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Berlin: Kunst kommt zu kurz
Universität der Künste unter Spardruck
Man fühlt sich an die monumentale Reichtstagsverhüllung des Künstlerpaars Christo und Jeanne-Claude erinnert: Die Frontseite des Hauptgebäudes der Universität der Künste (UdK) ist aktuell mit einer schwarzen, lichtdurchlässigen Stoffplane bedeckt, visuell erinnert sie an einen großen Zensurbalken. Es handelt sich dabei aber nicht dezidiert um eine künstlerische Installation, sondern um eine Aktion der Kunst wegen. »Wir machen uns Sorgen um Berlin. Kunst, Lehre und Wissenschaft sind gerade akut in Gefahr«, sagt Jakob Stadtmüller, Architekturstudent und einer der Organisatoren von »Bildung braucht Budget«, der Studierendeninitiative, die an der UdK den Protest gegen die Haushaltskürzungen des Berliner Senats organisiert und die Plane am Hauptgebäude aufgehängt hat.
Im vergangenen Dezember kündigte der Senat an, knapp acht Prozent des Jahresbudgets aller Berliner Kunst- und Musikhochschulen zu sperren. Die exakte Höhe der Kürzung werde je nach Hochschule anders ausfallen und soll spätestens im Sommer 2025 verkündet werden, teilt die Senatsverwaltung für Wissenschaft auf Anfrage von »nd« mit. Da jedoch die meisten Ausgaben in Fixkosten wie festangestelltes Personal gebunden sind, betreffen die geplanten Kürzungen vor allem Kosten bei befristetem Personal und laufende Kosten wie Exkursionen, Gastvorträge und Arbeitsmaterialien. In den vier Fakultäten wurden deshalb bereits zwischen 30 und 50 Prozent des Budgets für das kommende Jahr gesperrt. Das wiederum bedeutet, dass weite Teile des Lehrpersonals unter prekären Bedingungen arbeiten müssten, so Studierendenaktivist Jakob Stadtmüller: »Laufende Berufungsverfahren werden gestoppt, Gastprofessuren nicht mehr verlängert und Lehraufträge künftig mit einem lächerlichen Gehalt bezahlt.« Am Ende leide nicht nur die Lehrqualität, sondern auch die Studierbarkeit.
Konkret zeigt sich das, was alle Fakultäten betrifft, am Lehramtsstudiengang Bildende Kunst für Gymnasien: Die Lehre in der Kunstdidaktik ist bereits jetzt massiv unterbesetzt. Es gibt nur eine festangestellte Person, sämtliche Professuren sind nur vertretungsweise besetzt. Abschlussarbeiten können aktuell kaum betreut werden. »Wenn jetzt durch die Kürzungen noch die Anstellungszeit auf die Vorlesungszeit reduziert wird, wird es für uns noch schwerer, fristgerecht abzuschließen, um ins Referendariat zu gehen«, sagt Thomas Lindenberg, Student des Quereinstiegsmasters.
Dabei herrscht in Berlin ein drastischer Lehrkräftemangel, allein zum Schuljahr 2024/25 fehlten 695 Lehrkräfte, darunter viele für das Fach Kunst. Im vergangenen Herbst stellte UdK-Präsident Norbert Palz eine Strukturreform vor, die es ermöglichen soll, in den kommenden Jahren die Studierendenzahl im Lehramt mehr als zu verdoppeln. Die Reform sieht eine Trennung von Kunst und Lehramt vor, die auch die Fachklassen betrifft: Lehramtsstudierende werden also nicht mehr mit den Studierenden der Bildenden Kunst zusammen Kurse absolvieren. Bereits 2019 machte die UdK in einem Statement den Berliner Senat für die lehrenden Kunstlehrkräfte verantwortlich. Der Mangel sei überhaupt erst dadurch entstanden, dass Berlin jahrelang Lehrkräfte nicht verbeamtete und das sogenannte Großfach abschaffte, das es ermöglichte, ausschließlich Kunst zu unterrichten.
»Kunst, Lehre und Wissenschaft sind gerade akut in Gefahr.«
Jakob Stadtmüller Bildung braucht Budget
Stattdessen setzte die Berliner Schulpolitik auf Lehrkräfte mit zwei Fächern, um sie flexibler einsetzen zu können. Im Studium bedeutet dieses Doppelstudium an zwei Universitäten einen hohen logistischen und zeitlichen Aufwand. Viele Studierende empfinden, dass die eigene künstlerische Auseinandersetzung zu kurz komme, weshalb einige ihr Studium wechseln oder abbrechen. »Für beide Gruppen Studierender muss es weiterhin darum gehen, künstlerische Prozesse entwickeln, erproben und vorstellen zu können«, sagte Susanne Lorenz 2019 anlässlich einer UdK-Konferenz zur »Pädagogisierung der Kunst«.
Bei derselben Veranstaltung kritisierten Lehrende schon damals, dass die Berliner Schul- und Hochschulpolitik zunehmend von ökonomischen Zwängen und Verwaltungslogik beherrscht werde. Eine Logik, die sich in den Haushaltskürzungen von heute fortsetzt. Verschwinden könnten dadurch die Räume, »die für eine freie und demokratische Gesellschaft unerlässlich sind«, schreibt die fakultätsübergreifende Initiative »Bildung braucht Budget« in einem Statement. Eine Kundgebung ist für Dienstag, den 11. Februar um 12 Uhr vor dem Hauptgebäude der UdK an der Hardenbergstraße in Charlottenburg geplant.
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