Er spottete auch über rote Päpste

Ein Abend für George Grosz und mit Bert Brecht im FMP1

Georg Grosz – Er spottete auch über rote Päpste

Im November hat das Kleine George-Grosz-Museum geschlossen. Es hatte als temporärer Ausstellungsort mehr als zwei Jahre sein Domizil in einer ehemaligen Tankstelle im Berliner Stadtteil Schöneberg gefunden. Über 30 000 Menschen besuchten das Museum seit seiner Gründung im Mai 2022. Die privaten Organisator*innen sahen in dem großen Interesse am Leben des politisch engagierten Künstlers einen Ansporn, sich dafür einzusetzen, dass in Berlin dauerhaft an ihn erinnert wird. Schließlich hat er mit seinen bis heute bekannten Zeichnungen die Stützen der deutschen Gesellschaft so gekonnt karikiert wie kaum ein anderer – weshalb er auch immer wieder vor die Gerichte der Weimarer Republik gezerrt wurde. 

Um die Frage, wie der Würdigung von Grosz dauerhaft in Berlin ein fester Ort geschaffen werden könnte, ging es am Mittwochabend auf einer Veranstaltung, zu der das Willi-Münzenberg-Forum ins Bürogebäude am Berliner Franz-Mehring-Platz 1 (FMP 1), auch Sitz der Redaktion und des Verlages des »nd«, geladen hatte. Die Kuratorin Laura Hesse-Davies und der ehemalige Berliner Kultursenator Klaus Lederer wünschen sich eine Fortführung des Kleinen Grosz-Museums, das aber wohl angesichts der drastischen Einsparungen im Kulturhaushalt weiter über private Spenden finanziert werden müsse.

Vor deren Talk sowie danach lasen Paul Herwig und Oliver Kraushaar Passagen aus dem jahrelangen transatlantischen Briefwechsel zwischen George Grosz und Bertolt Brecht. Das eingespielte Duo machte den Abend zu einem erkenntnisbringenden wie vergnüglichen Kunstgenuss. Oft konnte man sich beim Zuhören das Lachen kaum verkneifen, etwa wenn man hörte, wie Grosz seinem Brieffreund, dem »lieben Berti«, einen Besuch des gemeinsamen Bekannten Gerhard Eisler schilderte; er sei zwar ein weitgereister Mann, rede aber viel zu viel. Die Briefpartner machten sich auch ungeniert über die »proletarische Denkweise« mancher ehemaligen Freund*innen lustig. Sie karikierten insbesondere sogenannte Linientreue, die jegliche Wendungen in der kommunistischen Parteipolitik brav mitvollzogen. Doch trotz allen Spotts über die »roten Päpste«, wie der Maler und der Dichter manche kommunistische Führungsfigur im Briefwechsel bezeichneten, sympathisierten und solidarisierten sie sich mit der Bewegung. Als ein Freund 1935 aus der Sowjetunion nach Deutschland ausgewiesen wurde, schrieb Grosz, es sei jetzt keine Zeit für Spott, dem von den Nazis bedrohten Mann müsse geholfen werden. Da war man sich einig. Als Brecht dann allerdings den Brieffreund 1947 bat, Zeichnungen für seine Gedichte zu liefern, hatte Grosz viel von seinem einstigen Idealismus verloren. Er lebe nun mal im Kapitalismus und müsse für seine Arbeit auch honoriert werden, antwortete er. Der Abend machte Lust, mehr von Grosz zu hören.  

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