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Das Nachbarhaus brennt lichterloh
Ildikó Lendvai kommentiert die Stärke der rechten FPÖ in Österreich
Nun scheint die Demokratie auch im von uns beneideten Österreich, mit dem Ungarn immer gleichziehen wollte, zu scheitern. Nach Le Pen in Frankreich ist das der beste Beweis dafür, dass nicht nur die ehemalige DDR oder Ostmitteleuropa mit ihrer bewegten Vergangenheit der Nährboden für autoritäre Kräfte sind, die mit der Nazi-Vergangenheit geschmacklos kokettieren oder ihr gegenüber zumindest nachsichtiger sind.
In Hitlers Heimatland weckt dies noch schlimmere Assoziationen. Neben der Sensibilität gegenüber der Geschichte geht es um die Fähigkeit Europas, sich zu verteidigen gegen Hass und Hetze, sich für Pressefreiheit, Umweltschutz und die Interessen der Arbeitnehmer einzusetzen. In Österreich ist all das bedroht.
Ildikó Lendvai ist ehemalige Vorsitzende der ungarischen Sozialisten (MSZP).
Wir Ungarn sind mit unseren eigenen Veränderungen beschäftigt. Unser Haus hat schon vor längerer Zeit Feuer gefangen. Im Gegensatz zu den Koryphäen der FPÖ lief man bei uns zwar nicht ganz so spektakulär mit Streichhölzern um das Benzinfass herum, doch die Flammen verzehrten allmählich den Großteil unserer Güter und Rechte. Wir Demokraten haben uns daran gewöhnt, uns anzupassen und ins Hinterzimmer zurückzuziehen. Dort kam uns das Feuer sogar wie Wärme und Geborgenheit vor.
Was in Österreich geschieht, kommt uns bekannt vor. Es wird über ein »Europa der Nationen« schwadroniert, während in Wirklichkeit die Auflösung oder Schwächung der EU angestrebt wird. Es geht dabei auch um ideologische Gemeinsamkeit mit Putin: Als stiller Partner unterstützen und tolerieren Herbert Kickl und seine FPÖ Russlands Aggression gegen die Ukraine. Die FPÖ ist ein Bruderabkommen mit Putins Partei eingegangen. Unter dem Vorwand, »traditionelle Werte zu schützen«, machen sie Linke, Liberale und Minderheiten zum Sündenbock.
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Die FPÖ verunglimpft die ökologische Wende als Klimakommunismus. Kickl hatte schon als Innenminister eine Razzia bei den Geheimdiensten angeordnet, um die Enttarnung von Politikern seiner Partei zu verhindern. Er hält die unabhängige Presse, Gewerkschaften, zivile Vereine und demokratische Institutionen für überflüssig, denn die FPÖ könne den Willen des Volkes direkt zum Ausdruck bringen. Kickl nennt sich »Volkskanzler«, wie Hitler damals. Die bekannte anti-elitäre Haltung der Rechtspopulisten richtet sich gegen Wissenschaftlicher und Intellektuelle. Das führt dann bei Epidemien zu Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeindlichkeit.
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Die regierungsnahen Medien sind in Ungarn begeistert: »Dieser österreichische Kanzler wäre ein Verbündeter Orbáns!« Und Europa fragt sich: Bisher konnte man Viktor Orbán in der EU mit Hängen und Würgen meistens zurückpfeifen. Wie aber soll das mit zwei Orbáns gehen?
Zwar kennt man bei uns die Gründe für den Aufstieg des Autoritarismus allzu gut. Trotzdem sollte man die Eliten, die Österreich bisher regiert haben, nicht entlasten. Obwohl die Rechtsextremen in den meisten europäischen Ländern noch nicht die Mehrheit haben, gelingt es den Demokraten momentan nicht, ihre Kräfte gegen sie zu bündeln. Das trifft auch auf Österreich zu. Und wenn das Haus des Nachbarn brennt, können die Flammen leicht auf andere Nachbarhäuser übergreifen.
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