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Görli-Zaun: Negativpreis für Grün Berlin Gmbh
Mit einem Go-in kritisieren Aktivisten landeseigenes Unternehmen für Beteiligung am Görli-Zaun
So viel Andrang gibt es wohl selten bei der Grün Berlin GmbH: Kurz nach 15 Uhr am Dienstag strömen mehr als 30 Menschen in die dritte Etage des historischen Ullstein-Hauses am Tempelhofer Hafen. Dort ist das Büro des landeseigenen Unternehmens, das auf seiner Homepage damit wirbt, »Partner für eine klimaschonende und klimaresiliente Stadtentwicklung« zu sein. Bilder von Fahrradfahrer*innen, gelben Bussen und S-Bahnen illustrieren diesen Anspruch. Nicht aufgeführt ist das Projekt, das am Dienstagnachmittag zu dem Besucherandrang führt.
Mitte Dezember erteilte der Senat dem Unternehmen den Auftrag, den Görlitzer Park »mit einer stabilen Umfriedung auszustatten«, wie der RRB mitteilte. Die bestehende Mauer soll repariert, ausgebaut und ergänzt, an den Zugängen abschließbare Tore aufgestellt werden. Mit dem Zaun soll es künftig möglich sein, den Park nachts zu schließen. Die Pläne sorgen seit Monaten für Ärger zwischen dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und dem Senat. Der Zaun ist zu einem Symbol der Machtpolitik des Berliner Senats geworden.
Dagegen hat sich das außerparlamentarische Bündnis Görli 24/7 gebildet. »Zäune grenzen Menschen aus, die arm oder gesellschaftlich stigmatisiert sind«, sagte eine Aktivistin der Initiative »Unser Görli bleibt offen«, in der nicht nur Menschen aus Kreuzberg, sondern aus ganz Berlin mitarbeiten. Die Aktion am Dienstag dauert nur wenige Minuten. Vor den überraschten Mitarbeiter*innen wird eine kurze Rede gehalten. Mehrfach wird die Parole skandiert: »Grün Berlin will mitverdienen am rassistischen Zäuneziehen«. Als die Besucher*innen das Büro wieder verlassen, bleibt ein Geschenk mit Symbolkraft zurück: ein Stück Beton. Der Negativpreis soll verdeutlichen, dass das Unternehmen mit dem Bau des Zauns die eigenen Grundsätze missachtet.
»Grün Berlin hat sich mit seiner Annahme der Beauftragung durch den Senat für die Errichtung des Zaunes gegen die eigene Satzung gestellt und dagegen, einen Beitrag zu einer umweltgerechten, klima- und ressourcenschonenden Großstadt zu leisten, sowie gegen die Teilhabe der Anwohnenden, die gegen den Zaun sind«, hieß in der kurzen Rede. Zu einer Diskussion kam es am Dienstag nicht – die Besucher*innen verließen eilig das Büro.
»Wir hatten in den vergangenen Wochen einen offenen Brief an die Grün Berlin geschickt, auf den wir keine Antwort erhalten haben«, sagte ein Zaungegner. In dem Schreiben werden Kritikpunkte von Naturschutzorganisationen wie dem BUND aufgegriffen. Der moniert, dass wichtige Lebens- und Bruträume zahlreicher Tierarten durch den Zaunbau bedroht seien. Der Brief schließt mit der Frage an die Mitarbeiter*innen von Grün Berlin: »Sie haben so viele hübsche Bäume und Fahrräder auf Ihrer Website. Ein Zaun mit Eisentoren, Videoüberwachung und Flutlichtern passt nicht ins Bild. Ist das der Grund, warum das Projekt auf Ihrer Website nicht zu finden ist?«
Auf Nachfrage von »nd« erklärt die Pressestelle von Grün Berlin: »Die Kritik der Initiative Görli 24/7 zur geplanten Umzäunung des Görlitzer Parks sowie die Verleihung des ›Negativpreises‹ haben wir zur Kenntnis genommen. Die Vorwürfe bezüglich des Projekts teilen wir nicht.« Sie verweist darauf, dass Grün Berlin als landeseigenes Unternehmen und Dienstleister für die Verwaltung und die Bezirke »auf Basis politischer Beschlüsse und der gesetzlichen Vorgaben einen Baustein des Konzepts für mehr Sicherheit im Görlitzer Park umsetzt«.
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