Union Berlin kassiert eine Abreibung auf dem Kiez

Die Köpenicker bleiben auch unter Trainer Steffen Baumgart im Krisenmodus

  • Matthias Koch, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Unions Offensive um Benedict Hollerbach kam gegen den FC St. Pauli zu selten gefährlich vors Tor.
Unions Offensive um Benedict Hollerbach kam gegen den FC St. Pauli zu selten gefährlich vors Tor.

Aljoscha Kemlein hatte sich auf dieses Bundesligaspiel besonders gefreut. Im Sommer war der Mittelfeldmann des 1. FC Union Berlin im Rahmen eines sechsmonatigen Ausleihgeschäfts noch mit dem FC St. Pauli ins Oberhaus aufgestiegen. Bei seiner ersten Rückkehr wurde er vor Anpfiff bei der Platzbegehung auch freudig von den alten Kollegen begrüßt. Doch nach der 0:3-Pleite von Union sah es in dem 20-Jährigen anders aus.

»Ich bin brutal enttäuscht. Wir haben uns etwas ganz anderes vorgenommen. Unsere Fans kommen am Sonntagabend nach Hamburg. Da ist es schwer zu akzeptieren, dass wir so eine Leistung abliefern«, sagte Kemlein. Der übliche Gang vor den Block der mitgereisten Fans fiel sehr kurz aus. Nach wenigen »Eisern Union«-Rufen verabschiedeten sich beide Seiten zügig voneinander. Für Union-Verhältnisse war das wie die Außentemperaturen schon sehr frostig.

Nachdenklich verließen die Gäste den Rasen. »Das war zu wenig und nicht gut genug. Wir müssen weitermachen und uns schnell verbessern. Das Spiel entsprach nicht unserem Anspruch«, ärgerte sich Verteidiger Robert Skov. »Wir sind eigentlich ganz gut ins Spiel gekommen. Mit dem 0:1 wurde es schwierig. Und bei einem 0:2-Rückstand weiß jeder, dass es noch schwieriger wird.«

Die Fans des FC St. Pauli im mit 29 496 Besuchern ausverkauften Millerntor-Stadion konnten dagegen ihr Glück kaum fassen. Heim-Tore sind sie gar nicht gewöhnt. In sieben von acht Partien auf dem Kiez waren die Hamburger zuvor torlos geblieben. Nun schickten sie Union nach zwei Treffern des überragenden Morgan Guilavogui (31. und 51. Minute) und dem erstmals in der Bundesliga einnetzenden Danel Sinani (93.) mit einer schönen Abreibung nach Berlin zurück.

»Wir standen nach Heimspielen schon oft vor der Kurve und haben keine Punkte mitgenommen. Wir sind umso glücklicher, dass wir den Fans einen Heimsieg schenken konnten«, freute sich Verteidiger Hauke Wahl. »Wir haben gemerkt, dass wir eine große Chance haben, uns ein bisschen von den unteren Plätzen abzusetzen. Und zwei Siege in Folge gab es in dieser Saison noch gar nicht.«

Für Union hingegen setzte es die sechste Auswärtsniederlage in Folge in der Bundesliga. Trainer Steffen Baumgart musste seit seinem Antritt Anfang Januar die dritte Pleite in vier Partien hinnehmen. Der 53-Jährige hatte keine Erklärung dafür, warum seine Mannschaft im Vergleich zum 2:1-Erfolg gegen den FSV Mainz in der Vorwoche so stark abfallen konnte.

Die Anfangsformation mit Fünferkette hatte Baumgart so belassen wie gegen Mainz. Dabei stand Abwehrchef Kevin Vogt erneut nicht im Kader, weil er wegen Knieproblemen immer noch angeschlagen ist. Torwart Frederik Rönnow nahm zwar gemeinsam mit den Torhüter-Kollegen Alexander Schwolow und Carl Klaus an der Erwärmung teil. Doch eine Alternative für einen Einsatz war Rönnow nicht. Die Nachwirkungen einer Ellenbogenverletzung machen dem Dänen immer noch zu schaffen. Zumindest für das nächste Heimspiel am kommenden Sonnabend gegen RB Leipzig soll der Stammkeeper aber wieder eine Option sein.

Vielleicht dürfen dann mit Kapitän Christopher Trimmel und Rani Khedira auch zwei andere Routiniers wieder mitmischen, die Baumgart in Hamburg auf der Bank ließ. Möglicherweise fehlte so zu viel Erfahrung auf dem Feld. Der Trainer sah das anders. »Wenn man gegen Mainz gewinnt, war die Entscheidung richtig. Und nach der Niederlage rufen wir nach denen, die nicht auf dem Platz standen«, meinte er. »Ob es mit den anderen besser gewesen wäre, wissen wir nicht.«

Union hat nun wie schon beim 1. FC Heidenheim und daheim gegen den FC Augsburg gegen den nächsten direkten Konkurrenten im Abstiegskampf verloren. »Dass die Situation gefährlich ist, wissen wir alle«, erklärte Baumgart. Der Sechs-Punkte-Vorsprung auf Relegationsplatz 16 könnte bekanntlich noch weiter schmelzen, wenn Union der Punkt aus dem Heimspiel gegen den VfL Bochum abgezogen wird.

Hoffnung macht, dass Union gegen Leipzig nicht das Spiel machen muss, was in Hamburg nach dem Rückstand zur schier aussichtslosen Aufgabe wurde. »St. Pauli hat uns den Ball überlassen. Fußballspielen und Durchkombinieren gehören vielleicht nicht zu unserer Stärke«, gab Unions Coach zu. »Da muss man schauen, wie man den Spieß wieder umdreht, vielleicht dem Gegner den Ball zu geben und nicht in seine Stärken hineinzuspielen.«

So oder so erscheinen Neuverpflichtungen bis zum Ende des Transferfensters am 3. Februar für die Köpenicker unerlässlich, vor allem auf der Mittelstürmerposition. Angreifer Jordan Siebatcheu ging bei St. Pauli auch im 17. Saisonspiel leer aus. Im Gespräch ist der Ex-Unioner Fisnik Asllani, der derzeit von der TSG Hoffenheim an die SV Elversberg ausgeliehen ist.

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