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Nach Anschlag in Bremen: Mit wenig Eifer gegen Nazis ermittelt
Militante Rechte sollen vor fünf Jahren ein Feuer in alternativem Bremer Jugendzentrum gelegt haben
Begleitet von harscher Kritik an den Ermittlungsbehörden hat am Donnerstag der Prozess um einen rechtsextrem motivierten Brandanschlag in Bremen begonnen. Vor dem Landgericht der Hansestadt an der Weser müssen sich drei Neonazis verantworten, die vor fast genau fünf Jahren ein Feuer im linksalternativen Jugendzentrum »Die Friese« im Bremer Steintor-Viertel gelegt haben sollen – während eines Konzerts zweier belgischer Elektronikmusiker, das zum Tatzeitpunkt von 33 Menschen besucht wurde. Die Staatsanwaltschaft legt den Männern schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung zur Last.
Die militanten Neonazis Jan E. (29), Nico J. (35) und Dave S. (41) sollen in der Nacht auf den 16. Februar 2020 unbemerkt das Café im ersten Stock des selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrums betreten und Kleidungsstücke angezündet haben – »in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken«, wie Staatsanwältin Melina Lutz vortrug. Das Feuer habe auf die Möbel übergegriffen und einen Sachschaden von 180 000 Euro verursacht. Die Angeklagten hätten in Kauf genommen, Menschen zu verletzen. Zwar konnten sich alle Besucher*innen des Konzerts, das im Erdgeschoss stattfand, rechtzeitig ins Freie retten. Drei von ihnen leiden laut Anklage aber noch heute unter psychischen und körperlichen Folgen der Tat.
Der Prozessauftakt endete kurz nach der Verlesung der Anklageschrift. Der Verteidiger des mutmaßlichen Haupttäters Jan E. kündigte jedoch an, dass sich sein Mandant »weitestgehend geständig« einlassen werde. Auch die anderen beiden Angeklagten wollen sich äußern. Dave S. sieht sich dabei noch einer weiteren Anklage gegenüber: Im August 2024 soll er in einem Bremer Stadtbus randaliert und mit seinen Fäusten brutal auf den Fahrer eingeschlagen haben.
Schon früh führten Spuren zu den drei Männern auf der Anklagebank. Durchsucht wurden ihre Wohnungen aber erst anderthalb Jahre später.
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Die Brandstifter hatten bei ihrer Tat rechtsextreme Aufkleber hinterlassen, unter anderem der Kleinstpartei »Die Rechte«, zu deren Umfeld alle drei Angeklagten gehören. Zwei von ihnen waren zudem als Mitglieder der rechten Schlägertruppe »Phalanx 18« aufgefallen, die bis zu ihrem Verbot im November 2019 regelmäßig durch das links geprägte Steintor-Viertel gezogen war, um Jagd auf vermeintliche Antifaschist*innen zu machen. Auf einem selbst veröffentlichten Foto posierte die Gruppe in Macker-Pose unweit der »Friese«.
Schon sehr früh führten damit Spuren zu den drei Männern, die jetzt auf der Anklagebank sitzen. Ihre Wohnungen wurden aber erst anderthalb Jahre später durchsucht. Die Ermittlungen seien »mit wenig Eifer« geführt worden, kritisierte Rechtsanwältin Lea Voigt, die eine Betroffene des Anschlags vertritt. Nach ihren Angaben fanden sich bei den Durchsuchungen Hinweise auf eine Verbindung zu dem in Deutschland verbotenen militanten Neonazi-Netzwerk »Blood and Honour«. »Wir können aber nicht erkennen, dass von den Ermittlungsbehörden jemals ein rechtsterroristisches Motiv für den Brandanschlag in Betracht gezogen wurde.« Die Nebenklage wirft Polizei und Staatsanwaltschaft »handwerkliche Fehler« und »lange Phasen der Untätigkeit« vor, die im Prozess zu erörtern seien.
Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) wertete den Bremer Brandanschlag als weiteren Beleg für eine »bundesweite Eskalation von Neonazi-Gewalt«. Zugleich würden rechtsextrem motivierte Brandanschläge von den Behörden nach wie vor in ihrem Ausmaß unterschätzt: »Es gibt eine gravierende Erfassungs- und Anerkennungslücke.«
Für den Prozess in Bremen sind 17 weitere Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt. Es könnte aber auch schneller gehen: Das Gericht zeigte sich am Donnerstag offen für eine verfahrensverkürzende Absprache nach den ersten Prozesstagen. Die überlange Verfahrensdauer dürfte den Angeklagten dabei zugutekommen.
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