Alice-Salomon-Hochschule: Kritik und Lob für Präsidium

Nach antiisraelischer Besetzung: Scharfe Kritik an Alice-Salomon-Hochschule, aber auch Unterstützung

»No Place for Zionism«: Besetzer an der Alice-Salomon-Hochschule protestieren gegen Israel.
»No Place for Zionism«: Besetzer an der Alice-Salomon-Hochschule protestieren gegen Israel.

Nach der Besetzung eines Hörsaals der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Hellersdorf durch antiisraelische Aktivisten stellen sich jüdische Hochschulangehörige hinter die Hochschulleitung. »Wir stehen voll und ganz hinter der Entscheidung des Präsidiums, die Besetzung und die damit verbundenen Äußerungen und Symboliken intern und deeskalierend zu beenden und keine polizeiliche Räumung zu veranlassen«, heißt es in einem offenen Brief, der am Sonntag auf der Webseite der Hochschule veröffentlicht wurde. Unterschrieben ist der Brief von sieben Personen, die teilweise zum Lehrpersonal der Hochschule gehören.

Am vergangenen Montag hatten zunächst etwa 60 Personen das zentrale Audimax der besonders für die Ausbildung von Sozialarbeitern bekannten Hochschule besetzt und mehrere Banner mit antiisraelischen Botschaften aus den Fenstern gehängt. Unter anderem forderten sie dort: »No Place for Zionism« – also kein Raum für Zionismus. Nach Verhandlungen mit dem Präsidium um Hochschulpräsidentin Bettina Völter verließen die Besetzer den Hörsaal am Abend. Im Gegenzug wurden ihnen bis zum vergangenen Donnerstag andere Räumlichkeiten für den Protest zur Verfügung gestellt.

Das Vorgehen der Hochschulleitung hatte für scharfe Kritik gesorgt. »Ihr Verhalten und Äußerungen sind nicht nachvollziehbar und absolut deplatziert«, sagte etwa zuletzt Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Damit spielte sie darauf an, dass Völter zwei Polizisten den Zugang zur Hochschule verweigert und deren Verhalten als »bedrohlich« bezeichnet hatte. Die Polizisten seien ruhig und besonnen gewesen, sagte Spranger. Ähnlich hatte sich zuvor der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) geäußert und der Hochschulpräsidentin unterstellt, Antisemiten zu schützen. Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) äußerte am Montag Verständnis für den Versuch der Deeskalation, kritisierte aber, dass die ASH nicht genug für die Sicherheit der Hochschulmitglieder getan habe.

»Wir stellen uns entschieden gegen die Darstellung, Prof. Dr. Bettina Völter hätte in ihrem Handeln Antisemitismus geduldet, gefördert oder unterstützt.«

Aus einem offenen Brief jüdischer Hochschulangehöriger

»Wir waren in diesen Tagen teilweise an der Hochschule und haben Hamas-verherrlichende Symbole gesehen und Parolen gehört«, schreiben die jüdischen Hochschulangehörigen nun in ihrem offenen Brief. Man habe aber auch erlebt, dass die Hochschulleitung auf die Besetzer eingewirkt habe. Daraufhin seien Plakate von diesen selbst entfernt worden. »Wir stellen uns entschieden gegen die Darstellung, Prof. Dr. Bettina Völter hätte in ihrem Handeln Antisemitismus geduldet, gefördert oder unterstützt«, schreiben die Verfasser weiter. Vielmehr seien den Besetzern klare Grenzen gesetzt worden. Dieses deeskalative Vorgehen entspreche sowohl dem Bildungsauftrag einer Hochschule als auch dem Berufsbild von Sozialarbeitern. Die Hochschule biete zudem Seminare und andere Diskussionsformate zum Nahostkonflikt an.

Wie am Montag bekannt wurde, brachte die Hochschulleitung offenbar auch mehrere Vorfälle zur Anzeige. Insgesamt zwölf seien bei der Polizei eingegangen, berichtete Wissenschaftsstaatssekretär Marx vor dem Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Zu dem Material, das die Hochschulleitung dokumentiert hat, soll eine aus dem Kreis der Besetzer verteilte Postkarte gehören, auf der in arabischer Schrift »Hamas Habibi« (etwa »Hamas, mein Liebling«) gedruckt war. Auf einem im Hörsaal aufgehängten Plakat soll das Massaker am 7. Oktober 2023 als »Befreiungskampf« gefeiert worden sein.

Auch eine ASH-Mitarbeiterin berichtet in einem auf Instagram verbreiteten privaten Beitrag von einer »äußerst unangenehmen und antisemitischen Atmosphäre«. Seitens der Besetzer habe es offenbar wenig Interesse an einem offenen Dialog gegeben. Dennoch unterstütze sie das Vorgehen des Präsidiums. Eine polizeiliche Räumung hätte demnach »nur weitere Gewalt, Eskalation, Hass auf Seite der Aktivist*innen und mögliche aufenthaltsrechtliche Folgen für Einzelne sowie Polarisierung« bedeutet.

Den Hörsaal gewaltsam zu räumen, hätte einen »Offenbarungseid« bedeutet, heißt es weiter. Denn die Hochschule sei für differenzierende Wissensvermittlung da und nicht dafür, die gesellschaftliche Polarisierung weiter voranzutreiben.

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