Keine Angst vor niemand

Bundestagskandidatin Isabelle Czok-Alm (Linke): Lieber jetzt laut sein für die Leisen, bevor es zu spät ist

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Bundestagskandidatin Isabelle Czok-Alm (Linke) will sich nicht verstecken.
Bundestagskandidatin Isabelle Czok-Alm (Linke) will sich nicht verstecken.

Eine verrückte Linke, die nur zurückweicht, um richtig Anlauf zu nehmen. So beschreibt sich Isabelle Czok-Alm. Sie fühlte sich mal eingeschüchtert, bedroht, hatte Angst. Warum das heute nicht mehr so ist, fragt sie sich selbst oft. »Aber es ist schlicht so, dass ich, seitdem ich wieder politisch aktiv bin und meinen Mund aufmache für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte, neben allen Anfeindungen auch viel Zuspruch erfahren habe«, sagt sie. »Ich bin nicht allein.«

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar tritt die 51-Jährige im Wahlkreis 57 an. Der besteht aus der Uckermark und einem Teil des Landkreises Barnim. In Wandlitz lebt Czok-Alm mit ihrer Familie, zwei Pferden, zwei Hunden, zwei Katzen und zehn Hühnern.

»Ohne Die Linke im Bundestag ist unsere Gesellschaft ehrlich gesagt am Arsch.«

Isabelle Czok-Alm Bundestagskandidatin

Wie es sie dorthin verschlug, erklärt auch, warum sie sich heute wieder politisch engagiert trotz der damit verbundenen Anfeindungen. Die Facharbeiterin für Pferdezucht kaufte 1999 einen Bauernhof im mecklenburgischen Groß Daberkow. Sie nahm Pferde in Pension, erteilte Reitunterricht – bis 2012 ein Unbekannter am hellichten Tag auf der Koppel ihre Lieblingsstute erschlug. Die Polizei vermutete, Hintergrund der Tat sei das politische Engagement der Halterin. Czok-Alm war 2001 in die PDS eingetreten und wirkte mit in einer Bürgerinitiative gegen die Massentierhaltung von Hühnern im Nachbardorf. Das Projekt hatte aber wegen der erhofften Arbeitsplätze viele Befürworter.

»Ich war völlig neben mir«, erinnert sich Czok-Alm an den Schock. »Anderthalb Monate bin ich mehr oder weniger nicht aus dem Haus gegangen.« Sie verließ Groß Daberkow und Die Linke, tauchte ab, wollte keine Zielscheibe sein. Aber dann wurde ihre Angst kleiner als die Furcht, was geschehen würde, wenn die AfD an die Macht käme. Zur Bundestagswahl 2017 half Czok-Alm, in Wandlitz Plakate der Linken aufzuhängen. 2018 trat sie wieder ein in die Partei, kandidierte 2019 für die Gemeindevertretung und für den Landtag und 2021 das erste Mal für den Bundestag. Schon damals hatte sie es mit Hannes Gnauck (AfD) zu tun, dem Bundeswehrsoldaten, der Bundestagsabgeordneter wurde. Seine 20,3 Prozent reichten seinerzeit allerdings nicht für einen Sieg im Wahlkreis. Den holte damals Stefan Zierke (SPD), der nun ebenfalls wieder antritt. Der Wahlkreis hat noch zwei weitere Bundestagsabgeordnete: Jens Koeppen (CDU) und Michael Kellner (Grüne). Die CDU schickt diesmal die Polizistin Ulrike Mauersberger ins Rennen und Kellner ist erneut mit von der Partie.

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Als wahrscheinlich gilt, dass die AfD neun von zehn Bundestagswahlkreisen holt, nur den in Potsdam nicht. Schon bei der Landtagswahl 2024 hatte Czok-Alm nicht noch einmal antreten wollen und sprang erst kurzfristig ein. Nun die Bundestagswahl gleich hinterher. So war das nicht geplant. Warum sie sich das antut? »Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben Angst, was nach der Bundestagswahl passiert«, berichtet Czok-Alm. Dass die CDU rassistische Forderungen stelle, »wird der AfD nicht eine Stimme abjagen«, erwartet die 51-Jährige. Die Leute denken bloß: Die AfD »kann ja nicht so schlimm sein, wenn auch die CDU das sagt«.

Czok-Alm will »laut für die Leisen« sein. Das ist das Motto der Erzieherin, die in einer Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen arbeitet. Sie hört gern Punkrock und drückt unumwunden aus, was sie antreibt: »Ohne Die Linke im Bundestag ist unsere Gesellschaft ehrlich gesagt am Arsch.« Das will sie verhindern. Sie zeigt keine Furcht mehr und weicht höchstens zurück, um Anlauf zu nehmen.

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