Berlin: Bondes BVG-Welt

Verkehrssenatorin sieht »nichts zu meckern« – trotz mehr Verspätungen und Wagenknappheit

Wiede, wiede, wie sie ihr gefällt: Verkehrssenatorin Ute Bonde präsentiert eine eigene Perspektive auf den öffentlichen Nahverkehr in Berlin.
Wiede, wiede, wie sie ihr gefällt: Verkehrssenatorin Ute Bonde präsentiert eine eigene Perspektive auf den öffentlichen Nahverkehr in Berlin.

Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) sieht das Problem nicht: »Krise? Welche Krise?«, fragt sie am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus. Auf Antrag der Opposition wird dort über die Probleme von BVG und S-Bahn diskutiert. »Berlin hat deutschlandweit das beste ÖPNV-Netz«, gibt sie sich überzeugt. Die Zahl der Fahrgäste habe zugenommen, die Verkehrsbetriebe stellten wieder mehr an, die Pünktlichkeit sei gestiegen. »Es gibt nichts zu meckern«, findet Bonde.

Bei der Opposition sieht man das naturgemäß anders. »Sie verantworten die schwerste BVG-Krise seit Jahrzehnten und versuchen uns das als neuen Standard zu verkaufen«, sagt die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek. BVG und S-Bahn fehle es an Wagen – ein Problem, das sich noch zu verschärfen drohe. »2029 werden die 480er-Wagen der S-Bahn aus dem Betrieb genommen, und wenn ich zu dem Zeitpunkt keine neuen Wagen habe, fährt gar nichts mehr«, sagt sie. Bei der BVG sehe es ähnlich aus. Die Folgen spürten dann die Fahrgäste: »Busse und Bahnen sind überfüllt«, so Kapek.

Tatsächlich sind Bondes Aussagen real nur schwer zu halten. So geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tino Schopf hervor, dass die Pünktlichkeitsquote im Nahverkehr 2024 gesunken ist, nachdem schon in den zwei Vorjahren die Busse und Bahnen im Schnitt immer später kamen. Laut Bondes eigener Senatsverwaltung waren im vergangenen Jahr Busse nur in 88 Prozent der Fälle pünktlich. Bei der Tram waren es 86,8 Prozent. Bei der U-Bahn sieht es vergleichsweise besser aus: Hier waren 98,3 Prozent der Fahrten pünktlich. Die BVG hatte zuletzt allerdings den Fahrplan ausgedünnt.

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Die Verantwortung dafür sieht Grünen-Verkehrsexpertin Antje Kapek bei der schwarz-roten Haushaltspolitik. »Ihre Haushaltskürzungen haben direkten Einfluss darauf, dass wir zu wenig Züge haben«, sagt Kapek. Unter der rot-grün-roten Vorgängerregierung seien die Zuschüsse für die BVG noch verdreifacht worden. »Jeder Wagen, der heute geliefert wird, wurde von uns bestellt«, so Kapek. Der CDU-SPD-Senat habe die Mittel aber wieder zusammengestrichen. So seien 200 Millionen Euro weniger im Haushalt für S-Bahn und BVG bereitgestellt und die Investitionsmittel halbiert worden. »Die Verantwortung für die Krise müssen Sie ganz alleine tragen«, sagt Kapek.

»Dieser Senat macht sich ehrlich«, entgegnet Verkehrssenatorin Ute Bonde. Die aktualisierte Investitionsplanung greife auf, dass viele bereitgestellte Mittel nicht abgerufen worden seien. Die BVG sei durch den Verkehrsvertrag ausreichend finanziert. »Finanzen sind bei der BVG nicht das Problem, sondern Stabilität«, so Bonde. Unter dem rot-grün-roten Senat seien Doppelstrukturen aufgebaut und zahlreiche Gesetzesänderungen vorgenommen worden, die die Planungen des Nahverkehr-Unternehmens erschwerten.

Mindestens mittelbar wird sich die veränderte Finanzlage auch auf die aktuell laufenden Tarifverhandlungen bei der BVG auswirken. Die BVG hatte der Gewerkschaft Verdi zuletzt 17,6 Prozent mehr Lohn über vier Jahre angeboten. Damit bleibe die BVG hinter dem Lohnniveau in Brandenburg zurück, sagt Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion. »Da kann man es keinem Busfahrer verübeln, wenn er lieber im Umland fährt.« Der Senat müsse sich daher für einen besseren Tarifabschluss einsetzen.

Die Koalitionsfraktionen verweisen darauf, dass sie sich nicht in die Autonomie der Tarifpartner einmischen wollen.

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