Nicht nur bei Gewalt schützen

Was braucht es, damit es keine Femizide mehr gibt? Berliner Expertinnen für Gewaltschutz berichten

Endlos scheinen die Stufen bis zum Ende des Patriarchats: Damit Femizide aufhören, braucht es nicht nur mehr Gewaltschutz, sondern auch Prävention – damit es gar nicht erst zu Gewalt kommt.
Endlos scheinen die Stufen bis zum Ende des Patriarchats: Damit Femizide aufhören, braucht es nicht nur mehr Gewaltschutz, sondern auch Prävention – damit es gar nicht erst zu Gewalt kommt.

Vor dem Sportzentrum »Centre Talma« in Reinickendorf steht seit Mittwoch eine rote Bank. Berlinweit gibt es solche Bänke – sie sollen ein Zeichen setzen gegen Femizide und gegen Gewalt gegen Frauen. Laut eines Sprechers des Bezirksamts sei das Sportzentrum bereits sehr engagiert: So beteilige es sich an der Demonstration »One Billion Rising« am 14. Februar. Am Valentinstag werden »auf der ganzen Welt Menschen dazu aufgefordert sich zu erheben und zu tanzen, um das Ende dieser Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu fordern«, heißt es im Aufruf zur Demo.

Tanzen gegen sexualisierte Gewalt und Bänke gegen Femizide werden kaum dazu beitragen, dass Männer aufhören, ihre Ehefrauen zu schlagen, zu vergewaltigen oder gar zu ermorden. Hong S. aus Marzahn ist das vermeintlich erste Opfer eines Femizids in Berlin 2025 – vermutlich ermordet von ihrem Ex-Partner. Wie steht es um den Schutz von Frauen vor partnerschaftlicher und häuslicher Gewalt? Und trifft der Sparhammer des schwarz-roten Senats auch die Präventionsarbeit?

Die Abgeordnete Bahar Haghanipour und frauenpolitische Sprecherin der Grünen hat die Senatsverwaltung für Inneres jüngst gefragt, welchen Schutz hochgefährdete Frauen in Berlin bekommen – die Antwort des Senats findet die Abgeordnete »ein wenig enttäuschend«, wie sie »nd« sagt. Denn in dem Schreiben der Verwaltung vom 31. Januar heißt es, dass es keine Statistik zu der Gruppe gäbe. »Aber gleichzeitig gibt es ja Fallzahlen, über die wir auch diskutieren«, sagt die Abgeordnete.

Die Femizid-Zahlen steigen. Seit über zwei Jahren fordert die Abgeordnete deswegen »interdisziplinäre Fallkonferenzen« – Informationsaustausche zwischen Polizei, Justiz, Beratungsstellen und Jugendamt bei gefährdeten Frauen. So schreibt es auch die ratifizierte Istanbul-Konvention (IK) zum Gewaltschutz vor. Einen entsprechenden Senatsbeschluss dazu gibt es bereits seit drei Jahren.

Haghanipours aktueller Stand ist, dass diese Fallkonferenzen im ersten Quartal 2025 losgehen sollen. Sie sagt auch: In den vergangenen Jahren habe sich einiges in der Hauptstadt getan. Es gibt mehr Schutzplätze und ein Landes-Monitoring. Doch gerade bei der Prävention muss noch viel getan werden. »Jedes Zeichen gegen Femizide ist erst mal gut«, sagt die Abgeordnete. Es sei jedoch besser angelegt bei Projekten, die dazu beitragen, dass häusliche Gewalt gar nicht ausgeübt wird.

Doch bestehende Projekte zur Gewaltprävention wurden im aktuellen Haushalt gekürzt. Zwei davon betreffen das Berliner Zentrum für Gewaltprävention (BZfG). »Beim Anti-Gewalt-Training in Fällen von Gewalt im öffentlichen Raum wurden wir von der Senatsverwaltung für Justiz um 50 Prozent gekürzt«, sagt BZfG-Sprecherin Isabella Spiesberger »nd«. 2025 könne man darum nur ein bis zwei Gruppen anbieten und die Wartezeiten seien länger. Bei einem Programm im Bereich »Häusliche Gewalt« musste das BZfG zwei Teilzeitstellen für die Kindertherapeut*innen streichen und eine Vollzeitstelle reduzieren, weil sie von der Senatsverwaltung für Inneres gekürzt wurden.

»Es ist wichtig, dass Symbolpolitik nicht die Antwort auf Femizide bleibt.«

Nua Ursprung Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen

Auch Gewaltpräventionsprojekte mit Tätern von der Volkssolidarität wurden gekürzt – in welcher Höhe, kann der Verein noch nicht sagen. Bei der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG) habe sich die angespannte Situation etwas verbessert, wie BIG-Pressesprecherin Nua Ursprung »nd« sagt.

Doch die Anfragen für Präventionsangebote übersteigen, was die vier Kolleg*innen, die an Grundschulen aufklären, leisten können. Die Warteliste reiche bis 2026. Darum sei der Verein regelmäßig in Kontakt mit der Senatsverwaltung für Bildung, von der das Projekt gefördert werde. »Die Zusammenarbeit ist allerdings sehr frustrierend«, meint Ursprung.

Weder bei der Täterarbeit dürfe man kürzen noch sei die Präventionssäule der IK ausreichend bespielt, findet Ursprung. Ihr Verein fordert ebenfalls interdisziplinäre Fallkonferenzen, um den Informationsfluss zwischen den Behörden zu stärken. Laut Ursprung ist Gewalt gegen Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft eingeschrieben: »Wenn häusliche Gewalt aufhören soll, dann muss sich gesamtgesellschaftlich was ändern«, sagt sie. Symbolpolitik dürfe nicht die Antwort auf Femizide bleiben. »Aber alles, was das Thema im Bewusstsein hält, kann dazu beitragen, dass Betroffene schneller Unterstützung finden«, meint die BIG-Sprecherin.

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