Ein Jahr nach »Heibo«: Moorschutz auch ohne Baumhäuser

In einer Heidelandschaft bei Dresden wehren sich Ehrenamtliche gegen Naturzerstörung durch Kiesabbau

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Kiesabbau (links) und Rodungen zerstören die Moor- und Heidelandschaft bei Dresden
Kiesabbau (links) und Rodungen zerstören die Moor- und Heidelandschaft bei Dresden

Das Pflänzchen, das Jörg-Andreas Krüger zwischen spitzen Fingern hält, ist zart und unscheinbar. Der Präsident des deutschen Naturschutzbundes Nabu hat sich ein Stück Torfmoos von einer Fläche gegriffen, auf der auch Erlen zwischen Wasserlachen stehen. Letztere sind wertvoll, aber das Torfmoos sei »eine Zauberpflanze«, sagt Matthias Schrack, der Krüger in den Wald geführt hat: »Sie nimmt bis zum 20-fachen ihres Gewichts an Wasser auf, und wenn sie abstirbt, bildet sich Torf.«

Torfbildung ist ein wesentliches Merkmal von Mooren, die zu den wertvollsten, aber zugleich gefährdetsten Landschaftsformen in Deutschland gehören. In einer Heidelandschaft bei Großdittmannsdorf nordöstlich von Dresden sind sie noch großflächig vorzufinden – und mit ihnen viele seltene Tier- und Pflanzenarten, sagt Schrack, der die örtliche Nabu-Fachgruppe leitet. In den in 8500 Jahren gewachsenen Biotopen seien Moorfrosch, Moosbeere oder Raufußkauz anzutreffen – und die Kreuzotter: »Unseres ist das stärkste Vorkommen der Art, die aus Sachsens Tiefland gerade verschwindet«, sagt er.

Schracks Gruppe, die bald 50-jähriges Bestehen feiert, engagiert sich für den Schutz der sogenannten Waldmoore. Eigentlich sind die Bedingungen günstig. 1998 konnte der Nabu vom Bund eine 25,5 Hektar große Fläche kaufen, auf der Ehrenamtliche sich jetzt zum Beispiel um die Wiedervernässung von Flächen kümmern, auf denen einst Torf abgebaut wurde. Künstliche Hindernisse in Gräben sorgen dafür, dass der Boden permanent durchfeuchtet ist und das Torfmoos wieder floriert.

Die Arbeit der Ehrenamtler droht allerdings durch Aktivitäten auf riesigen Flächen in direkter Nachbarschaft zerstört zu werden. Dort wird in vier Abbaugebieten mit zusammen fast 800 Hektar Fläche Kies gefördert oder dessen Abbau vorbereitet. Dadurch wird zum einen der Wasserhaushalt massiv beeinträchtigt. Zudem werden die Gruben anschließend als Deponien genutzt, in denen auch Bauschutt, Plastik und Chemikalien landen. Die Zuflüsse zum Moor sind, wie Messungen des Nabu zeigen, stark mit Schadstoffen belastet. Beides gefährdet die Biotope akut, sagt Schrack. Das sei, sagt Nabu-Präsident Krüger, um so fataler, als die Zerstörung von Mooren schon jetzt für sieben Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist, der zweitgrößte Einzelfaktor nach der Energieerzeugung: »Auch der Klimaschutz gebietet es, Moore zu schützen«, sagt er.

Vor einiger Zeit suchten Aktivisten der Klimabewegung auf die örtlichen Probleme aufmerksam zu machen: durch eine Waldbesetzung auf einer vom Kiesbergbau bedrohten Fläche. Nachdem die Öffentlichkeit davon lange kaum Notiz genommen hatte, gab es bei der mit schwerem Gerät von der Polizei durchgeführten Räumung der Baumhäuser im »Heibo« im vergangenen Februar 2024 bundesweite Schlagzeilen. Die Fläche wurde anschließend gerodet.

Matthias Schrack war über die Besetzung nicht sonderlich glücklich. »Das hat zur Spaltung der Bevölkerung geführt«, sagt er und fügt an, er und seine Mitstreiter bevorzugten Aktionen »im Sinne des Rechts«. Sie arbeiten sich durch Tausende Seiten dicke Planungsdokumente, geben fundierte Stellungnahmen dazu ab, beauftragen Gutachten, die sie den aus ihrer Sicht parteiischen Expertisen des Bergbauunternehmens, der Kieswerk Ottendorf-Okrilla GmbH (KBO), entgegenstellen. Immer wieder ziehen sie vor Gericht, zuletzt im Dezember per Eilantrag gegen die Verkippung bestimmter Stoffe in einer Deponie.

Während die Heibo-Aktivisten ihren Protest vor allem an KBO adressierten, bescheinigt Matthias Schrack dem Unternehmen legitime wirtschaftliche Interessen. Allerdings stünden ihnen Belange von Natur-, Arten- und Biotopschutz entgegen, die aus seiner Sicht gewichtiger sind. Die Abwägung sei Angelegenheit des sächsischen Oberbergamts. Dieses sei in der Kontroverse aber immer wieder der Argumentation des Unternehmens gefolgt, auch wenn beispielsweise Naturschutzbehörden vehement vor den Gefahren von Kiesabbau und Deponierung gewarnt hätten. Das Agieren der Bergbehörde trage »zur Frustration in der Bevölkerung bei«, sagt Schrack. Es richtet zudem unwiederbringlichen Schaden an, ergänzt Nabu-Präsident Krüger: »Moore sind nicht zu ersetzen und nicht wiederherzustellen.«

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