Emmauswald in Neukölln: Kahlschlag gegen Zahlung

Neukölln größter Wald ist weiter von Rodung bedroht – dafür könnte es nicht einmal Ersatzpflanzungen geben

Auch ein Bewohner Neuköllns: Ein streng geschützter Habicht im Emmauswald
Auch ein Bewohner Neuköllns: Ein streng geschützter Habicht im Emmauswald

Berlin hat eigentlich viel Wald. Rund 18 Prozent der Fläche des Landes sind bewaldet, aber diese sind ziemlich ungleich verteilt. Neukölln etwa gilt mit nur rund einem Prozent Waldfläche als besonders waldarm. Der Emmauswald, nahe der S-Bahn-Station Hermannstraße, macht davon gut ein Drittel aus – droht aber gerodet zu werden. Die zum Immobilienriesen Vonovia gehörende Buwog will dort 600 Wohnungen bauen. Möglicherweise muss der Immo-Konzern nicht einmal für Ausgleichsflächen für den Verlust an Stadtgrün sorgen. Das geht aus der Antwort des Bausenats auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg und Ferat Koçak hervor.

Aktuell wird als nächster Verfahrensschritt die Öffentlichkeitsbeteiligung vorbereitet, so der Senat. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Umwandlung von Wald- zu Baugebiet hat die Verwaltung nicht. Solange eine vollständige »forstrechtliche Kompensation zum Ausgleich der nachteiligen Wirkung« festgesetzt werde, könne auch auf Grundstücken, auf denen sich Wald befindet, rechtssicher Wohnbaufläche festgesetzt werden. Wie diese forstrechtliche Kompensation aussehen könnte, zeigt sich an einem anderen Bauprojekt. Für das Projekt Campus II in Adlershof musste ein Teil eines Kiefernwaldes weichen. Anstatt aber eine Ersatzpflanzung vorzunehmen, wurde der Naturverlust durch Geld ausgeglichen. Eine Walderhaltungsabgabe von 48 900 Euro sei an die Berliner Forsten gezahlt worden, erläutert die Senatsverwaltung.

Die Neuköllner*innen hätten allerdings weder von einer Ausgleichsfläche irgendwo in der Stadt noch von einer Zahlung an die Berliner Forsten etwas. Deswegen hatte sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln eigentlich auch gegen eine Weiterführung des Projekts entschieden. Der Senat allerdings nahm im September 2023 die Planungshoheit an sich, um den Wohnungsbau weiterzutreiben. Das Bauprojekt sei »im Gesamtinteresse des Landes Berlin«, hieß es vom Senat.

Wie Judith König, von der Initiative »Emmauswald bleibt« »nd« berichtet, hat der Wald lokal aber eine große Bedeutung. »Insgesamt gibt es drei Kitas und eine Schule um den Wald herum, die den Wald als grünes Klassenzimmer nutzen«, so König. Auch Altenheime würden den Wald, nicht zuletzt wegen des kühlen Mikroklimas nutzen – im Sommer hat die Initiative dort bis zu acht Grad niedrigere Temperaturen, als auf der direkt anliegenden Hermannstraße gemessen. »Man muss nur einmal in den Wald gehen, um zu sehen, wie viele Leute ihn nutzen.«

Sollte der Wald tatsächlich gerodet werden, befürchtet König, dass kein gleichwertiger Ersatz geschaffen werden könnte. »Angesichts des Klimawandels ist es schwierig, einen Laubmischwald, wie er hier steht, wachsen zu lassen. Dafür ist es zu heiß.« Der Emmauswald mit seinen bis zu 250 Jahre alten Bäumen sei deswegen ein »Geschenk der Zeit«. In Neukölln gebe es mehr Parkflächen als Grünflächen, führt König weiter aus. »Wir brauchen hier eigentlich mehr Grün. Das sollte den Bürger*innen zustehen.«

Dass der Senat, trotz des gegenteiligen Beschlusses der BVV weiter auf die Abholzung des Emmauswaldes hinarbeite, sei wenig demokratisch, sagt der Neuköllner Linke-Abgeordnete Ferat Koçak zu »nd«. Koçak will bei der Bundestagswahl im Februar das Direktmandat in Neukölln gewinnen. »Dass man einen Wald abholzt und am Ende dafür eventuell einfach Geld zahlt, ist klima- und umweltpolitisch unsinnig«, so Koçak weiter. Orte wie der Emmauswald seien in einer immer heißer werdenden Stadt besonders wichtig. »Deswegen werden wir uns gegen die Abholzung auf jeden Fall weiter wehren.«

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