- Politik
- Pazifik
Pazifikregion: Offene Türen für Peking
Ein diplomatischer Zwist zwischen Neuseeland und den Cookinseln offenbart Chinas einmalige Chance im Pazifik
Ärger im Paradies: Der Premierminister der Cookinseln, Mark Brown, ist diese Woche in China zu Gast, um einen gemeinsamen Aktionsplan für eine umfassende strategische Partnerschaft mit der Volksrepublik zu unterzeichnen. Vermutlich geht es um eine Handelskooperation, das Klima sowie Tourismus- und Infrastrukturprojekte. Genaueres ist nicht bekannt – Brown betonte aber, dass der Deal keine Sicherheits- oder Verteidigungsfragen betreffe. Dazu muss man wissen: Die Cookinseln sind ein selbst verwaltetes Territorium in freier Assoziierung mit dem Staat Neuseeland. Dieser bietet den 15 000 Einwohner*innen Schutz und Verteidigung und außerdem großzügige finanzielle Unterstützung. Dass Avarua nun – weitestgehend hinter dem Rücken Wellingtons – mit China anbandelt, hat für ernste diplomatische Verstimmung gesorgt. Pekings wachsender Einfluss im Pazifik stellt seit Längerem schon eine Herausforderung für die USA und ihre Verbündeten wie Australien und Neuseeland dar.
Der Ärger in der paradiesischen Südsee geht aber noch weiter: Denn auch Neuseelands Verhältnis mit dem pazifischen Inselstaat Kiribati steht auf wackeligen Beinen, nachdem der dortige Präsident für ein angefragtes Treffen mit dem neuseeländischen Außenminister nicht verfügbar war. Wellington ließ daraufhin verkünden, dass man die finanzielle Unterstützung für das aus nur 33 kleinen Koralleninseln bestehende Land überdenken wolle. Sie zu verlieren – zwischen 2021 und 2024 hat Neuseeland 102 Millionen Neuseeländische Dollar (fast 56 Millionen Euro) an Hilfsgeldern bereitgestellt – wäre ein harter Schlag für den Inselstaat und seine etwas über 130 000 Bewohner und Bewohnerinnen. Es sei denn, Peking springt ein: Die Volksrepublik hat – seit Kiribati im Jahr 2019 seine diplomatische Loyalität von Taiwan zu Peking wechselte – bereits mehrere Infrastrukturprojekte in dem Land finanziert.
Partnerschaft steht auf dem Prüfstand
Kiribati ist zudem der sogenannten Belt-and-Road-Initiative beigetreten, einer Art chinesischen Seidenstraße, über die große Projekte finanziert werden. Blake Johnson, Analyst bei der australischen Denkfabrik ASPI, kommentierte in Anspielung auf das neuseeländische Verhalten gegenüber den Cookinseln und Kiribati: Sturheit helfe bei der Zusammenarbeit im Pazifik nicht. Statt den Ländern die Unterstützung zu entziehen, sollte diese aufgestockt werden, um so »mehr Partnerschaft und Vertrauen zu erreichen«.
Dass winzige Länder wie die Cookinseln oder Kiribati von China umworben werden, hat geopolitische Gründe. Im Meeresboden zwischen den Cookinseln befinden sich Mineralien, die zum Antrieb von Elektroautos dienen könnten. Und obwohl der mikronesische Staat Kiribati zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt gehört, ist er nicht zuletzt wegen seiner relativen Nähe zu Hawaii und den US-Militärstützpunkten in Guam strategisch wichtig.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Die strategische Lage gibt auch anderen winzigen Inselstaaten im Pazifik deutlich mehr Gewicht am Verhandlungstisch als die reine Größe der Länder vermuten ließe. Wichtige See- und Flugrouten sowie Datenkabel verlaufen durch die Region. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass Peking wirtschaftlichen, militärischen und strategischen Einfluss im Pazifik gewinnen will, und es ist nicht überraschend, dass die westlichen Partner – Neuseeland genauso wie Australien und die USA – ihn nicht verlieren und auch nicht teilen wollen.
180-Grad-Wende der USA
Nicht zuletzt die derzeitigen Direktiven aus Washington haben in der Region jedoch für große Verstimmung gesorgt und treiben die Inselstaaten geradezu in die offenen Arme Pekings. Nachdem der frühere US-Präsident Joe Biden wieder mehr Augenmerk auf die Region gerichtet, Sicherheitsabkommen mit Papua-Neuguinea und Fidschi abgeschlossen und mehrere neue US-Botschaften in der Region eröffnet hatte, torpedierte Donald Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit für die Region wichtige Themen: Dazu gehören der Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation sowie der 90-tägige Stopp von Auslandshilfen, auch wenn sie laut der Pacific Aid Map der australischen Denkfabrik Lowy Institute für den Pazifik im Jahr 2024 nur 3,4 Milliarden US-Dollar (sieben Prozent) ausmachten. China gab 1,1 Milliarden mehr (neun Prozent), Australien toppte die Liste mit 18,8 Milliarden Dollar Unterstützung (38 Prozent).
Vor allem die Ignoranz in Bezug auf die Klimakrise lässt in der Region die Emotionen hochkochen. Der Premierminister von Papua-Neuguinea, James Marape, sagte »Radio New Zealand«, dass der Rückzug der USA aus dem Klimaabkommen »völlig unverantwortlich« sei. Der durch die Erwärmung steigende Meeresspiegel droht, zahlreiche Inseln im Pazifik unbewohnbar zu machen. Auch die Anzahl und Stärke von Wirbelstürmen sowie das Absterben von Korallenriffen stellen eine existenzielle Bedrohung für die Region dar.
Hinzu kommt das »unberechenbare« Verhalten des neuen US-Präsidenten. Selbst die konservative australische Zeitung »The Australian« kommentierte: »Wenn Washington seine Herangehensweise an den Indopazifik nicht überdenkt, besteht die Gefahr, dass Peking die Kontrolle über eine Region festigen kann, die für die globalen Schifffahrtsrouten und die Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.