechse. Gennburg weiß noch etwas Entscheidendes hinzuzufügen. »Diese ganze Frage der Stadtentwicklung ist Demokratie im Alltag«, sagt sie. Es gehe um Transparenz, um Beteiligung, um Teilhabe an der Stadtplanung von morgen – und darum, »dass die Menschen entlang ihrer Bedarfe entscheiden, wie die Stadt bebaut ist«. Das zu unterbinden, sei einfach demokratieschädigend.

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