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Wald in Brandenburg: Der Regen hat kaum geholfen
Brandenburgs Wald auch deshalb in einem schlechten Zustand, weil sich zu viel Wild darin tummelt
Sie wolle Kürzungen beim Waldumbau nicht hinnehmen und sich notfalls »gegen den Finanzminister« Robert Crumbach (BSW) stellen. Das verkündete Brandenburgs Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) am Donnerstag. Anlass war die Präsentation des Waldzustandsberichtes, der für die »grüne Lunge« des Bundeslandes keine guten Bewertungen bereithielt.
»Alarmierend, dramatisch, so schlecht wie nie.« Bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts konnte Mittelstädt keine guten Nachrichten verbreiten. Wer glaubte, die einigermaßen ergiebigen Regenmengen der vergangenen zwei Jahre hätten für Entspannung gesorgt, hat sich demnach getäuscht. Sie hätte sich eine bessere Bilanz gewünscht, sagte die Ministerin. Ihr zufolge waren im vergangenen Jahr 32 Prozent der Bäume in Brandenburgs Wäldern in die Kategorie »deutliche Schäden« einzuordnen. Das sei eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil ungeschädigter Bäume sank um zehn Prozentpunkte auf magere 15 Prozent.
»Trotz moderaten Wasserangebots erreichen die Schäden Rekordniveau«, gab Mittelstädt bekannt. Als Gründe dafür nannte sie Spätfolgen der vielen Trockenjahre seit 2018, aber auch die Fröste im April 2024, die sich nicht allein auf die
Obstplantagen verheerend auswirkten. Leider betreffe die Schadenszunahme nicht nur Altbestände, sondern auch Neuanpflanzungen. Hier wütete weniger der Frost als vielmehr das Wild, das sich nach wie vor fast ungebremst vermehrt
und die Triebe junger Nachpflanzungen abfrisst.
Bei der Ermittlung der Waldgesundheit wird der konkrete Zustand von 24
Bäumen je »Messpunkt« ermittelt. Wenn der Nadel- beziehungsweise Blattverlust mehr als 60 Prozent beträgt, ist der Baum in der Kategorie »deutlich geschädigt« einzustufen. Bei Eiche und Buche sind die Schäden inzwischen so groß wie nie, seit der Zustand ermittelt wird. Die Kiefer hatte sich vor zwei Jahren erholt, um aber nun wieder mit deutlich schlechteren Werten aufzuwarten.
Seit 35 Jahren ist der Begriff vom Umbau der Kiefernmonokulturen hin zu Mischwäldern in der Landespolitik im Schwange. Verändert hat sich indessen wenig. Man benötige einen langen Atem, erklärte die Ministerin. Die »Saatgut-Ernte« des vergangenen Jahres sei gut gewesen, so lautete eine ihrer wenigen positiven Nachrichten. 2024 habe das Land mit 6,7 Millionen Euro insgesamt 740 Projekte des Waldumbaus gefördert. Eine Reduzierung dieser Summe im neuen Landeshaushalt wolle sie nicht dulden.
Zwischen Forstleuten und Jägern müsse es einen »ehrlichen Dialog« und künftig ein Jagdgesetz geben, das den schwierigen Umständen Rechnung trage, findet Mittelstädt. Darin sehe sie den »Schlüssel« zur Problemlösung. Das sagte sie vor dem Hintergrund, dass ihr Amtsvorgänger Axel Vogel (Grüne) in den Jahren 2019 bis 2024 die angestrebte Novellierung des Jagdgesetzes nicht zuwege brachte, weil sich die Differenzen zwischen Jägern, Waldbesitzern und Forstverwaltung als vorerst unüberbrückbar erwiesen. Die SPD scheute den Konflikt und blies die Reform am Ende ab.
»Die langjährige Belastung der Wälder durch sich verändernde Umweltbedingungen zeigen ihre Wirkung«, urteilt die Ministerin. Aber: »Die nächste Baumgeneration hat nicht nur mit der Witterung zu kämpfen, sondern nach wie vor mit viel zu hohem Wildverbiss.«
Die im Ministerium für den Forst zuständige Abteilungsleiterin Ulrike Hagemann regte eine härtere Gangart an. Bei mehr als einer Million Hektar Wald in Brandenburg finde der Waldumbau pro Jahr auf gerade einmal 2500 Hektar statt. Das sei »eindeutig zu wenig«. Die geringen Erfolge bei den Neuanpflanzungen erklärte sie mit der bislang angewandten und aufwendigen »mechanischen« Methode. Diese setze die Einzäunung voraus, um die Pflanzungen vor dem Wild zu schützen. Das begrenze den Umfang erheblich. Es müsse gelingen, Bedingungen für die natürliche Waldverjüngung zu schaffen. Ohne eine messbare, radikale Reduzierung der Wildbestände sei das aber nicht möglich. Hagemann gab die Parole aus: »Wald vor Wild.«
Relativ Glück gehabt hat Brandenburg im vergangenen Jahr beim Schutz vor
Waldbränden. Insgesamt sind laut Ministerin Mittelstädt 211 Waldbrände gezählt worden, die zusammen 230 Hektar beschädigten. In der überwiegenden Zahl der Fälle konnte das Feuer auf weniger als einen Hektar eingedämmt werden. »Die Überwachung hat gut funktioniert.« Da die Mischwälder im Norden des Landes deutlich weniger brandgefährdet seien als die im Süden vorherrschenden Kiefernmonokulturen, sei hier ein weiterer Grund für den Waldumbau gegeben.
Insgesamt 6000 Kubikmeter illegal entsorgten Mülls mussten im vergangenen Jahr aus den Wäldern herausgeschafft werden. Vor allem »im Umland von Berlin« nutzten Straftäter diese strikt verbotene Möglichkeit, Entsorgungskosten zu sparen. »Diese verantwortungslose Willkür kann ich nicht verstehen«, gestand Ministerin Mittelstädt. Wie ihr Ressort mitteilte, handelte es sich weniger um Müll, den wandernde Urlauber zurücklassen. Vielmehr sei hier von organisierter Kriminalität auszugehen. Vor allem entlang der Bundesstraßen 2 und 5 werde von Firmen zum Teil gefährlicher und giftiger Bauschutt heimlich abgeladen.
- 69 Prozent der Bäume in Brandenburgs Wäldern sind Kiefern. Damit bleibt die Kiefer die mit Abstand häufigste Baumart.
- Nur noch 19 Prozent der untersuchten Kiefern weisen keine Schäden auf. Das bedeutet ein Minus von zehn Prozentpunkten. Der Anteil der Kiefern mit deutlichen Schäden wuchs um acht Prozentpunkte auf 17 Prozent.
- Zu den »komplexen Schadereignissen«, die den Wald belasten, zählt die Wissenschaft das massenhafte Auftreten von Insekten, die sich von geschwächten oder abgestorbenen Bäumen ernähren. Die Kiefer leidet weniger unter der Trockenheit als vielmehr unter solchen Schädlingen.
- 60 Prozent des Waldes befinden sich in Privatbesitz.
- Nur noch drei Prozent der Eichen und fünf Prozent der Buchen zeigen keine sichtbaren Schäden.
- Trotz wieder verstärkter Regenfälle liegen die Wasservorräte des Bodens immer noch unter dem langjährigen Mittelwert.
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